Prüfen Sie genau, ob wirkliche Anwälte der Freiheit oder vielleicht doch Scheinliberale um Ihre Stimme werben.

Kommentar von Dominik Lusser

Was Smartvote unter einer liberalen Gesellschaft versteht, wirft Fragen auf. Der Zürcher FDP-Politiker Alain Schwald zeigte sich auf Twitter irritiert darüber, dass bei der beliebten Online-Wahlhilfe die Zustimmung zu einem vierwöchigen Vaterschaftsurlaub – also ein Ausbau des Sozialstaats – als liberal gilt. Und Ralph Toscan, Mediensprecher von Zukunft CH, kritisierte auf demselben Netzwerk, dass Smartvote auch die staatliche Förderung von Krippenbetreuung als freiheitlich taxiert. Spänne man diesen Gedanken weiter, müsste man die ehemalige DDR als liberalste Gesellschaft bezeichnen. Noch schwieriger nachvollziehbar ist es, wenn Kandidaten, die bei Smartvote als gesellschaftlich liberal eingestuft werden wollen, sich gegen den Dispens vom schulischen Sexualkundeunterricht aus religiösen Gründen aussprechen müssen. Das merkwürdige Liberalitätsverständnis nach Smartvote droht hier gar mit verfassungsmässig garantierten Grundrechten zu kollidieren.

Liberal ist also offensichtlich nicht gleich liberal. Es kommt immer auf die Definition an. Und darum lohnt es sich, ganz genau hinzuschauen, welchen „liberalen“ Kandidaten und Wahlempfehlungen man bei den Eidgenössischen Parlamentswahlen 2019 sein Vertrauen schenkt.

Smartvote scheint bei den Kandidatenprofilen die Achse „Liberale Gesellschaft“ nicht klassisch liberal (Freiheit des Individuums von staatlichen Eingriffen) zu definieren, sondern eher sozial- bzw. linksliberal. Diese Strömungen geben an, sich insofern für die Freiheit einzusetzen, als sie gesellschaftlich bedingte Chancenungleichheiten kompensatorisch zu korrigieren versuchen. Im Blick haben sie nicht nur die klassische, sogenannte negative Freiheit – d.h. die Freiheit von etwas –, sondern auch die positive Freiheit – d.h. die Freiheit zu etwas, z.B. die Teilhabe an öffentlichen Gütern. Das Problem dabei ist, dass die zweite Zielsetzung schnell einmal mit der ersten in Widerspruch geraten kann.

Dass Freiheit kein Selbstzweck ist, sondern der Entfaltung zu einem glücklichen Leben dienen sollte, ist jedem klar. Die Frage ist nur, inwieweit der Staat vorschreiben darf, was ein gutes Leben ist. Die Formulierung „Freiheit zu etwas“ deutet an, dass die sozial- und linksliberale Politik auch klare Vorstellungen davon mittransportiert, wie man mit seiner Freiheit richtig umzugehen, wie man zu denken, zu reden und sich zu verhalten habe. Wo bleiben bei dieser Politik, die anstelle von Wahlfreiheit oft eine bestimmte Handlungsoption einseitig fördert, beispielsweise die vielen Frauen, die es nicht als Errungenschaft empfinden, von der wichtigen Aufgabe der Kinderbetreuung „befreit“ zu werden?

Der Linksliberalismus scheint sich mittlerweile sogar im Freisinn breit zu machen. So wirbt der Zürcher Jungpolitiker Andri Silberschmidt im Wahlkampf mit seinem Engagement für „Vielfalt der Lebensformen und Toleranz“. Unsere Gesellschaft hätte viel unausgeschöpftes Potential, das es zu aktivieren gelte. Das sind hehre Ziele, die mit Blick auf die vorgeschlagenen Massnahmen allerdings einen bitteren Beigeschmack bekommen. So fordert der Kandidat ein Ja zur Erweiterung der Antidiskriminierungs-Strafnorm (StGB 261bis) auf die sexuelle Orientierung. Dass damit – wie viele Beispiele aus dem Ausland zeigen – die Meinungsäusserungs-, Gewissens- und Gewerbefreiheit von denen beschnitten würde, die die totalitäre Agenda der LGBT-Lobby nicht teilen, geht dabei vergessen.

Seien Sie also auf der Hut und prüfen Sie genau, ob wirkliche Anwälte der Freiheit oder vielleicht doch Scheinliberale um Ihre Stimme werben.