Überall hängen Plakate, denn am Sonntag ist es soweit: Die Wahlen stehen an. Auf den Plakaten sind Köpfe zu sehen mit Slogans und Werbespots für die eigene Partei. Alle Kandidaten und Kandidatinnen wollen das Beste für Sie, für das Volk, für den Staat Schweiz. Wahlkampf 2015. Sicher haben Sie folgenden Satz schon gehört: „Jedes Volk hat die Regierung, die es verdient.“ Dieses Zitat stammt vom französischen Diplomat, Staats- und Geschichtsphilosoph, Graf Joseph Marie de Maistre (1753-1821). Er war ein Gegner der Französischen Revolution (1) und vertrat einen restaurativen Monarchismus.(2) Betrachtet man die Weltgeschichte, so stimmt dieser Satz nur teilweise. Dennoch enthält er einen Kern Wahrheit.
Nicht jeder Christ kann in seinem Land wählen. In der Schweiz dürfen wir aber. Wir wählen keinen König oder Kaiser kann, sondern das Stimmvolk ist der Souverän, der „König“. Damit haben wir das Vorrecht, Parlamentarier und Richter zu wählen. Wir können Sachgeschäfte mitbestimmen, obbeispielsweise ein Sportplatz im Dorf gebaut werden soll oder nicht. Wir haben eine Initiativ- und Referendumsdemokratie. Millionen von Menschen in der Welt, in Europa, beneiden uns gewaltig darum. Dieses Privileg verdanken wir dem Christentum, speziell dem Reformierten Protestantismus, der den Föderalismus förderte. Wenn Christen nicht wählen gehen, kommt das eigentlich einer sträflichen „Unterlassungssünde“ gleich. Selbst „leer“ einlegen, ist besser als gar nicht. Stimmfaulheit ist hier fehl am Platze.

Oft sagen mir Leute, sie wüssten nicht, wie sie abstimmen sollten. Zudem beobachte ich nicht selten, dass bei Wahlen von Kandidaten Stimmberechtigte den Wahlzettel entgegen ihrem Ziel, entgegen ihrer Absicht, falsch ausfüllen. Jeder muss ein Wissen um Wahltaktik haben. In jedem Kanton ist das wieder anders. „Wie ist das jetzt mit der Listenverbindung?“, „Wie steht es um die Listenstimmen?“, „Wie ist es mit den Listennummern, soll ich nur die freie Liste auswählen und Kandidaten aufschreiben?“ „Was geschieht mit den leeren Lienen, wie zählen sie und ob?“ fragen sich viele. Panaschieren und Kumulieren sind oft Fremdworte. Deshalb wäre es wichtig, dass in Kirchen und Freikirchen, immer wieder Kurse angeboten würden, die das Wissen, die Wahltaktik vermitteln und lehren. Dies kann man tun, ohne parteipolitisch zu sein. Ich als ehemaliger Pfarrer würde das z.B. gerne anbieten.

Noch ein praktischer Hinweis: Nahezu alle Kandidaten haben eine Homepage. Daraus kann man einiges lesen und entnehmen. Es mag zuweilen Sinn machen, eine E-Mail zu schreiben und Fragen zu stellen. Meistens sind sie für etwas, aber man kann auch fragen, gegen was sie sind. Ein Beispiel: die Zukunft der Atomkraftwerke. Betrachtet man viele Aspekten zusammen, kann man auch als Christ dafür oder dagegen sein. Dies ist jedoch nicht das einzige Kriterium in Bezug auf Kandidierende. Man kann sich ein Gesamtprofil einer Person vor Augen führen (3), sich überlegen, wie nahe ihre Ansichten bei meinen Ansichten sind, und dann diese Person wählen oder nicht. Das gleiche gilt für die Wahl der Parteien. Keine Partei deckt meine persönliche Sicht in allen Bereichen ab. Aber es gibt Parteien, die dem christlichen Wertesystem nahe stehen, entgegenstehen oder es sogar bekämpfen. (4) Eine weitere Möglichkeit ist übrigens Smartvote. Hier können Sie Fragen beantworten und Smartvote zeigt Ihnen, welche Kandidaten am besten zu Ihrem eigenen Profil passen, mir Ihren Ansichten übereinstimmen. (5)
Ein Christ soll sich in der Schweiz politisch interessieren und zumindest an jeder Abstimmung teilnehmen. Um sich politisch auf dem Laufenden zu halten, sind z.B. die Radiosendungen „Echo der Zeit“ und „Rendez-vous am Mittag“ SRF seit Jahrzehnten sehr informativ und hilfreich. Heute kann man sie im Internet jederzeit nachhören. Weiter Informationen zu Sachabstimmungen bieten Zeitungen oder auch die Sendung „Arena“. Christen sind heute eine beträchtliche Minderheit. Packen wir unsere Volksrechte. Das Gebet ist immer mächtig, aber das Handeln im sichtbaren Bereich ist nötig. Das eine schliesst das andere nicht aus. Somit ab an die Urne, am Sonntag und jedes weitere Mal.
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(1) Im Jahre 1789, und die folgenden Jahre mit ihren grossen Wirren.

(2) Jedes Volk hat die Regierung, die es verdient. Quelle: Brief vom 15.VIII.1811. Der französische König, Ludwig XVI, wurde am 21. Januar 1793 auf dem Schafott hingerichtet, also enthauptet.

(3) Man kann die Wortprotokolle der Nationalrats- und Ständeratssitzungen im Internet nachlesen, was die Kandidaten im Parlament gesagt haben.

(4) Das „Etikett“ „Christlich“ oder „Evangelisch“ heisst leider heutzutage noch lange nicht, dass in einzelnen Punkten der christlichen Ethik und Moral entsprochen ist.

(5) https://www.smartvote.ch/

https://www.smartvote.ch/

Pfr. Beat Laffer