Seit acht Jahren residiert in einem prächtigen Wiener Palast aus der Kaiserzeit das von Saudi-Arabien finanzierte islamische Propagandabüro KAICIID. Offiziell dient dieses „König-Abdullah-Zentrum“ dem „interreligiösen und interkulturellen Dialog“. Jetzt wird ihm aber der Boden an der Donau zu heiss. Es will daher nach Genf übersiedeln.

Ein Kommentar von Dr. phil. Heinz Gstrein, Orientalist

Für seine Gründung hatte Österreichs damaliger pro-saudischer Aussenminister Michael Spindelegger KAICIID den Status einer staatenübergreifenden Organisation zugeschanzt. So ist das Zentrum von Steuern und Zöllen sowie von Sozialversicherungsbeiträgen befreit und es unterliegt bis auf wenige Ausnahmen nicht der österreichischen Gerichtsbarkeit. Auch Hausdurchsuchungen im Palais Sturnany benötigen das Einverständnis des KAICIID. Ausser Saudi-Arabien und Österreich beteiligten sich an dieser seltsamen Konstruktion auch Spanien und der Vatikanstaat. Seiner Parteikollegin, der kurz zuvor abgehalfterten Justizministerin Claudia Bandion-Ortner, verschaffte Spindelegger mit dem Posten der Stellvertretenden Generalsekretärin ein ergiebiges Ausgedinge.

Ständiger Generalsekretär ist bis heute der saudische Politiker Faisal Bin Muaammar. Der Vorstand setzt sich als Feigenblatt aus religiösen Persönlichkeiten zusammen. Islamischerseits aus den Reihen der Sunniten und Schiiten sowie der radikalen Wabbabiten. Dazu kommen ein Rabbiner, ein Hindu und eine Buddhistin sowie hohe anglikanische, griechisch-orthodoxe und katholische Geistliche. Doch Lutheraner, Reformierte und Evangelikale hatten gegenüber dem islamistischen Blendwerk schon zu Beginn schon erhebliche Zweifel.

Am 27. November 2012 wurde das KAIICIID mit einem Bankett in der Wiener Hofburg eröffnet, umgeben vom rauschenden Jubel der Medien. Draussen vor der Tür jedoch Proteste der österreichischen Grünen und zahlreicher NGOs. Sie prangerten die in Saudi-Arabien völlig fehlende Religionsfreiheit und rohe Verletzungen von Frauen- und Menschenrechten an. Der Wiener Universitätsprofessor Stephan Prohaska meinte bitter, dass bei dieser Dialog-Warte der Bock zum Gärtner gemacht werde: „Nach Saudi-Arabien dürfen Sie nicht einmal eine Bibel mitnehmen oder ein Kreuz!“

Bald zeigte sich, dass das KAICIID gar keine Dialoge führte, sondern einfach die Einbindung Andersgläubiger in islamisch indoktrinierte und geleitete Projekte betrieb. Bedenken meldeten sich auch gegen bestimmte Vorstandsmitglieder. Sie betrafen zunächst den katholischen Kardinal und Islamexperten Miguel Ayuso. Er hatte schon 2003 in Rom besuchende Schweizer Kirchenjournalisten mit seinem Eintreten für eine „pragmatische Achse“ von Christen und Muslimen unter Ausklammerung aller Glaubensfragen schockiert. Bei der zweiten KAICIID-Grossveranstaltung in Wien wies der orthodoxe Bischof von Paris, Emmanuil Adamakis, jeden wahrheitsssuchenden Dialog zurück: „Die Theologie hat in unserem Bündnis von Weltreligionen nichts verloren. Sie ist sogar schädlich!“

Den Vogel schoss dann 2014 Frau Bandion-Ortner ab, als sie es ablehnte, das KAIICID von den häufigen Hinrichtungen in Saudi-Arabien zu distanzieren: „Es wird ja nicht jeden Freitag geköpft!“, meinte sie mit fragwürdiger Kumpanei – was wenigstens sie ihren Posten kostete.

Die Machtergreifung von Kronprinz Mohammed Bin Salman 2017, der zunächst als Saudi-Reformer gefeiert wurde, verhalf dann auch dem KAICIID wieder zu einer besseren Einschätzung. Der neue Herr in Riad lud den libanesischen Kirchenführer Patriarch Bischara Rai in sein Land ein, wo christliche Gotteshäuser, Gottesdienste und sogar Privatgebete verboten sind. Er kündigte an der saudischen Ruinenstätte einer vorislamischen Kirche die Schaffung eines Dialogforums an – was dem vorgeblichen Dialog in Wien natürlich zustatten kam.

Bald kamen aber von Bin Salman ganz andere Nachrichten: Die grausame Ermordung des Journalisten Khashoggi, Fortsetzung der schon neunjährigen Folterhaft des Rappers Raif Badauwi mit seiner regelmässigen Auspeitschung, Festnahme von Frauenrechtlerinnen, unter ihnen sogar eine Prinzessin aus dem Königshaus. Nun wurden Demonstranten am Wiener Ring vor dem KAICIID-Palast zu einer Dauererscheinung. Am 12. Juni 2019 forderte der österreichische Nationalrat das Aussenministerium auf, das Amtssitz- und Errichtungsabkommen für das König-Abdullah-Zentrum zu kündigen. Zwar lässt sich die Wiener Diplomatie damit Zeit, doch halten nun die Saudis nach einem neuen Domizil am Genfer See Ausschau. Für die Schweiz heisst es vorsichtig sein, dass sie sich hier nicht eine Art „Kuckucksei“ ins Haus holt, welche die Islamistenszene in der Schweiz verstärken könnte …