Verhilft Leihmutterschaft Eltern, die keine eigenen Kinder bekommen können, auf legitime Weise zum heiss ersehnten Kind? Oder begünstigt sie„Babyfarmen“, Kinderhandel und Ausbeutung von Frauen? Birgit Kelle präsentiert  in ihrem neuen Buch „Ich kauf mir ein Kind“ erschütternde Hintergrundinformationen. Im Interview mit Ursula Baumgartner von Zukunft CH erklärt die deutsche Publizistin, weshalb Leihmutterschaft inakzeptabel ist.

Zukunft CH: Können Sie in kurzen Worten umreissen, was Leihmutterschaft ist?

Kelle: Die sogenannte „Leihmutterschaft“ beschreibt den Vorgang, dass eine Frau im Auftrag eines Paares oder auch einer Einzelperson in der Regel gegen Geld ein Kind austrägt und es nach der Geburt den Bestellern aushändigt. Sie bekommt dabei einen genetisch fremden Embryo eingesetzt, der durch künstliche Befruchtung gezeugt wurde und der nicht ihr eigenes genetisches Material beinhaltet. Sie wird also im wahrsten Sinne des Wortes von Auftraggebern als reiner Brutkasten benutzt, wird aber vertraglich vorher gebunden, dass sie die Mutterrechte an dem Kind abtritt. Wer also ein Kind haben will, wendet sich in der Regel an eine entsprechende Leihmutter-Agentur. Diese vermittelt einem durch Online-Kataloge eine Eizellspenderin und als zweite Frau eine Leihmutter. Als Frau kann man auch noch Samenzellen aus einer Samendatenbank kaufen, ausgewählt aus Steckbriefen in einem Katalog. Man bezahlt das Geld und bekommt das Kind nach der Geburt in zahlreichen Ländern mit legalen Papieren, um es in sein Heimatland mitzunehmen. Es ist ein Geschäft ganz ohne staatliche Aufsicht. Der Staat bekommt es gar nicht mit, erst wenn das Kind auf der Welt ist und man legale Papiere für das Kind will. Es gibt auch keine Eignungsprüfung der Besteller, ob sie taugliche Eltern wären, wie es etwa bei einem Adoptionsverfahren der Fall ist. Man kann also sagen: Jeder, der ein Kind haben will, kann sich eines bestellen: verzweifelte Eltern, schwule Paare, aber auch Rentner oder Verbrecher. Nachweislich haben auch Pädophile das leider schon genutzt – man braucht einfach nur genug Geld.

Zukunft CH: Sie gehen in Ihrem Buch hart mit der Leihmutterschaft ins Gericht. Warum?

Kelle: Zwei Hauptargumente sind hier zu nennen. Zum einen werden hier Kinder verkauft – und das zu Beginn des 21. Jahrhunderts. Ich dachte immer, wir hätten die Tatsache, dass Menschen nicht wie eine Sache und wie Eigentum behandelt werden sollen, mit der Abschaffung des Sklavenhandels zumindest für den zivilisierten Teil der Welt final geklärt. Wir haben uns global sogar auf eine Ächtung des Organhandels geeinigt, weil wir sagen, es sei unethisch, die Notlagen armer Menschen auszunutzen und sie dazu zu nötigen, sich sogar selbst körperlich zu schädigen. Man darf also auf dem Weltmarkt keine Niere kaufen, ein ganzes Kind aber doch?

Der zweite Grund ergibt sich direkt: Es werden Frauenkörper in einer neuen Form von Prostitution ausgenutzt. Prostitution ist Sex ohne Fortpflanzung. Leihmutterschaft ist Fortpflanzung ohne Sex. In beiden Fällen wird ein Frauenkörper benutzt und geschädigt. Im Fall der Leihmutterschaft riskiert die Frau ihre Gesundheit und manchmal auch ihr Leben.

Zukunft CH: Samenspende ist in Deutschland erlaubt, Leihmutterschaft verboten. Ist das nicht ziemlich ungerecht?

Kelle: Auch die Eizellspende ist in Deutschland verboten, das müssten Sie noch anfügen. Ich halte selbst die Samenspende für ethisch schwierig. Sie hat eine ganze Generation von Kindern heranwachsen lassen, die nicht wussten, wer ihre Väter waren – mit allen Identitätskrisen, die dazu gehören. Nicht umsonst hat man dort das Gesetz verschärft und jedenfalls in Deutschland die anonyme Samenspende verboten. Die Eizellspende ist in der faktischen Umsetzung weit weniger vergnüglich für die Frau als für einen Mann. Genaugenommen ist es gesundheitlich hochriskant, da sie eine hormonelle Hyperstimulation der Frau voraussetzt. Danach werden ihre Eierstöcke punktiert, um möglichst viele Eizellen auf einmal zu entnehmen. Der Vorgang ist stark gesundheitsschädlich. Die Eierstöcke können anschwellen, platzen, es kommt zu Bluthochdruck, Organschäden etc. Deswegen erlauben wir es nicht.

Leihmutterschaft erfordert nicht nur, dass die eine Frau durch den Prozess der Eizellspende geht, sondern auch, dass eine weitere Frau ebenfalls mit einem ganzen Paket an Medikamenten, Hormonen, Steroiden, Antibiotika und sogar Immunsuppressiva bombardiert wird. Dies damit sie das Kind nicht verliert, was häufig passiert. Oft erfordert die Leihmutterschaft zahlreiche Versuche. Das Hauptargument ist aber nicht nur die Ausnutzung von Frauen in einem hochriskanten medizinischen Akt, sondern die Tatsache, dass Kinder Rechte haben. Zum Beispiel, nicht wie eine Puppe verkauft zu werden und das Recht auf seine eigenen, biologischen Eltern.

Zukunft CH: Viele Paare, die sich ein Kind wünschen, könnten sich diesen Wunsch nur mittels Leihmutterschaft erfüllen. Ist das nicht eine Möglichkeit der Familienförderung, die man unbedingt nutzen sollte?

Kelle: Niemand hat ein Recht auf ein Kind, das Kind hat aber Recht auf seine Eltern. So traurig und schmerzhaft es auch sein mag, wenn sich der eigene Kinderwunsch nicht erfüllen lässt, können wir nicht alle ethischen Hürden unserer Gesellschaft einreissen, um das Kinderglück einzelner zu ermöglichen. Der Preis ist schlicht zu hoch. Es gibt zudem Kollateralschäden dieses Geschäftes, die man in einer globalen Welt nicht regeln kann, die aber begünstigt und ermöglicht werden. Wer den Markt dafür öffnet, öffnet ihn immer für alle, auch für jene, die besser keine Kinder haben sollten. Wir wissen weltweit, dass es Verquickungen gibt zwischen dem Geschäft mit den Kindern, der Zwangsprostitution und sogar mit dem illegalen Organhandel. In Afrika existieren ganze „Babyfarmen“. In Lateinamerika verschwinden täglich hunderte an Kindern, in Indien auch. Wohin? Leihmutterschaft erlaubt es, Kinder mit bestimmtem genetischem Profil gezielt heranzuzüchten.

Leihmutterschaft bedeutet auch, dass wir den Embryonenschutz abschaffen müssten, denn das Kind im Reagenzglas wird zur Experimentiermasse und zum Wegwerfmaterial. Es ist Standard, dass kranke und behinderte Kinder im Rahmen der Leihmutterschaft abgetrieben werden und dass eine Geschlechterselektion stattfindet. Da der Prozess so riskant ist, braucht es wie gesagt oft viele Versuche, bis ein gesundes Kind auf der Welt ist. Die Frage ist also nicht, wie viele Kinder dadurch mehr geboren werden, sondern wie viele sterben und geopfert werden, damit eines am Leben bleibt.

Zukunft CH: Vielen Dank für das Gespräch!

Was Birgit Kelle über die Behandlung von Leihmüttern und die gesellschaftlichen Folgen der Leihmutterschaft zu sagen weiss, lesen Sie im zweiten Teil des Interviews.

Birgit Kelle, verheiratet, Mutter von vier Kindern, publiziert als freie Journalistin für verschiedene Print- und Onlinemedien in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Sie ist Autorin diverser Bestseller und dem TV-Publikum seit Jahren als pointierter Talkgast der deutschen Medienlandschaft und als gefragte Expertin in den Themenkomplexen Gender-, Frauen- und Familienpolitik sowie Bioethik und Bürgerrechte bekannt.

Birgit Kelle, Ich kauf mir ein Kind. Das unwürdige Geschäft mit der Leihmutterschaft. Finanzbuchverlag 2024. 251 Seiten. ISBN 978-3-95972-770-9

Zukunft CH hat zum Thema Leihmutterschaft und Eizellenspende die Broschüre „Kind auf Bestellung? Fortpflanzungsmedizin zwischen Machbarkeit und Kindeswohl“ erstellt, die über das Bestellformular bezogen werden kann (Bestellungen aus dem Ausland nur bei Übernahme des Portos).