Ein Kind ist ein Geschenk. Daher hat niemand ein Recht auf ein Kind. Unter anderem aus diesem Grund warnt die deutsche Publizistin Birgit Kelle in ihrem neuen Buch „Ich kauf mir ein Kind“ wortgewaltig vor der Leihmutterschaft. Wie Leihmütter rekrutiert und behandelt werden und welche gesellschaftlichen Folgen die Leihmutterschaft nach sich ziehen kann, verrät sie Ursula Baumgartner von Zukunft CH im Interview.

Zukunft CH: Wer sind die Frauen, die sich als Leihmütter zur Verfügung stellen?

Kelle: Was sie alle eint, ist die Tatsache, dass sie Geld brauchen. Es gibt einen teuren Markt in den USA, dort kostet ein Kind mindestens 100‘000 Euro, weil dort Agenturen, Labore, Kliniken und auch Rechtsanwälte teurer sind. Der Billigmarkt ist in Europa in der Ukraine, dort bekommt man schon für 50‘000 ein Kind. Von diesen Summen sehen die Frauen zwar nur einen Bruchteil, doch sie machen es trotzdem, weil sie in Not sind.

In der Ukraine, in Bulgarien, in Georgien oder auch Kasachstan werden sie teilweise gezielt angeworben, sogar in Frauenhäusern. Da lassen sich Frauen teilweise für 5000 Euro anwerben, was für sie mehr als ein Jahresgehalt ist. Sie werden mit Verträgen geknebelt und bleiben mit ihrem gesundheitlichen Schaden anschliessend alleine zurück. In Afrika werden Frauen teilweise entführt und auf Babyfarmen gezwungen. In Indien rekrutierte man in den Slums Frauen, die oft nicht einmal die Verträge lesen konnten. In Mexiko blüht das Geschäft wenig verwunderlich in der ärmsten Provinz des Landes.

Ich habe mich durch mehrere Datenbanken als vermeintliche Kundin geklickt. Man sieht in der Regel junge Frauen ohne grosse Ausbildung, oft alleinerziehend. Sie nehmen das Geld, weil sie sonst nicht viele Optionen haben.

Zukunft CH: Haben die Leihmütter das Recht, mit dem Kind in Kontakt zu bleiben, das sie ausgetragen und zur Welt gebracht haben?

Kelle: Nein, sie haben überhaupt keine Rechte, sie werden wirklich wie Bruthennen behandelt. Kontakt oder Informationen zum Kind dürfen sie nur haben, wenn die Kunden das gewähren. Die meisten Frauen bekommen das Kind, das oft mit Kaiserschnitt geholt wird, nie auch nur einmal in den Arm oder gar zu Gesicht. Das ist unmenschlich für die Mütter und auch für die Kinder, die man direkt nach der Geburt mit einem Trennungstrauma ins Leben entlässt und es aus seiner Sicht völlig fremden Menschen überlässt.

Die Frauen werden nicht einmal Mütter genannt. Man beharrt penibel im internationalen Sprachgebrauch darauf, dass eine Leihmutter nur das „Surrogat“ oder der „Schwangerschaftsträger“ sei. Sie soll ja nicht Mutter sein, sondern eine Frau, denn es soll hier gar keine Mutter geben.

Zukunft CH: Welche Folgen kann Leihmutterschaft für die Mütter und für die Kinder haben? Gibt es da bereits Erfahrungswerte?

Kelle: Die gesundheitlichen Folgeschäden für die Mütter habe ich schon erwähnt, aber auch für das Kind gibt es gesundheitliche Schäden. Wir wissen nicht, was es gesundheitlich bedeutet, wenn ihre Mütter in der Schwangerschaft mit starken Medikamenten behandelt werden, es wird nicht einmal erforscht! Es kommt sehr häufig zu Fehlgeburten und auch zu Frühgeburten, die Gefahr der Schwangerschaftsvergiftung verdoppelt sich bei einer Leihmutterschaft. Dadurch kommen sehr viele Frühchen mit allen Folgeschäden auf die Welt.

Viel dramatischer wird wahrscheinlich der psychische Schaden werden, derebenfalls nicht erforscht wird. Niemand will das schliesslich dokumentieren. Es wird sogar behauptet, es mache einem Kind nichts aus, seine Mutter zu verlieren, es sei egal, wer ein Kind grosszieht. Es wird behauptet, es mache einer Frau nichts aus, neun Monate ein Kind unter ihrem Herzen zu tragen und es dann einfach wegzugeben. Was ist das für ein frauenverachtendes und auch mütterverachtendes Menschenbild?

Wir haben bislang nur wenige Zeugnisse von Leihmutterkindern. Viele wissen ja nicht einmal, dass sie welche sind, weil man es ihnen verheimlicht. Wir wissen, wie schwer es die Kinder haben, die durch anonyme Samenspende entstanden sind und manchmal lebenslang nach ihren Vätern suchen. Und wir sehen, wie schwer es Adoptivkinder oft haben, auch wenn sie in liebenden Elternhäusern aufwachsen können, weil auch sie die Frage nach ihrer Herkunft einholt. Bezieht man all diese Erfahrungswerte ein, dann muss man sagen, es wird eine neue Generation von Eizellspenderkindern und Leihmutterkindern geben, die uns allen vielleicht in 20 oder 30 Jahren vorwerfen werden, warum wir das zugelassen haben. Viele Leihmütter erzählen inzwischen in den Medien ihr Leid. Ich habe in meinem Buch einige von ihnen zitiert. Es zerreisst einem das Herz, sie tragen diese Kinder immer noch im Herzen – wie könnte man als Mutter auch anders fühlen?

Zukunft CH: Welche rechtlichen Konsequenzen gibt es für Paare, die das Verbot der Leihmutterschaft in Deutschland oder der Schweiz umgehen und sich im Ausland ein Kind „beschaffen“?

Kelle: Leider keine, das ist ja das Fatale. In der Regel bekommen sie ihre Elternschaft anstandslos anerkannt, weil es nur strafbar ist, das auf deutschem oder auf Schweizer Boden zu tun. Wir haben da eine Gesetzeslücke. Wer sich in den USA oder in Mexiko oder in der Ukraine oder auf Zypern als Vater oder als Mutter in die Geburtsurkunde des Kindes hat eintragen lassen, weil die Behörden das dort anstandslos bestätigen, gilt dann auch in Deutschland als Elternteil und wird auch nicht juristisch verfolgt.

Es ist sogar noch schlimmer. In Deutschland und auch in zahlreichen anderen Ländern finden völlig legal sogenannte „Babymessen“ statt, wo die ausländischen Agenturen und Kliniken ihre Dienste anbieten und man regelrechte Verkaufsgespräche führt. Ich war auf zwei solcher Messen und habe mich als vermeintlich alleinstehende Frau mit Kinderwunsch ausgegeben. Ich habe haufenweise Angebote direkt mitten in Berlin und Köln bekommen, man hatte gar keine Skrupel und auch keine Angst vor den deutschen Behörden. Man hat mir gleich in der Datenbank die Leihmütter angepriesen und auch die Preise genannt. Ich habe schriftlich das Angebot vorliegen für ein Kind, das ich über eine Agentur auf Zypern für 52‘900 Euro haben könnte, ohne jegliche genetische Verwandtschaft. Wenn ich unterschreibe und bezahle, kann ich ein garantiert gesundes Kind in 12 Monaten haben. Und all das hat man mir in Deutschland angeboten.

Italien geht da einen anderen Weg. Dort hat die Regierung Meloni eine Verschärfung der Gesetzeslage beschlossen, um den sogenannten Reproduktionstourismus der Italiener einzudämmen., Leihmutterschaft wurde  für Italiener weltweit verboten. Wer es nun trotzdem macht, riskiert bei der Heimkehr nach Italien nicht nur Geldstrafen, sondern eventuell auch einen Kindesentzug.

Wir müssen dieses Geschäft mit  Kindern wie beim Organhandel weltweit ächten. Man kann es sonst nicht eindämmen, man kann es ja jetzt schon kaum verhindern, eben weil es in anderen Ländern legal ist. Das muss ein Ende haben.

Zukunft CH: Vielen Dank für das Gespräch!

Den ersten Teil des Interviews „Ich kauf mir ein Kind“ können Sie hier nachlesen.

Birgit Kelle, verheiratet, Mutter von vier Kindern, publiziert als freie Journalistin für verschiedene Print- und Onlinemedien in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Sie ist Autorin diverser Bestseller und dem TV-Publikum seit Jahren als pointierter Talkgast der deutschen Medienlandschaft und als gefragte Expertin in den Themenkomplexen Gender-, Frauen- und Familienpolitik sowie Bioethik und Bürgerrechte bekannt.

Birgit Kelle, Ich kauf mir ein Kind. Das unwürdige Geschäft mit der Leihmutterschaft. Finanzbuchverlag 2024. 251 Seiten. ISBN 978-3-95972-770-9

Zukunft CH hat zum Thema Leihmutterschaft und Eizellenspende die Broschüre „Kind auf Bestellung? Fortpflanzungsmedizin zwischen Machbarkeit und Kindeswohl“ erstellt, die über das Bestellformular bezogen werden kann (Bestellungen aus dem Ausland nur bei Übernahme des Portos).