Oft wird behauptet, wer seinen Verstand gebrauche, könne unmöglich an Gott glauben. Eine der bisher wohl heftigsten Attacken gegen den Glauben führt der Engländer Richard Dawson mit seinem Buch „Der Gotteswahn“. Darin behauptet er, die Evolutionstheorie beweise, dass es keinen Schöpfergott geben könne. Dem widerspricht sein Landsmann John Lennox, Mathematikprofessor und Wissenschaftsphilosoph an der Universität Oxford.

Den Evolutionsbiologen Richard Dawkins halten manche für einen ehrlichen Gotteszweifler, andere für einen fundamentalistischen Atheisten. Wie sehen Sie ihn?

Lennox: Meiner Ansicht nach ist er ein Fundamentalist, und zwar in dem Sinn, dass er die Beobachtungen und Indizien, die seiner Sicht der Dinge widersprechen, einfach nicht ernst zu nehmen scheint. Er macht zum Beispiel die Religionen verantwortlich für die Kriege in dieser Welt. Das ist eine Halbwahrheit – einige Religionen sind verantwortlich. Andererseits hat sich ein falsches Verständnis vom christlichen Glauben hier ebenfalls schuldig gemacht. Denn Jesus hat das Schwert verboten. Im gleichen Atemzug sagt Dawkins aber, der Atheismus habe noch nie einen Krieg verursacht. Stalin, Hitler, Mao, Pot Pot – deren Verbrechen haben angeblich nichts mit dem Atheismus zu tun. Über diese Sicht von Dawkins habe ich neulich in Polen gesprochen. Die Leute haben gelacht und gesagt, wenn er so denkt, braucht man über ihn eigentlich nicht mehr zu diskutieren.

Hat Dawkins denn in allem Unrecht?

Lennox: Nein. Gut finde ich beispielsweise, dass er an Wahrheit glaubt. Gegen die relativistische Ansicht, es gebe keine Wahrheit, sagt er, man könne die Wahrheit erkennen. Und ich halte es auch für berechtigt, dass er Indizien für die Wahrheit verlangt und einen blinden Glauben ablehnt.

Aber er lässt doch gar keine Indizien gelten, die für den Glauben sprechen …

Lennox: … und das ist sein grosses Problem. Unlauter finde ich, wie er mit dem Neuen Testament umgeht. Er bezieht seine Informationen teilweise nicht von Experten. Beispielsweise behauptet er, Jesu Botschaft ziele ausschliesslich auf das jüdische Volk ab – was nicht stimmt. Aber diese Information hat Dawkins von einem Mediziner, keinem Bibelexperten. Ich habe ihn deshalb in meiner Debatte mit ihm gefragt, was er davon hielte, wenn ich mich zum Thema Evolutionsbiologie von einem Bauingenieur informieren liesse. Es ist klar, dass er das unangemessen fände. Also, er nimmt als Wissenschaftler die Bibel einfach nicht ernst genug.

In den vergangenen Jahren ist weltweit verstärkt über „Intelligentes Design“ diskutiert worden – dass also eine göttliche Kraft die Entwicklung des Lebens gesteuert haben muss, weil das Leben zu kompliziert ist, um sich alleine durch zufällige Mutationen und natürliche Auslese so hoch entwickelt zu haben. Wie stehen Sie dazu?

Lennox: Der Begriff „Intelligentes Design“ ist aufgrund seiner Bedeutungsveränderung fast sinnlos geworden. Ursprünglich verband sich damit die berechtigte Frage: Kann man naturwissenschaftlich (!) Spuren einer intelligenten Kraft im Weltall erkennen? Inzwischen wird „Intelligentes Design“ oft als verkappter Kreationismus wahrgenommen. Manche tun so, als würden alle Forscher des „Intelligenten Designs“ an eine Sechs-Tage-Schöpfung glauben. Das ist zwar nicht so, aber der Begriff ist wegen eventuellen Missverständnissen fast unbrauchbar geworden.

Was sagen Sie nun als Naturwissenschaftler: Kann man eine intelligente Kraft im All erkennen?

Lennox: Ja. Alleine die Tatsache, dass wir Naturwissenschaft betreiben können, setzt das voraus. Dass ein Astronom über das All nachdenken und mathematische Berechnungen anstellen kann, mit denen er Dinge voraussagt – dieser intellektuelle Prozess wäre ohne das Wirken einer intelligenten Kraft nicht denkbar. Wenn unsere Gedanken wirklich nur das Produkt biochemischer Prozesse im Gehirn wären und unsere Denkfähigkeit das Ergebnis eines blinden Evolutionsprozesses – warum sollten wir den so erzeugten Theorien Glauben schenken? Die Regelmässigkeiten im All und in der Natur; die „Herrlichkeit des Universums“ ist Wegweiser zu Gott – und zwar zu allen Zeiten auf allen Kontinenten. Auch wenn wir Gott in einem mathematischen Sinn nicht beweisen können, so ist doch die Schöpfung ein Indiz für das Wirken des Schöpfers. Die Begründer der modernen Naturwissenschaft – Galileo, Kepler, Newton – waren alle gläubige Leute. Ihr Glaube war kein Hindernis, sondern Motor für ihre Forschung.

Manche kritisieren das „Intelligente Design“ mit dem Argument, man suche ja nur einen Lückenbüsser für Dinge, die man noch nicht erklären könne. Hat man dafür eine Erklärung, braucht man auch Gott nicht mehr …

Lennox: Wenn Gott ausschliesslich als Lückenbüsser herhalten müsste, wäre das natürlich falsch. Das Problem mancher Naturwissenschaftler ist doch aber: Sie sagen, sie haben einen Mechanismus gefunden, wie etwas funktioniert – also gibt es keinen Gott. Das ist aber philosophisch gesehen ein Kategorienfehler. Denn die Existenz eines Mechanismus kann nicht als Beleg dafür genommen werden, dass es niemanden gibt, der den Mechanismus erfunden hat. Den Ursprung des Lebens kann eine materialistische Evolutionstheorie bis heute nicht befriedigend erklären.

Viele Naturwissenschaftler glauben ja auch an Gott, aber damit muss man noch lange nicht an Jesus Christus glauben. Warum überzeugt Sie der christliche Glaube mehr als beispielsweise der muslimische?

Lennox: Als Naturwissenschaftler kann man Gottes Kraft und Macht im Universum erkennen. Dass er der Vater von Jesus Christus ist, können wir naturwissenschaftlich nicht ableiten. Wir brauchen hier andere Belege – aus der Geschichte und aus der Erfahrung. Christ bin ich einerseits, weil die Auferstehung von den Toten belegt, dass Jesus Christus Gott ist. Und andererseits, weil er etwas anbietet, was ich sonst nirgendwo bekomme; nämlich ein persönliches Verhältnis zu Gott selbst. Das Grundproblem der Menschheit – Schuld und Vergebung – löst Jesus Christus am Kreuz. Das ist einzigartig. Wenn es einen Gott gibt, der heilig ist – wie stehe ich zu ihm? Auf diese Frage geben die Religionen sehr unterschiedliche Antworten, während sie auf ethischem Gebiet teilweise grosse Gemeinsamkeiten haben. Wie man zu einem Verhältnis zu Gott kommt, das bietet Jesus Christus einzigartig an, weil er schon in diesem Leben Vergebung der Sünden ermöglicht für diejenigen, die ihn als Herrn bekennen. Deshalb bin ich Christ.

Das Interview führte Marcus Mockler (idea).
Abdruck mit freundlicher Genehmigung von idea.

Interview mit dem Mathematikprofessor und Wissenschaftsphilosophen Dr. John Lennox