Sprache und Gefühl sollen die bisherige Gesellschaftsordnung und die Wirklichkeit verändern und revolutionieren. Die Menschen werden zunehmend nur noch über Begriffe wie „hetero“, „schwul“ oder „queer“ definiert und in entsprechende Lebensstile und „Identitäten“ eingeordnet. Diese Entwicklung widerspricht dem Menschen und reduziert ihn.

Von Ralph Studer

Wie revolutioniert und krempelt man einen Staat, eine Gesellschaft um? Indem man die Art und Weise des Denkens einer Gesellschaft verändert. Dies wiederum geschieht durch Veränderung der Sprache. Diese Entwicklung können wir seit einigen Jahren in Europa und weltweit beobachten.

Macht der Sprache

Julia Penelope, Linguistin, die sich selbst als Lesbe und Aktivistin für Schwulenrechte bezeichnet, sagt klar, dass „Sprache Macht [ist], und dies in einem buchstäblicheren Sinn als die meisten Leute glauben. Wenn wir sprechen, üben wir die Macht der Sprache aus, um die Wirklichkeit zu verändern.“ Sehr ähnlich äusserte sich auch Otto Schily, ehemaliger deutscher SPD-Innenminister: „Politik ist Sprachpolitik. Man macht keine Revolution, ohne das Vokabular zu ändern. Eine neue Politik braucht ein neues Vokabular.“

Dieser durch Sprache vermittelten Weltsicht kann man sich kaum entziehen, auch wenn man um die Absicht weiss. Mithilfe der Sprache wird eine zweite Wirklichkeit geschaffen und mit Wortneuschöpfungen, sogenannten „Neologismen“, gestützt. Die Wirklichkeit wird dabei mit subjektiven Begrifflichkeiten verändert: Vielfalt der Lebensformen und soziale Elternschaft gegenüber der Ehe und natürlichen Familie, Gender und sexuelle Orientierung gegenüber dem biologischen Geschlecht usw. So kommt eine neue „Wirklichkeit“ zustande und führt zwangsläufig zu einer gesellschaftlichen und kulturellen Revolution, die den Menschen insgesamt verändert.

Gefühl und Wille sagen, was gilt

Die neue Sprache ist ein Ausdruck der Autonomie des modernen Menschen, der Gott abgeschafft und sich an dessen Stelle gesetzt hat. Er will in vollständiger Selbstbestimmung die Welt und vor allem sich selbst neu erschaffen nach dem Motto: „Ich bin mein eigener Herr und gestalte und bestimme über mich selbst. Was ich von mir sage, das bin ich auch.“ Die moderne Gesellschaft hat, wie der Autor Daniel C. Mattson in seinem Buch „Warum ich mich nicht als schwul bezeichne“ treffend ausführt, die existentialistische Forderungen und Ansichten von Simone de Beauvoir übernommen: „Man kommt nicht als Frau zur Welt, man wird es – das heisst, jeder kann Mann oder Frau werden, (…), unsere Körper geben uns weder Grenzen vor noch zeigen sie uns Realität über uns auf.“ Das gegenwärtige Konzept der LGBTIQ-Bewegung basiert im Wesentlichen gerade auf diesen Überlegungen, auf dem subjektiven Gefühl und dem Willen des Menschen. Es blendet sowohl die Natur des Menschen, seine Biologie, die wissenschaftlichen Fakten im Bereich der Hirn- und Hormonforschung und der Entwicklungspsychologie als auch die Erfahrungen der Menschheitsgeschichte einfach aus.

Reduzierung des Menschen

Dabei sieht die heutige Gesellschaft die sexuelle Identität mehrheitlich durch die Brille der sexuellen Befriedigung oder durch die Brille der sexuellen Orientierung. Dies ist ein ungerechtfertigter Reduktionismus des Menschen auf die genitalen und erotischen Komponenten der Sexualität. Sie bilden nicht die Person in ihrer Ganzheit und Vielschichtigkeit ab. Deshalb wäre es auch an der Zeit, diese konstruierten Redewendungen und sexuellen Identitäten zu hinterfragen – weil sie zu kurz greifen. Bei der Sexualität geht es dem Mann nur teilweise um eine körperliche-sexuelle Intimität und Befriedigung. Sie ist ein Teil der männlichen sexuellen Identität, wenn sie in einer Ehe mit einer Frau praktiziert wird, die offen für das Leben und somit die Vaterschaft ist. Deshalb ist die Rede von „heterosexuellen Männern“ – oder „homosexuellen Männern“ – eine unpassende Definition der männlichen sexuellen Identität, wie Mattson zurecht festhält. Dasselbe gilt umgekehrt auch für Frauen. Denn der Mensch ist mehr als seine Genitalien und seine erotische Anziehung.

Ganzheitlicher denken

Die männliche sexuelle Identität kann beispielsweise nur dann umfassend verstanden werden, wenn sie auch aus dem Blickwinkel der Vaterschaft gesehen wird. In das Wesen des Mannes ist das Vatersein, die Väterlichkeit, hineingeschrieben, und zwar unabhängig ob als Familienvater, Lehrer, Mentor oder geistlicher Vater. Sie ist eben gerade nicht auf die biologische Vaterschaft beschränkt. So können auch ledige Männer oder Männer in kinderlosen Ehen in ihrer je eigenen Art zu Vätern werden, indem sie sich beispielsweise in ihrem Leben für andere einsetzen, sich in der Jugendarbeit engagieren und Alte und Arme unterstützen.

Führt man sich die verschiedenen Merkmale von Vaterschaft vor Augen, wird sehr klar, wie reich und vielseitig die Aufgabe eines Vaters ist. Die Autoren Daniel Plassnig und Philipp Karasch schreiben in ihrem Buch „Träumer, Kämpfer, Gentleman – eine Männerfibel‟ hierzu: „Er ist lebenspendender Erzeuger, hingebungsvoller Ernährer, mutiger Beschützer, weiser Lehrer und respektvoller Mentor.‟ Ein so verstandenes Vatersein basiert in erster Linie auf aufrichtiger Liebe zur eigenen Frau und zu den Kindern und beinhaltet eine klare Absage an ein selbstbezogenes, ich-süchtiges Leben.

Vatersein ist ganzheitlich. Es ist auf die ihm anvertraute Familie gerichtet und durch Hingabe und Ausdauer charakterisiert: Liebe, die aufs Ganze geht, die von der Sorge um andere, das Schenken von Geborgenheit und Nähe, das Beschützen und das Verteidigen gekennzeichnet ist. „Du darfst ihm [dem Jungen] gehen, Rad fahren, schwimmen beibringen. Abends wirst du dir kindliche Abenteuer anhören und anschliessend Drachen unter dem Bett verscheuchen. Du wirst trösten, ermutigen, fördern und lachen. Manchmal musst du streng sein, immer darfst du wissen, unbedingt gebraucht zu werden. Und das Wunderbarste: Du kannst mit deinen Kindern beim Spielen und Abenteuer-Erleben wieder ein kleiner Bub sein!‟, so Plasnigg/Karasch in ihrem lesenswerten Buch.

Diese Ausführungen zeigen eines deutlich: Statt die sexuelle Identität des Menschen auf seine genitalen und erotischen Aspekte zu reduzieren, ist der ganze Mensch mit seinen Eigenschaften, Möglichkeiten und Fähigkeiten, insbesondere seiner Liebes- und Hingabefähigkeit zu sehen. Nur dann werden wir dem einzelnen Menschen auch wirklich gerecht.