Was macht einen guten Vater aus? Welche Rolle spielt er bei der Entwicklung seiner Kinder? Eine ganz besondere, hat Professorin Lieselotte Ahnert herausgefunden. Sie enthüllt in ihrem aktuellen Buch wesentliche und auch überraschende Erkenntnisse aus der internationalen Forschung, welche die bis anhin unterschätzte Bedeutung der Väter unterstreicht. Väter sind keinesfalls wichtiger als Mütter, aber ihre Wirkung auf die Kinder ist von unschätzbarem Wert.

Von Ralph Studer

Vater werden ist nicht schwer, Vater sein dagegen sehr, sagt eine bekannte Volksweise. Und dies trifft den Kern. Die Vaterschaft gehört zu den herausforderndsten und zugleich aufregendsten Erfahrungen im Leben eines Mannes. Es gibt für einen Mann nichts Tiefergehendes und Lebensveränderndes, als Vater zu werden. Es erfüllt sein Leben mit tiefem Sinn. Und dieser Sinn erwächst in erster Linie aus dem Gefühl der Verantwortung, für dieses Kind da zu sein und für es zu sorgen.

Herausforderung in der Partnerschaft meistern

Auch wenn das Kind für die Eltern ein Geschenk und eine Bereicherung ist, bringt es vor allem in der ersten Zeit nach der Geburt einige Herausforderungen mit sich. Die gemeinsame Zeit in der Partnerschaft tritt in den Hintergrund. Das Neugeborene nimmt die ganze Fürsorge der Mutter in Anspruch.

Der US-amerikanische Psychologie und Paartherapeut John Gottman von der Universität Washington führte Studien bei Paaren durch, die ihr erstes Kind grosszogen. Dabei stellte sich heraus, dass die Mütter umso zufriedener mit ihrer Mutterrolle waren, je freundlicher und emotional zugewandter die Väter waren und je eindeutiger sie Verantwortung für die Familie übernahmen. Wenn etwa der Vater gleich nach der Arbeit das weinende Baby durch die Wohnung trug, Ruhe und Gelassenheit ausstrahlte, einen aufmunternden Kommentar machte, zum Scherzen aufgelegt war oder die erschöpfte Mutter liebevoll in den Arm nahm, dann trug das wesentlich zur Familienharmonie bei. Dadurch zeigten die Väter: Wir werden auch die grössten Hürden gemeinsam meistern. Aufschlussreich ist auch, dass die Fähigkeit, Konflikte anzusprechen und die Qualität ihrer Partnerschaft zu verbessern, massgeblich ist, ob ein Paar nach der Geburt des ersten Kindes enger zusammenrückt.

Vaterschaft als beglückende Erfahrung

Welche Bedürfnisse haben Väter? Eine selten gestellte, aber zentrale Frage. Gerade die Erfahrung mit eigenen Kindern, die bei den Vätern Zuneigung, grosse Freude und pures Vergnügen auslösen, stellt auch die emotionalen Bedürfnisse der Väter zufrieden. Das väterliche Glücksempfinden hat auch entscheidende Auswirkungen auf das Empfinden der Mutter und die Partnerschaft im Ganzen. „Je glücklicher sich ein Mann als Vater fühlte“, so die Psychologin Ahnert zur Forschung, „desto zufriedener war er auch mit der Partnerschaft.“ Und: „Ein glücklicher Vater übertrug seine Zufriedenheit ausserdem auf die Partnerin und stärkte damit die Zufriedenheit des Paares insgesamt.“ Umgekehrt konnten „keine gleichwertigen Effekte ausgemacht werden, die von einer glücklichen Mutter ausgegangen wären“, führt Ahnert weiter aus.

Wie Männer sich als Väter fühlen und dies erleben, ist somit eng mit der Qualität der Partnerschaft verknüpft. Ein Vater ist besonders von seinem Baby begeistert, wenn er auch von seiner Partnerin begeistert ist. Zugleich sind Freude und Zärtlichkeit, die er dem Kind gegenüber zeigt, auch ein Gewinn für die Mutter. Umgekehrt wirken sich Streit und Unzufriedenheit zwischen einem Paar weitaus negativer auf die väterliche Fürsorglichkeit aus als auf die mütterliche.

Untersucht wurde auch, wie sich Arbeit und Vaterschaft beeinflussen. Die Ergebnisse der Personal- und Organisationspsychologin Petra Klumb überraschten: Hatten sich die Vater-Kind-Aktivitäten am Abend positiv auf die väterliche Stimmung ausgewirkt, bestimmte die gute Laune der Väter auch den nächsten Arbeitstag. Dies wiederum wirkte sich positiv auf die sozialen Kontakte am Arbeitsplatz aus und auf das Entgegenkommen der Vorgesetzten auf die Bedürfnisse und Wünsche der gutgelaunten Väter im Vergleich zu den schlechtgelaunten. Überraschenderweise liess sich jedoch kein Effekt der väterlichen Stimmung bei der Arbeit auf die Stimmung in der Familie festmachen. Oder anders gesagt: Hatte der Arbeitstag die väterliche Stimmung getrübt, wurde die schlechte Stimmung des Vaters in der Familie ausgeblendet.

Die Haltung entscheidet

Kann eine Teilnahme an Säuglingspflegekursen wirksam zu einer „besseren Vaterschaft“ beitragen? Väter, die solche Kurse besucht hatten, zeigten sich anfänglich gewandter im Umgang mit ihren Babys. Diese Vorteile waren jedoch nach einigen Wochen kaum mehr relevant. Es stellte sich heraus, dass die Väter der Kontrollgruppe (ohne Besuch solcher Kurse) inzwischen genauso gekonnt und entspannt mit ihren Babys umgingen. Was war entscheidend? Es waren letztlich die konkreten Erfahrungen mit dem Baby, die sie zu fähigen Vätern gemacht hatten.

Die Forschung interessierte sich auch, wie sich väterliches Engagement auf Mutter und Kind auswirkt. Im Bereich des Stillens zeigten sich überraschende Ergebnisse: War seine Haltung zum Stillen positiv und seine Unterstützung vorhanden, war es mehr als 20-mal wahrscheinlicher, dass ein Baby auch nach dem vierten Monat weiter gestillt wurde, verglichen mit einem Baby, dessen Vater das Stillen abgelehnt und Mutter und Kind kaum unterstützt hatte. Diese Erkenntnis ist umso wichtiger, wenn man sich der Bedeutung der Muttermilch für das Kind bewusst ist: Sie schützt u.a. vor Magen-Darm-Infektionen und stärkt insgesamt das Immunsystem des Babys.

Fünf Grundkompetenzen für Väter

Die Forschungsarbeiten der US-amerikanischen Familientherapeuten Carolyn und Philip Cowan zeigten, wie praktischer Umgang mit dem Kind bestimmte Kenntnisse und Fähigkeiten der Väter in einem „Learning-by-Doing-Prozess“ förderten. Dies wiederum begünstigte, dass die Väter auch mit völlig neuartigen Situationen flexibel umgehen konnten wie z.B. mit plötzlichen Wutanfällen oder Trotzreaktionen des Kindes. Väter, die viel praktischen Umgang mit ihren Kindern hatten, hatten gelernt, geschickt und souverän auf derartige Situationen zu reagieren.

Was Männern in ihrer Rolle als Väter hilft, hat Heinz Walter, Psychologe und Erziehungswissenschaftler an der Universität Konstanz, aufgezeigt. Er konnte fünf Grundkompetenzen herausarbeiten, deren Erwerb oder Vorhandensein für Väter zentral sind:

  • Geduld für das Kind aufbringen
  • eine emotionale Beziehung zu ihm aufbauen und aufrechterhalten
  • sich angemessen durchsetzen
  • ausreichende Spielräume mit dem Kind aushandeln
  • seine Entscheidungen unterstützen.

Verhalten der Mütter zentral

Beim Aufbau und der Festigung der väterlichen Kompetenzen spielt auch die Mutter eine wesentliche Rolle. Fehlende Wertschätzung und Ermutigung bzw. ambivalentes Verhalten seitens der Mütter haben nach den vorliegenden Studienergebnissen negative Folgen auf die Vaterkompetenzen: Wenn sich die Väter besonders gut um die Belange der Kinder kümmerten, fühlten sich manche Mütter in ihrer eigenen Rolle verunsichert. „Einerseits“, so Ahnert, „freuten sie sich über die väterliche Unterstützung, andererseits drängten sie die Partner gern zurück in die Arbeitswelt. Und wenn sich die Väter darauf einliessen, wurde ihnen dieser vermeintliche Rückzug prompt wieder zum Vorwurf gemacht.“ Aufgrund dieser Beobachtungen und Resultate scheint es, dass es den Vätern nicht immer einfach gemacht wird, ihre väterlichen Fähigkeiten zu erwerben. Hier würden Ermutigung und Unterstützung der Väter, vor allem durch die Mütter, viel Gutes bewirken.

Väter von unschätzbarem Wert

Väterforschung hat in Europa bis anhin kaum Beachtung gefunden. Der Mann als Vater führt eine Art Schattendasein. Liselotte Ahnert rückt die Väter und ihre Wichtigkeit wieder in den Fokus. Sie berichtet, dass Väter u.a. das aktive Sprechen und die Kommunikationsfähigkeit von Kindern fördern und ihnen helfen, ihre Gefühle zu regulieren, was wiederum die Kommunikationsfähigkeit schult. Im körperbetonten Spiel mit dem Vater lernen sie ihre eigene Körperlichkeit kennen und wie sie ihre Grenzen ausloten.

Es ist in jedem Fall wünschenswert, die Rolle des Vaters und seine Bedeutung für die Entwicklung seiner Kinder vertiefter zu erforschen. Denn die heutigen Väter wollen vermehrt Verantwortung für die Kinder übernehmen und deren Entwicklung fördern. Und hier bilden sie in ihrer Unterschiedlichkeit zu den Müttern eine ideale Ergänzung.

Ein Interview mit der Psychologin und Buchautorin Liselotte Ahnert finden Sie im aktuellen Magazin von Zukunft CH. Dieses können Sie gerne bestellen unter Tel. 052 268 65 00 oder unter Magazin – Stiftung Zukunft CH.

Buchtipp: Lieselotte Ahnert, „Auf die Väter kommt es an. Wie ihr Denken, Fühlen und Handeln unsere Kinder von Anfang an prägen“, 2023, Ullstein, im Buchhandel erhältlich