Bei der Abstimmung am 28. November 2021 über das Covid-Gesetz geht es um mehr als Gesundheit. Es geht um unsere Freiheit und unsere Demokratie. Und es wird deutlich: Das Zertifikat verschärft die Gräben in unserem Land.

Von Ralph Studer 

Seit Mitte September 2021 ist unser Land zweigeteilt: Es gibt Menschen, die weiterhin an sportlichen, gesellschaftlichen und kulturellen Anlässen teilnehmen dürfen, die zertifizierten Bürger, und Menschen, die aufgrund fehlender Impfung, Testung oder Genesung, vom sozialen Leben ausgeschlossen sind. Die Kategorie „Gesunde“ existiert seit Corona ohnehin nicht mehr. Manche Stimmen sprechen mittlerweile von „Impf-Apartheid“ oder „Zweiklassengesellschaft“. Ist dies so?

Zur Auslastung der Spitäler

Im Frühjahr 2021 kündigte Bundesrat Berset an: „Wenn alle Personen, die das wollen, zweimal geimpft sind, können wir die Restriktionen nicht mehr aufrechterhalten.“ Mittlerweile konnte jeder, der sich impfen lassen wollte, dies in Anspruch nehmen. Statt – wie versprochen – die Massnahmen zurückzunehmen, verschärfte der Bundesrat die Massnahmen durch die Einführung des Covid-Zertifikats. Begründet wurde dies mit der drohenden Überlastung der Spitäler. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Kapazitäten an Intensivstationsbetten in der Coronakrise massiv abgebaut wurden. Allein der Kanton Zürich reduzierte seine Intensivbetten um ganze 45 Prozent.[1] Trotzdem blieb die vonseiten des BAG prophezeite Überlastung der Spitäler wie schon bei den ersten Wellen bis heute aus. Der K-Tipp führte dies in seiner Ausgabe vom 3. November 2021 deutlich aus:[2] „Die entsprechenden Zahlen für die Zeit von Januar bis Mitte Oktober 2021 zeigen: Stets blieben zwischen 20-40 Prozent der Betten auf den Intensivstationen leer – von Überlastung kann keine Rede sein. Auch Anfang September (…) gab es genug Betten. Gemäss BAG waren von 873 Betten auf den Intensivstationen 680 mit Patienten besetzt, davon 298 mit Corona-Patienten. 193 der Betten wären also noch frei gewesen. In der Woche vom 18. Oktober 2021 lagen noch durchschnittlich 107 Corona-Patienten auf den Intensivstationen – im Vergleich zur Woche 17 Prozent weniger.“[3] [4]

Atmosphäre der Angst

Seit Beginn der Coronakrise wurde die Bevölkerung mit einem Schreckensszenarium nach dem anderen konfrontiert. Sebastian Kurz, der ehemalige Kanzler Österreichs prognostizierte, dass jeder einen an Corona verstorbenen Menschen kennen werde. Eine Aussage, die nachweislich falsch ist. Politik und Medien tragen dazu bei, durch ihre düsteren Berechnungsmodelle und Prophezeiungen eine Atmosphäre von Angst und Panik zu verbreiten. Diese Schlagzeilen reissen nicht ab. „Wenn sich die Spitäler füllen und das Zertifikat an der Urne abgelehnt wird, drohen neue Totalschliessungen“, titulierte im August die NZZ im Hinblick auf die bevorstehende Abstimmung vom 28. November 2021.[5] Der Hirnforscher Gerald Hüther bringt es auf den Punkt: „Für die Politiker ist es ein Vorteil, wenn die Bevölkerung verunsichert ist, dadurch wächst die Bereitschaft, Anordnungen zu befolgen.“[6] Und die Anordnungen sind klar formuliert: Impfen, Impfen, Impfen. Und dies sogar bei Jugendlichen gegen den Willen der Eltern, wie unlängst das BAG verlautbaren liess (s. auch Artikel: Verletzung der Elternrechte: Impfen von zehnjährigen Kindern gegen den Willen der Eltern?). Für die Prüfung alternativer Lösungen scheint die Politik wenig bereit (s. auch Artikel: Covid-Massnahmen – wo stehen wir?). Daniel Holtz, Präsident der Organisation AMBAG (Ärzte mit Blick aufs Ganze), welcher 142 Ärzte angehören, wies darauf hin, dass die AMBAG dem BAG bereits im Februar 2021 Vorschläge zum Aufbau von betriebsbereiten Intensiv- und Allgemeinpflegebetten eingereicht und auch die Medien darüber informiert hat. Jedoch habe weder der Bundesrat auf diese Vorschläge geantwortet noch hätten die Schweizer Leitmedien die Vorschläge mit einem Wort erwähnt.[7]

Covid-Zertifikat als „Mittel der Freiheit“?

Lösungen scheinen nicht gesucht zu sein. Dass das Zertifikat bzw. die Verknappung der Intensivstationsbetten zum „Impfzwang“ missbraucht werden, um den Druck auf die Ungeimpften zu erhöhen, pfeifen mittlerweile die Spatzen von den Dächern. Statt nach medizinischen oder gesundheitlichen Alternativen zu suchen, werden seit Wochen bzw. Monaten das Zertifikat und das Impfen als alternativlose Lösungen dargestellt, obwohl mittlerweile bekannt ist, dass eine Impfung nicht davon abhält, das Virus in sich zu tragen und es weiterzugeben, sprich, ansteckend zu sein. Der Bundesrat geht den eingeschlagenen Weg weiter, er will bzw. kann ihn nicht mehr verlassen, ohne einen massiven Gesichtsverlust zu erleiden. Für den Bundesrat und die Politiker geht es ums politische Überleben. Eine bedenkliche Situation nicht nur für die Schweiz, sondern für unzählige Länder weltweit, deren Regierungen bis anhin massive Eingriffe in das Leben ihrer Bürger vollzogen haben bzw. weiterhin vollziehen.

Beim Zertifikat zeigt es sich nun ganz deutlich, wie bedroht die Einheit in unserem Land ist und wie bestehenden Gräben und Spaltungen nochmal vertieft werden.[8] Dr. Barbara Müller, Thurgauer SP-Kantonsrätin, drückt dies in berechtigter Sorge aus: „Wie die hervorgerufene Spaltung der Gesellschaft je wieder überwunden werden kann, ist mir im Moment ein Rätsel.“[9] Darüber hinaus werden durch das Zertifikat das Leben und die Bewegungsfreiheit der Bürger deutlich eingeschränkt. Ungeimpfte können nicht mehr gleichberechtigt am öffentlichen und sozialen Leben teilnehmen, es sei denn, sie lassen sich für teures Geld regelmässig testen. Wer über kein Zertifikat verfügt, wird damit zum Mensch zweiter Klasse. Doch würden gerade die gesellschaftlichen, sportlichen oder kulturellen Aspekte, dazu beitragen, die physische und psychische Ausgeglichenheit der Menschen zu stärken und somit deren gesundheitliche Resilienz.

Diskriminierung von Menschen wird zum Normalfall

Menschen, die sich aufgrund einer freien Entscheidung, einer Nutzen-Risiko-Abwägung, gegen eine Impfung entschieden haben, werden durch das 3G-Zertifikat (in anderen Ländern gar 2G, 2G+ usw.) und ausgegrenzt und an den Pranger gestellt, wobei auch die Medien ihren Teil beitragen durch oftmals einseitige Berichterstattung. Widerspruch gegen die staatliche Corona-Politik oder das Impfen scheint nicht erlaubt. Und dies passiert nicht in China oder Russland, Länder, also gegen die wir gerne den Zeigefinger erheben, sondern in der vermeintlich freiheitlich-demokratischen Schweiz. Ein Blick in unsere Nachbarländer zeigt, was unausweichlich folgen wird. Von 3G (geimpft, genesen, getestet) werden wir schrittweise zu 2G (geimpft und genesen), 2G+ (geimpft, genesen mit zusätzlichem Test) usw. geführt werden, was ja auch bereits diskutiert wird.

Ein wirklich aufrüttelndes Beispiel zeigt eine Studentin von der Pädagogischen Hochschule Salzburg, wie dort mit ungeimpften Studenten verfahren wird, obwohl Integration und Inklusion seit Jahrzehnten fester Bestandteil der Ausbildung zukünftiger Lehrkräfte ist.[10] Wollen wir solche Zustände tatsächlich auch in der Schweiz? Oder ist es nicht vielmehr an der Zeit Fragen zu stellen, zuzulassen und nach alternativen Strategien zu suchen?

 

[1] Vgl. https://www.dieostschweiz.ch/artikel/das-schlechte-pandemie-management-hat-einen-namen-Dv9LY5G  (abgerufen am 14.11.2021).

[2] Vgl. „Rückkehr zur Normalität“ wird aufgeschoben, in: K-Tipp Nr. 18 vom 3. November 2021.

[3] Vgl. Belegung der Spitäler spricht gegen Verschärfung der Corona-Massnahmen, in: K-Tipp Nr. 15 vom 22. September 2021: „Der Vergleich zwischen dem zweiten Halbjahr 2020 und dem ersten Halbjahr 2021 zeigt einen Rückgang der coronabedingten Lungenentzündungen. (…) Trotz diesen Zahlen behaupten Politiker, die Spitäler seien am Anschlag – und begründen damit Verschärfungen der Coronamassnahmen.“

[4] Vgl. Beck Konstantin/Widmer Werner, Corona in der Schweiz – Plädoyer für eine evidenzbasierte Pandemie-Politik, 2. Aktualisierte Auflage, Mai 2021. Zur Situation im Dezember 2020 halten diese Autoren fest: „Die hohe Zahl der leeren Intensivstationsbetten in der Schweiz (…) stützen die Hypothese, dass in der zweiten Welle die Gefahr einer Überbelegung der Intensivstationen nie gross genug war, um als Begründung für die angeordneten Massnahmen, inkl. Lockdown, und damit für eine massive Einschränkung der Bevölkerung zu dienen.“

[5] Vgl. https://www.nzz.ch/schweiz/wenn-sich-die-spitaeler-fuellen-und-das-zertifikat-an-der-urne-abgelehnt-wird-drohen-neue-total-schliessungen-ld.1641024?reduced=true (abgerufen am 14.11.2021).

[6] Vgl. https://corona-transition.org/wie-verarbeitet-das-gehirn-angst-wie-funktioniert-die-angst (abgerufen am 14.11.2021).

[7] Vgl. https://www.dieostschweiz.ch/artikel/das-schlechte-pandemie-management-hat-einen-namen-Dv9LY5G (abgerufen am 14.11.2021).

[8] Vgl. https://www.nzz.ch/meinung/der-zertifizierte-buerger-oder-wie-man-ein-land-spaltet-ld.1652553?reduced=true (abgerufen am 14.11.2021).

[9] Vgl. Dr. Müller Barbara, in der Zeitung: „Die Stimme der Vernunft“ zur Abstimmung vom 28.11.2021, S. 5.

[10] Vgl. https://corona-transition.org/lernziel-diskriminierung-bald-auch-bei-uns (abgerufen am 14.11.2021).