Die Corona-Massnahmen des Bundesrats werden zum heutigen Zeitpunkt nicht genauer untersucht, so die Geschäftsprüfungskommission des Nationalrats. Sie hat damit einen Antrag des „Juristen Komitees“, welches u.a. die Einsetzung einer parlamentarischen Untersuchungskommission zur Überprüfung der Corona-Krise forderte, abgelehnt. Eine Aufarbeitung der letzten beiden Jahre bleibt somit aus und damit auch ein notwendiger Lerneffekt für die Zukunft.

Von Ralph Studer

Corona hat in den letzten beiden Jahren unser Land und unsere Gesellschaft bestimmt. Grosses Aufatmen war in der Bevölkerung spürbar, als der Bundesrat per 17. Februar 2022 praktisch alle Massnahmen aufhob. Dass die Pandemie damit beendet sei, wie optimistische Beobachter meinten, trifft jedoch kaum zu. Denn der Bundesrat hat bereits an seiner Sitzung vom 11. März 2022 den Beschaffungsplan für Covid-19-Impfstoffe für das Jahr 2023 beschlossen. Oberstes Ziel sei es, die Versorgung der Bevölkerung in allen Pandemieszenarien sicherzustellen. Für 2023 würden je sieben Millionen Impfdosen von Pfizer/BioNTech und Moderna beschafft, mit Optionen für je weitere sieben Millionen Dosen, so die Medienmitteilung des Bundesrats.

Bedenken von verschiedenen Seiten

Die Corona-Massnahmen waren je länger die Krise dauerte desto umstrittener. Kritik wurde vor allem aus rechtsstaatlicher und medizinischer Sicht laut. Neben Ärzten, welche u.a. auf die Risiken und Todesfälle der Covid-Impfungen hinwiesen, meldeten sich auch namhafte Rechtsprofessoren wie Andreas Kley und Marcel Niggli zu Wort. Diese bemängelten u.a. die Verfassungswidrigkeit des Covid-Gesetzes. Vertiefte Kritik übte auch das „Juristen Komitee“. Dieses bezeichnete in einer Petition vom 10. Februar 2022 u.a. die Einsetzung einer parlamentarischen Untersuchungskommission (PUK) als „dringend geboten“, um die Voraussetzungen der besonderen Lage sowie die Kosten-Nutzen-Verhältnisse der Massnahmen zu überprüfen. Mit Fortdauer der Corona-Krise wurden auch Studien vorgelegt, welche die Nützlichkeit der Massnahmen wie „Lockdowns“ verneinten und stattdessen auf die dadurch verursachten Schäden und negativen Begleiterscheinungen der Corona-Politik in Form von Arbeitslosigkeit, Beeinträchtigung der Schuldbildung, Anstieg von häuslicher Gewalt und Schaden an der Demokratie hinwiesen.

Überprüfung „erst nach dem Ende der Pandemie“

Diesem Ansinnen des Juristen Komitees nach einer PUK erteilte die Geschäftsprüfungskommission (GPK) des Nationalrats am 21. Februar 2022 eine Absage. Die Begründung lautete im Wesentlichen, dass diese Forderung angesichts der mehrheitlichen Massnahmenaufhebung durch den Bundesrat am 16. Februar 2022 einen wesentlichen Teil ihrer Bedeutung verloren habe. Eine umfassende Bilanz werde allerdings erst nach dem Ende der Pandemie möglich sein, so die GPK.

Ein Blick in die Schweizer Bundesverfassung (BV) zeigt, dass diese Beurteilung durch die GPK durchaus fragwürdig ist. In Art. 169 BV ist ausdrücklich die Oberaufsicht des Parlaments über den Bundesrat statuiert und nach Art. 170 BV ist das Parlament für die Überprüfung der Wirksamkeit der Massnahmen des Bundes zuständig. Diese Oberaufsicht stellt ein wichtiges Element der Gewaltenteilung in unserer Demokratie dar. Mit Hilfe einer PUK können „Vorkommnisse von grosser Tragweite“ im Bund überprüft werden. Dass es sich vorliegend um solche handelt, ist kaum von der Hand zu weisen. Noch nie gab es in so kurzer Zeit so einschneidende Massnahmen mit so hohen Kosten. Eine vertieftere Prüfung tut umso mehr Not, als die getroffenen Massnahmen durchaus umstritten waren. Dazu kommt im Hinblick auf die Zukunft, dass eine Fortsetzung von Corona mit entsprechenden Massnahmen und somit eine Wiederholung des Bisherigen droht.

Diverse Fragen sind zu klären

Geht der Bundesrat offenbar von weiteren Pandemieszenarien aus, ist in der aktuellen „Zwischenphase“ die Zeit zu nutzen, um aus dem vergangenen Corona-Krisenmanagement entsprechende Lehren und Erkenntnisse zu gewinnen. Diese sollten den Schutzbedürftigen und Gefährdeten helfen und zugleich drastische Massnahmen zu Lasten der übrigen Bevölkerung, der Demokratie, der Freiheit und der Wirtschaft verhindern.

  • Das Juristen-Komitee hat hierzu einen Katalog von Fragen erstellt, deren Beantwortung für zukünftige Entscheidungen hilfreich sein könnten, u.a.: Wie gross war die tatsächlich ursächliche Bedrohung der öffentlichen Gesundheit in der Schweiz durch SARS-CoV-2?
  • Wurden die vorhandenen Ressourcen und möglichen Behandlungsmethoden ausreichend genutzt und fortlaufend verbessert?
  • Bewertung der tatsächlichen Kosten der Massnahmen (Gesellschaft, öffentliche und individuelle Gesundheit, Jugend, Wirtschaft, öffentliche Finanzen usw.).
  • Untersuchung der Nebenwirkungen von mRNA-Impfstoffen.

Lernen aus der Vergangenheit

Die letzten zwei Jahre haben in der Gesellschaft einige Spuren hinterlassen, Gräben geöffnet und Spaltungen hervorgerufen. Um diesen Tendenzen entgegenzuwirken, die Schweiz vor zukünftigen Krisen zu wappnen und die Einrichtungen besser aufzustellen, wäre eine offene und vertiefte Prüfung der letzten zwei Jahre vonnöten und eine Chance. Dabei kann wieder eine Basis zwischen Staat und Bevölkerung geschaffen werden, die das zum Teil verloren gegangene Vertrauen in die staatlichen Institutionen wiederherstellt. Daher ist zu hoffen, dass das Parlament seiner Oberaufsicht in nächster Zeit nachkommt und die nötige Untersuchung der bisherigen Vorkommnisse in die Wege leitet. Denn wir brauchen ein funktionierendes Krisenmanagement, das den Bedürfnissen der Bevölkerung gerecht wird und eine gute Basis bietet für zukünftige Herausforderungen.