Neue Zahlen aus verschiedenen Studien belegen: Die sogenannt traditionelle Rollenaufteilung in der Familie erfreut sich ungebrochener Beliebtheit. Das von oben verordnete und medial portierte Gender Mainstreaming, das in allen Lebensbereichen eine symmetrische Gleichheit der Geschlechter herstellen will, steckt hingegen in der Krise. Neuster Stein des Anstosses für die Gender-Lobby ist der sehr geringe Anteil Teilzeit arbeitender Väter. Doch wo liegt genau das Problem, wenn doch alle Beteiligten – Väter genauso wie Mütter – mit der Situation zufrieden sind?

Von Dominik Lusser

Eine Umfrage des Instituts Sotomo bei 22‘000 Schweizerinnen und Schweizern zeigt: Väter arbeiten zu 87 Prozent Vollzeit, während ihre kinderlosen Kollegen nur zu 79 Prozent Vollzeit berufstätig sind. Dem gegenüber arbeitet nur jede fünfte Mutter Vollzeit. Kommt ein Kind zur Welt, findet also eine stärkere Rollenaufteilung statt: Der Vater bringt im Regelfall das Geld nachhause, die Mutter schaut zu den Kindern. Gender-Experten wie Markus Theunert reden abwertend von einem „Rückfall“ in eine klassische Rollenverteilung, als ob diese gleichbedeutend wäre mit einer Ungerechtigkeit gegenüber der Frau. Und der Blick titelt dazu: „Studie demaskiert Super-Papis“, als ob Vollzeit berufstätige Väter Raben-Väter wären.

Frei ausgehandelte Rollenaufteilungen

Während früher der Mann allein über die ausserhäusliche Berufstätigkeit der Frau bestimmte, sind die Rollenaufteilungen heute in der Regel fair ausgehandelt. Selbstverständlich bringt ein Zusammenleben in Partnerschaft und Familie immer Einschränkungen der persönlichen, auch beruflichen Freiheiten mit sich, die – gerade mit Blick auf ganz kleine Kinder – auch geschlechterspezifisch sein können. Doch die Einschränkungen betreffen auch Männer, wie die Sotomo-Umfrage zeigt: 47 Prozent der jungen Männer finden Familie wichtiger als Karriere. Und bei den 35- bis 54-jährigen Männern, die Kinder haben, wünschten sich 48 Prozent mehr Zeit für die Familie. Doch das Leben ist eben kein sozialistisches Schlaraffenland, wo jeder nur so viel arbeiten muss, wie ihm grad beliebt. Es gilt, sich unter den gegebenen Umständen vorteilhaft für die ganze Familie zu arrangieren.

Man sollte Männer und Frauen in einer freien und wohlhabenden Gesellschaft wie der Schweiz zutrauen, dass sie Lösungen suchen und auch finden, die sowohl den gemeinsamen Kindern wie auch den eigenen Bedürfnissen Rechnung tragen. Wäre das Familienmodell mit zwei Teilzeit berufstätigen Partnern tatsächlich das Beste für alle Beteiligten, es hätte sich auf dem freien Arbeitsmarkt längst durchgesetzt. Dem ist aber nicht so. Wenn aber Väter viel häufiger als Mütter Vollzeit berufstätig sind, so hat das weniger mit einer egoistischen Karriereplanung und dominierenden Männer-Bildern in der Gesellschaft, als vielmehr mit den Wünschen und Bedürfnissen von Frauen und Kindern zu tun.

Frauen kümmern sich lieber um Kinder

Laut der neusten Arbeitskräfteerhebung des BFS (2014) würden 77 Prozent der Frauen, die Kinder im eigenen Haushalt betreuen, auch dann auf Berufstätigkeit bzw. eine Erhöhung ihres Erwerbspensums verzichten, wenn weitere Betreuungsangebote zur Verfügung stünden. Die traditionelle Rollenaufteilung zeigt sich gerade auch bei den gut Qualifizierten, die sich eine Fremdbetreuung eigentlich leisten könnten. Die Uni Zürich hat unter der Leitung der Soziologin Katja Rost die Karrieren von 600 hochqualifizierten Schweizer Frauen und Männern untersucht und festgestellt, dass die Geburt eines Kindes Paare zu einer traditionellen Rollenaufteilung zurückführt: Während vor der Geburt eines Kindes hochqualifizierte Frauen und Männer ziemlich gleichmässig und in hohem Mass am Erwerbsleben teilnehmen, ändert die Situation mit der Geburt eines Kindes stark: „Nach der Geburt arbeiten nur noch zwei von zehn Frauen, aber neun von zehn Männern Fast-Vollzeit.“

Ähnliches gilt für die Gesamtbevölkerung: Wenn es Kinder unter sechs Jahren zu betreuen gibt, bleiben laut BFS (2013) 30 Prozent der Mütter ganz zuhause, während weitere 30 Prozent einem geringen Teilzeitpensum nachgehen. Nur 27 Prozent haben ein Teilzeitpensum von über 50 Prozent, und gar nur 13 Prozent sind vollerwerbstätig. Und das finden die Frauen in aller Regel auch gut so. Selbst 80 Prozent der hochqualifizierten Frauen sind, wie Soziologin Katja Rost konstatiert, mit dieser Situation zufrieden. Die Zürcher Forscherin fordert dennoch bessere Kinderbetreuungsangebote und Teilzeitkarriere-Modelle. Ob solche Massnahmen, auf die auch die Fachkräfteinitiative des Bundes setzt, Wirkung zeigen werden, ist allerdings mehr als fraglich.

Erwerbsanreize nutzlos

Die Wirtschaftspsychologin Monika Stampfli stellte kürzlich in ihrer Masterarbeit die verbreitete Ansicht stark infrage, ökonomische Anreize würden genügen, um Mütter kleiner Kinder zu hohen bzw. höheren Arbeitspensen zu bewegen. Die Expertin der Fachhochschule Nordwestschweiz befragte im Januar 2016 479 Eltern. Ihre Erkenntnisse: „Die Präsenz der Mutter für die Kinder scheint tendenziell wichtiger als die der Väter.“ Grossverdiener zeigten eine ähnliche Einstellung zu Kinderbetreuung und Beruf wie Mittelständler. Weder günstige Kitaplätze noch Steuererleichterungen spielen laut Stampflis Befunden bei diesen Entscheidungen eine zentrale Rolle. Auch Geld und Karriere seien von untergeordneter Wichtigkeit. Viele hochqualifizierte Mütter wollen ihre Arbeitspensen also offenbar bewusst nicht erhöhen, weil die häusliche Kinderbetreuung ihnen wichtiger ist als eine schnellere Rückkehr auf die Karriereleiter. Stampflis Stichprobe ist zwar nicht repräsentativ für die Schweizer Bevölkerung. Dafür bildet sie mit einem Akademiker-Anteil von 83 Prozent aber sehr genau die Gruppe ab, die der Bund mit seiner Fachkräfteinitiative erreichen will.

Kampf gegen Windmühlen

Wie hilflos und sinnlos die Idee ist, das Modell der doppelten Teilzeit gegen die Zufriedenheit von Frauen und Männern durchzusetzen, zeigt der Gleichstellungsexperte Lu Decurtins. Dieser meinte im Interview mit 20 Minuten Online, der Durchsetzung des Modells Teilzeit-Vater stünden letztlich veraltete Männer-Bilder im Weg. Denn Väter, die nicht Vollzeit arbeiteten, müssten sich Sprüche anhören wie: „Ah, gehst du wieder nach Hause chillen?“ Decurtins schlägt darum vor: Väter müssten von Anfang an in die Kinderarbeit wie das Wechseln von Windeln einbezogen werden. Zudem müsste die Gesellschaft männliche Jugendliche etwa durch Babysitting-Kurse auf eine engagierte Vaterrolle vorbereiten. Schliesslich bräuchte es „coole Rollenvorbilder“ für Teilzeit-Hausmänner, weil Birkenstocksandalen und zerknitterte Kleider doch eher abschreckende Wirkung hätten. Decurtins reduziert also die sich hartnäckig haltende geschlechterspezifische Rollenverteilung in der Familie auf ein soziales Konstrukt, das sich mit geeigneten Massnahmen auch dekonstruieren liesse.

Die gleich neben dem Interview aufgeschaltete 20 Minuten-Umfrage zeigt aber, dass es gar nichts „Altmodisches“ mehr zu dekonstruieren gibt. Von 2245 Teilnehmern sind nur 13 Prozent Anhänger der klassischen Rollenverteilung. 45 Prozent hingegen sind der Meinung, es brauche unbedingt Teilzeit-Väter. Weitere 34 Prozent finden Männer, die Teilzeit arbeiten, sympathisch, nur 5 Prozent finden diese „etwas Seltsames“.

Die Einstellung gegenüber Männern, die zuhause auf Kinder aufpassen und Hausarbeit verrichten, könnte also kaum aufgeschlossener sein. Dass Männer heute den Staubsauger in die Hand nehmen und Windeln wechseln, ist eine Selbstverständlichkeit. Dazu müssen sie aber nicht zwingend ihr Job-Pensum reduzieren. Das Ergebnis der Umfrage ist somit zunächst als eine Befreiung von Geschlechterstereotypen und Anzeichen einer beachtlichen Unvoreingenommenheit zu deuten, wenn es darum geht, die Rollen in der Familie zu verteilen. Umso bemerkenswerter ist es aber, dass bei diesen Verteilungen dann doch das sogenannt „traditionelle“ Modell immer wieder oben aufschwingt. Vieles spricht dafür, dass dieses Modell mehr bedient als nur vermeintliche Stereotypen, nämlich offenbar tiefliegende Bedürfnisse von Männern und Frauen. Das aber will die Gender-Lobby partout nicht wahrhaben. Und darum glaubt sie sich im Recht, einen gender-«gerechten» Lebensstil mit allen Mitteln, notfalls auch gegen die Interessen von Männern und Frauen, durchzusetzen.