Zehn Jahre nach den Arabischen Aufständen bzw. dem sogenannten Arabischen Frühling gibt es in etlichen Ländern dieser Regionen weiter eine hohe Bereitschaft zur Migration. Zu diesem Schluss kommt eine aktuelle Umfrage im Auftrag der Konrad-Adenauer-Stiftung, welche am 26. Januar 2021 veröffentlicht wurde.

Zwischen dem 26. Oktober und dem 8. Dezember 2020 nahmen insgesamt 10’841 Befragte aus den folgenden sechs Ländern an der Umfrage teil: Algerien, Jordanien, Libanon, Libyen, Marokko und Tunesien. Demzufolge hätten rund ein Drittel der Befragten im Libanon und in Tunesien in den vergangenen zwölf Monaten darüber nachgedacht, ihr Land zu verlassen. In Jordanien waren es 26 Prozent, in Marokko 19 Prozent. Eine grosse Mehrheit nannte für ihre Überlegungen wirtschaftliche Gründe.

Die sozioökonomischen Herausforderungen seien auch zehn Jahre nach Beginn der Aufstände in zahlreichen Ländern der arabischen Welt die grösste Sorge der Bevölkerung, so die Studie. Weniger als die Hälfte der Befragten beschreibt die aktuelle wirtschaftliche Situation als gut oder sehr gut – wobei dieser Wert in Tunesien (3 Prozent) und im Libanon (<1 Prozent) besonders niedrig ist. In Marokko fällt er mit 39 Prozent noch am höchsten aus. So bleibe auch das Vertrauen in politische Parteien und demokratische Institutionen zehn Jahre nach dem Arabischen Frühling schwach. In Tunesien und Libanon haben nur 19 Prozent Vertrauen in Parlamente. In politische Parteien haben nur 18 Prozent in Tunesien und 28 Prozent der Befragten im Libanon Vertrauen. Die höchste Zustimmung erhalten Parteien in Marokko (46 Prozent). Ziel: Europa

Ziel für potenzielle Migranten sind der Studie nach überwiegend Länder im Westen, vor allem in Europa. In der Altersgruppe zwischen 18 und 29 Jahren seien deutlich mehr Personen bereit zur Migration als bei Älteren. Tendenziell wollen eher Männer emigrieren als Frauen.

In diesem Zusammenhang würde die Zahl der Flüchtlinge in Europa noch in diesem Jahr nach Einschätzung der Migrationsorganisation ICMPD (International Centre for Migration Policy Development) als Folge der Corona-Pandemie steigen. Die ICMPD-Experten beobachten, dass sich die illegale Zuwanderung nach Europa neue Flutrouten erschliesse. Über Zypern und die Kanarischen Inseln. Dort sei die Zahl der Migranten um 900 Prozent gestiegen. In der zentralen Mittelmeerroute über Tunesien nahm ihre Zahl im vergangenen Jahr demnach um 155 Prozent zu.

Das ICMPD wurde 1993 auf Initiative Österreichs und der Schweiz gegründet. Der Organisation mit rund 380 Mitarbeitern gehören 18 europäische Staaten an.

Zur Studie (auf Englisch): www.kas.de