Für viele Eltern heisst es momentan: Homeoffice, Kinder zuhause, Stress. Dass das Büro mit dem Nachwuchs aber auch ganz koordiniert ablaufen kann, davon berichtet eine „betroffene“ Mutter. Sie schöpft ihr Wissen aus ihrem mehrjährigen Erfahrungsschatz.

Gastbeitrag von Birgit Kelle

Der Morgen ist immer trügerisch ruhig in meinem häuslichen Corona-Camp. Kaffee, Morgenlage und friedlich schlummernde Kinder. Grossartig. Fast noch besser, wie wenn sie in die Schule müssen, da ist um die Zeit bereits Hektik. Zeit für den Frühsport auf dem Feldweg, die Sonne geht auf, es ist Frühling. Nein, es ist nicht alles schlecht. Ich wage es kaum auszusprechen angesichts von Eltern, die derzeit zum ersten Mal Homeoffice mit Kindern aller Altersklassen ausprobieren, aber die heimische Lage ist bei mir vorerst stabil. Vier Kinder und inzwischen fast 20 Jahre Homeoffice in allen kindlichen Lebenslagen haben mich gestählt für den Ernstfall, der vorerst inklusive anschliessender Osterferien fünf Wochen dauern wird.

Vor allem für viele Väter ist es gerade oft das erste Mal, dass sie ihre Arbeit unter Dauerberieselung mit Kindergeschrei, gelangweilt quengelndem Nachwuchs oder jenen mit viel Interesse an Papas Tastatur, Bildschirm und Handy bewältigen sollen. Im Netz kursieren erste Hilferufe, schwankend zwischen “Wir lieben sie trotzdem” und „Sie treiben mich aber in den Wahnsinn!!!“.

Für die Gestressten schon mal vorab den Trost: Auch Eltern sind lernfähig, nicht nur Kinder. Hatte nicht die Kanzlerin sogar vor einer Weile gesagt: Wir schaffen das? Na also, Sie schaffen es auch, mit ein bisschen Glück sogar, bevor sie selbst völlig geschafft sind.

Keine Stummtaste bei den Kindern zu finden

Die gute Nachricht ist nämlich: Niemand erwartet derzeit Perfektion. Ein ganzes Land nimmt gerade am „Die Kinder haben keine Kita/Schule und ich muss meine Arbeit jetzt mit ihnen aus dem Wohnzimmer machen“-Experiment teil. Jeder hat Verständnis, wenn im Hintergrund Kinder spielen, sie bei der Videokonferenz auf dem Schoss sitzen, oder mit einer Tröte quer durchs Bild laufen. Die ungeschriebenen Corona-Homeoffice-Regeln sind da deutlich kinderfreundlicher als das, was man all jenen bislang abverlangte, die ohne medizinischen Ausnahmezustand und im Regeljob von zu Hause aus arbeiten.

Ich erinnere mich jedenfalls gut, dass ich die zu erledigenden Telefonanrufe immer sekundengenau in die Mittagsschlafzeit der Kleinen gelegt habe, um wenigstens ein paar Gespräche in Ruhe führen zu können. Und auch an die Telefonate, bei denen das Timing nicht klappte, weil Kinder ja keine kleinen Maschinen sind, denen man bei Bedarf den Stecker ziehen kann und trotz vielen Suchens habe ich noch keine Stummtaste bei ihnen gefunden.

Ich habe im Keller telefoniert, mich im Bad eingeschlossen und bin in den Garten ausgewichen, während sich in meiner Abwesenheit Anarchie breit machte und es gibt sowieso kein Entrinnen: sie finden einen immer und überall. Grosse Teile meiner Bücher habe ich nachts, nachdem alle im Bett lagen oder auf Vortragsreisen in der Bahn geschrieben, weil dort mehr Ruhe war als zu Hause. Und weil die meisten Mitreisenden das Signal „Kopfhörer drin und starrer Blick auf den Bildschirm“ verstehen: Sie will echt nicht reden und ich setz mich mal besser woanders hin.

Zwei Ausnahmen sind bereits eine neue Regel

Viel beschäftigte und konzentriert auf den Bildschirm starrende Eltern sind für kleine Kinder hingegen keine imaginäre Grenzlinie, sondern eine ständige Herausforderung: Mal schauen wie oft ich an ihr zerren muss, bevor sie mir vor lauter Verzweiflung Schokolade gibt, nur damit ich aufhöre.

Nahezu magisch stehen Kinder immer dann mit dringenden Fragen neben dem Schreibtisch, kann ich dies, darf ich das, Fernsehen Süssigkeiten, Playstation, der hat mir gerade das weggenommen, wenn wir gerade ein Telefongespräch begonnen haben. Merken Sie sich gut: Die kleinen Biester sind raffiniert, sie riechen unsere ausweglose Lage 100 Meter gegen den Wind und sie sind bereit, sie schamlos auszunutzen. Merken Sie sich auch: Zwei Ausnahmen sind aus Kindersicht bereits eine neue Regel.

Schlafende Kinder: Jackpot!

Unheimlich viele Dinge kann ich seit der Kleinkindphase einhändig machen, weil auf dem anderen Arm ein Kind gerade an meiner Schulter lutscht, alles vollspuckt oder auch – halleluja! – eingeschlafen ist. Und dann gilt: „Never touch a running system“. Schlafende Kinder sind ein Jackpot. Es gibt dann nur noch die Entscheidung zwischen dem Risiko, den Hauptgewinn beim Ablegen zu wecken und die Uhr damit auf Null zu stellen, oder eben mit einer Hand weiter zu machen.

Ich habe noch ein Handyfoto von Kind vier, wie es mit dem Kopf auf meiner linken Hand liegend vor mir auf dem Schoss schläft, während ich mit der rechten Hand am Laptop die Schlussredaktion eines Magazins mache. Sie hatte Fieber und es war nach Mitternacht, sie wollte nicht im Bett liegen, sondern bei Mama sein. Man kann es sich nicht immer aussuchen. Wir haben es beide überlebt.

„Nur Menschen ohne Kinder können sich so was ausdenken

Gerade kommt noch eine Schippe zur eigenen Arbeit drauf: Während man selbst genug zu tun hat und regelmässig eine gesunde vitaminreiche Mahlzeit auf dem Tisch stehen muss, sollen die Kinder auch noch gleichzeitig diszipliniert und eigenständig von zu Hause aus lernen, was sie noch nie in diesem Umfang gemacht haben. Ausserdem sollen sie sich nicht verabreden, zu Hause bleiben aber dennoch Bewegung an der frischen Luft bekommen, und das während alle Sportvereine, Spielplätze und das Schwimmbad dicht gemacht haben.

Sie sollen dazu natürlich pädagogisch wertvoll mit Gesellschaftsspielen, Öko-Holzbauklötzen und Büchern ihre Zeit verbringen. Es gleicht der Quadratur des Kreises jetzt dafür zu sorgen, dass die Kinder nicht vor Bildschirmen und Smartphones verenden. Nur Menschen ohne Kinder können sich so was ausdenken.

Aus Lernen wird ein Bierpong-Turnier

Die meisten Schulen sind überrascht von der Schulschliessung, ein Plan scheint nirgendwo in der Tasche. Auch hier eine Stunde Null. Es dauerte ein paar Tage, bis ein System entstanden war, wie alle entweder online oder über den Mailverteiler alle Aufgaben in allen Fächern bekommen und technisch durchblicken. Das gilt offenbar auch für Lehrer. Das Handy explodiert vor lauter WhatsApp-Gruppen von jeder Jahrgangsstufe inklusive Musikschule und Vereinen. Ich habe das Glück, dass die grossen Brüder alleine klarkommen und der kleinen Schwester beim Einrichten der Lernplattform helfen können.

Eine Sorge weniger und gut für den Zusammenhalt unter den Geschwistern. Die Studenten-Tochter ist auch heimgekehrt. Die Versorgungslage bei Mutti ist deutlich angenehmer, als allein im Grossstadtdschungel und die Uni macht Skype-Vorlesungen. Ob das Abitur von Kind drei stattfinden wird, lassen wir uns mal überraschen. Das eigenständige Lernen der Oberstufe wurde gestern kurzerhand in ein Bierpong-Turnier in meinem Wohnzimmer umgewandelt. Die Kleine durfte mit Fanta mitspielen, sie ist gut im Werfen. Gut, dass die Nachbarn flexibel sind und Schlaf wird auch bei Eltern allgemein überschätzt. Immerhin hatten sie noch frische Luft auf der Terrasse und das Jugendamt hat auch zu, falls das jemand melden will.

Ich erhebe keinen Anspruch auf Besserwissen und schon gar nicht auf Vollständigkeit, aber durchaus auf Erfahrungswerte. Deswegen hier ein kleines Survival-Bootcamp für Eltern am Rande des Nervenzusammenbruchs:

Bleiben Sie ruhig. Es sind Kinder. Sie wollen nur spielen.

Ein Kind, das nervt, weil wir zu tun haben, ist immer noch ein Kind. Sie lieben es. Es lohnt sich, sich das selbst vorzusagen in stillen Momenten. Kinder wollen spielen, Zuneigung, Liebe, Aufmerksamkeit. Je kleiner, je mehr. Das ist normal. Wenn ihr Kind also immer wieder nervt: Gratuliere, Ihr Kind ist ganz normal! Sie haben das toll hinbekommen!

Es geht also erst einmal darum, die Bedürfnisse aller Familienmitglieder wahrzunehmen und zu strukturieren, so dass jeder das Gefühl hat, er kommt im Laufe des Tages immer wieder zu seinem Recht, bekommt was er braucht. Und nicht zuletzt, immer daran denken: Sie sind die Erwachsenen, die anderen sind die Kinder.

Vergessen Sie Ihren eigenen Bio-Rhythmus

Schlaf gibt es, wenn Zeit ist, nicht wenn Ihnen danach ist. Man kann damit nachweislich viele Jahre überleben, auch wenn ich, seit ich Kinder habe, verstehe, warum Schlafentzug als erfolgreiches Folterinstrument eingesetzt wird. Die schlechte Nachricht vorweg: Sie müssen sich mehr zusammenreissen als Ihre Kinder, denn der Schlaf Ihrer Kinder ist wichtiger. Das bedeutet, der eigene Tagesablauf muss an die Bedürfnisse der Kinder angepasst werden und nicht anders herum.

Das ist nicht fair und anstrengend, aber effizient. Erfahrungsgemäss schaffen wir alle in den Morgenstunden am meisten konzentrierte Arbeit. Je später der Tag, umso mehr läuft alles aus dem Ruder, es kommen unvorhergesehene Dinge gerade mit den Kindern und dann ist der Arbeitstag im Eimer. Einen Weg finden, wie man vor allem die erste Hälfte des Tages straff nutzt, um die zweite Hälfte flexibel zu sein, ist erfahrungsgemäss eine gute Richtschnur.

Der Bio-Rhythmus Ihrer Kinder ist lenkbar

Wenn sowieso keine Kita und keine Schule stattfinden, und gerade, wenn Sie selbst noch von zu Hause aus berufstätig sein sollen, lassen Sie die Kinder abends lange auf und morgens in Ruhe ausschlafen. Ganz nebenbei verleiht man Ihnen dafür sowieso den Titel „Beste Mama/Papa von Allen“ und wofür die Kinder morgens aus dem Bett zerren, wenn sowieso keiner aus dem Haus muss? Ich nenne es den Ferien-Modus, auch wenn es ja keine Corona-Ferien sein sollen. Keiner hat aber gesagt, dass zu Hause auch ab acht gelernt werden muss, der Tag ist lang. Sehr lang.

Bei kleinen Kindern kann das ein paar Tage dauern mit der Umstellung, sie wachen oft wie ein Uhrwerk dennoch in aller Herrgottsfrühe auf, auch wenn sie erst um Mitternacht ins Bett kamen, spätestens ab der Grundschule ist aber morgens im Bett „chillen“ sehr beliebt. Man gewinnt mit der Methode, wenn man parallel selbst sehr früh aufsteht, in den Morgenstunden und vormittags wertvolle ruhige Stunden, in denen man ungestört arbeiten kann und oft doppelt soviel schafft wie mit den Kindern.

Dinge mit Kind, Dinge ohne Kind

Ich habe die letzten 20 Jahre überhaupt nur überlebt in der Kombination selbständig beruflich tätig mit vier Kindern zu Hause, indem ich unser Leben in „Dinge mit Kind“ und „Dinge ohne Kind“ eingeteilt habe. Am meisten muss man sich dabei selbst disziplinieren. Also morgens nicht „schnell“ noch die Wachmaschine anmachen, die Spielsachen wegräumen, dies und jenes im Vorbeilaufen erledigen.

Sondern einfach liegenlassen. Ja, egal wie es aussieht: Liegenlassen und ab an den Schreibtisch. Es kommt im Moment sowieso keiner auf Besuch, auch nicht Schwiegermama, die ist Hochrisikogruppe und darf nicht raus. Nicht vergessen: Die kleinen Monster wachen irgendwann auf. Dinge ohne Kind ist das, wofür wir Konzentration brauchen, wo Kinder stören, alles verlangsamen, wo wir schneller wären, wenn sie nicht da wären. Hausarbeit, Kochen, Wäsche, Garten, Einkaufen, Putzen sind Dinge mit Kind. Verteidigen Sie eisern die heilige Schreibtischzeit.

Die Mittagsschlaf-Entscheidung

Bei kleinen Kindern lohnt sich einen Mittagsschlaf einzuführen, wenn sie abends länger wach sein dürfen ist das sowieso gut, und es verschafft einem selbst eine Halbzeit-Pause tagsüber. Hier splitten sich die Geister: Entweder, man legt sich auch kurz hin und sammelt Kraft für die Abendstunden, wenn man nochmal an den Schreibtisch geht, wenn die Kinder im Bett sind, oder die hundertste Wiederholung von Eiskönigin schauen. Oder man nutzt die Ruhe für eine weitere Einheit „Dinge ohne Kind“.

Mit Kleinkindern empfehle ich: Mitschlafen. Grosse Geschwisterkinder, die rumnölen, dass sie das nicht müde sind, müssen nicht schlafen in der Zeit, sollen sich aber mit Buch danebenlegen. Leise sein. Gerne alle im Familienbett zusammen. In der Regel schlafen innerhalb von Minuten unfreiwillig alle.

Wer zuhört, hat weiterhin zwei Hände und zwei Beine

Während einer Telefonkonferenz kann eine ganze Suppe fertiggekocht werden. Schwieriger ist das Ausräumen der Spülmaschine, weil es soviel Lärm macht, aber Wäsche zusammenlegen klappt grossartig. Sprich: Was du gleichzeitig tun kannst, tue gleichzeitig, du gewinnst damit freie gemeinsame Zeit für die Kinder. Ich kann mich nicht erinnern, wann ich das letzte Mal telefoniert habe, ohne dabei etwas anderes zu tun. Das kann man jetzt für Aktivismus halten, aber es funktioniert.

Versprochen ist versprochen

„Deine halbe Stunde dauert in Wahrheit immer viel länger“, mahnte gestern meine Jüngste, als ich die Kinder zum gemeinsamen „wir bringen die Terrasse auf Sommerfrische“ verdonnert hatte mit der Ansage, das dauert nur eine halbe Stunde, wenn alle mit anpacken. Kinder lassen sich verpflichten, und sie helfen auch gerne mit, wenn es überschaubar im Zeitrahmen ist und die Aufgabenstellung klar umrissen.

Wer Kinder in ihr Zimmer schickt mit der Ansage: Räum auf, braucht sich nicht wundern, wenn er sie nach einer halben Stunden spielend im Chaos findet. Kleinteilig, konkret und danach eine Belohnung. Und wer versprochen hat, in einer Stunde am Laptop fertig zu sein, und danach Zeit zu haben, DER MUSS NACH EINER STUNDE ERSTMAL ZEIT HABEN. Es hilft, Geduld bei den Kindern zu trainieren, wenn sie wissen, sie warten nicht umsonst.

Kinder wollen nicht bespasst werden, sondern mit-leben

Wenn Mama arbeitet, will das Kind auch „arbeiten“, mitmachen, nachahmen. Kinder, deren Eltern in Sichtweite oder auch nur Hörweite sind, könne sich oft grossartig und auch über lange Strecken alleine beschäftigen. Sie wollen aber dabei sein. Nahe sein. Das ist am Anfang mühsam. Ich musste jahrelang aufpassen, unter meinem Schreibtisch nicht auf Kinder, Bauklötze oder Matchbox-Autos zu treten.

Weil der Platz unter dem Tisch der beste war. Nicht der daneben. Nicht die 20 Quadratmeter im Wohnzimmer, es musste der Platz ganz nahe bei Mama sein. Geben Sie ihnen den Platz, der Deal ist, sie müssen lernen, auch still zu sein, wenn Sie es brauchen. Das Wunder geschieht oft, es funktioniert. Lassen Sie Kinder mit-kochen, mit-putzen, mit-leben. Vergessen Sie alles, was Sie jemals über Quality-Time gehört haben, es ist eine Lüge.

Kinder sind lernfähig, wenn Sie konsequent sind

Es gibt keine Schokolade, kein Fernsehen und keine Playstation für Kinder die absichtlich bei einem Telefonat stören. Punkt. Es ist wie die Süssigkeiten-an-der-Kasse-Challenge wenn alle gucken. Stellen Sie sich selbst die Frage, ob Sie das Thema hier und jetzt beenden wollen, oder über Jahre jeden Tag mehrfach neu diskutieren. Ja es ist kurz anstrengend, aber es wirkt und ist anwendbar aufs Schlafengehen und auf Vieles mehr. Klare faire Regeln und Konsequenzen, wenn sie nicht gehalten werden, dann weiss jeder woran er ist. Und ja, ich habe auch schon schreiende Zweijährige aus dem Supermarkt getragen, weil es keinen Lolly gab, und Telefonate beendet und mein Kind entnervt angebrüllt, weil ich sauer war.

Heute klopfen meine Kinder an, wenn die Tür zu ist und wenn ich telefoniere, warten sie, bis ich fertig bin. Kinder-Geduld wächst mit jedem Zentimeter Lebendmasse. Je kleiner die Kinder, umso häufiger brauchen Sie einmal dazwischen kurz unsere Aufmerksamkeit. Ein kleines Spiel. Einmal fünf Minuten auf der Tastatur hauen dürfen und bunte Buchstaben schreiben, die wir auch ausdrucken zum Mitnehmen, ein Puzzle, ein Buch. Und dann geht es wieder eine halbe Stunde auch ohne. Das sind ganze 30 Minuten!

Lassen Sie den Holzspielzeug-Wanderpokal jetzt andere gewinnen

„Der Erfinder des Kinderfernsehens sollte einen Nobelpreis bekommen“ so vor Jahren das Fazit eines Vaters aus dem Bekanntenkreis. Ja ja, ich weiss früher gab es keine Playstation, sondern nur Holzspielzeug, wir mussten uns miteinander beschäftigen und es gab keine Handys und kein Netflix. Es war alles besser und pädagogisch unheimlich wertvoll. Aber es gab auch kein fliessendes Wasser, keinen Strom und vor allem auch keine Zwangsferien durch Corona ohne Haus verlassen und ohne Freunde. Sprich: Es ist ok, wenn Kinder jetzt mehr am Computer, an der Playstation zocken, mehr Fernsehen schauen als sonst und mehr digital lernen als aus Büchern.

Wir wollen hier keinen Pädagogik-Preis gewinnen, sondern erst mal überleben, unseren Job machen, und dabei nicht durchdrehen. Ja, es ist schön und gut, wenn die Zeit genutzt wird, um gemeinsam zu spielen, aber es ist auch ok, eine Serie einzulegen, um eine halbe Stunde Ruhe zu bekommen, und sei es nur, um ermattet daneben kurz einzuschlafen.

Geben Sie sich selbst frei

Der meiste Stress bei der Verbindung von Beruf und Kindern, vor allem in so extremen Situationen wie jetzt, wo Viele es sich ja nicht als Lebensmodell ausgesucht haben, sondern erst einmal zwangsweise durchziehen müssen, entsteht durch das ständige Gefühl, nicht fertig geworden zu sein, nicht zu genügen, keine Zeit zu haben. Kommt Ihnen bekannt vor? Die Arbeit liegt immer da, es ist noch so viel. Gleichzeitig zerrt das schlechte Gewissen, weil man den Kindern etwas zugesagt hat, Zeit habe will für sie. Sie sollen auch zu ihrem Recht kommen. Niemand kann das schaffen. 100 Prozent Mama/Papa sein und 100 Prozent berufstätig macht zusammen 200 Prozent.

Geben Sie sich gedanklich frei. Begrenzen Sie klare Zeiten, in denen gearbeitet wird, und ab wann dann auch gut für heute ist. Und dann gehen Sie virtuell „nach Hause“. Sie haben es verdient, Ihre Kinder auch, dass Sie danach Ihre volle Aufmerksamkeit auch den Kindern widmen können. Von mir aus machen Sie ein Ritual daraus. Ab 16 Uhr ist Hoch die Hände Wochenende, aber täglich. Am meisten steht man sich hierbei selbst im Weg. Aber ich verspreche ein enormes Gefühl der Freiheit und Selbstbestimmung, wenn Sie es schaffen, den Rechner zuzuklappen, und zu sagen: Ich habe für heute genug getan.

Betrachten Sie Ihre Kinder beim Schlafen

Falls Sie vor lauter Nervenzusammenbruch vergessen haben, warum sie das alles gerade machen, schleichen Sie sich im Dunkeln ins Kinderzimmer, wenn die Mäuse endlich im Bett sind und sehen Sie Ihren Kindern beim Schlafen zu. Das Leben ist schön.

Birgit Kelle ist vierfache Mutter, freie Journalistin, Kolumnistin verschiedener Online-Medien und Autorin der Bücher „Dann mach doch mal die Bluse zu“ (ADEO) und „GenderGaga“ (ADEO). Zuletzt erschien ihr Buch „Muttertier“ (Fontis). Die Bücher können bestellt werden unter: www.vollekelle.de/