Von Urs Vögeli

Das Parlament in Bern will im Eherecht das Erfordernis von zwei Trauzeugen, sowie die Wartefrist abschaffen. Es gäbe keine juristischen Argumente mehr, diese Traditionen aufrecht zu erhalten. Die Politiker verkennen jedoch mit dieser technokratischen Haltung, dass es hier um gesellschaftspolitische Fragen geht. Es geht um Menschen, welche auf Gemeinschaft und das Miteinander angewiesen und ausgerichtet sind.

Wer sich heute mit dem Thema Ehe und Partnerschaft auseinandersetzt oder sogar eigene Erfahrungen als Ehepartner hat, weiss, was für eine Herausforderung eine gelingende und dauerhafte Beziehung ist. Dies schafft man nicht alleine. Ehebeziehungen gelingen offensichtlich nicht, wenn der Individualismus oder eben die Egoperspektive vorherrschen. Die Einbettung einer solchen Paarbeziehung in eine Gemeinschaft, wo Reflexion und Hilfe beansprucht werden können, ist zentral für das wertvolle Institut Ehe. Gleichzeitig ist auch das Einüben und Lernen von Geduld und Besonnenheit Teil der Ehe. Einmal warten können oder etwas stehenlassen können sind wichtige Voraussetzungen für zukunftsfähige Beziehungen. Die Wartefrist und die Trauzeugen sind gerade Ausdruck dieser Tugenden und Werte.

Bürokratieabbau ist nur ein Vorwand

Es geht hierbei nicht nur um Traditionen. Trauzeugen sind nicht primär dazu da, die Hochzeit zu organisieren oder ein schönes Gefühl zu vermitteln. Es sind eben im wahren Sinn des Wortes Zeugen. Der Erhalt dieser wichtigen Voraussetzungen kann nur mit der Einsicht begründet werden, dass damit zwei nicht wegzudenkende Aspekte von Ehe und Partnerschaft institutionalisiert sind. Entgegen den plakativen Behauptungen geht es hierbei auch nicht um Bürokratie. Es entstehen faktisch keine zusätzlichen Kosten mit den Trauzeugen und der Wartefrist. Es könnten keine Beamten eingespart werden mit der Abschaffung. Es geht hierbei nicht um technische oder wirtschaftliche Regulierungsfragen.
Unverbindlichkeit und Vereinzelung fördern?

Im gesellschaftspolitischen Zusammenhang spricht man heute von der bedauernswerten Vereinzelung der Gesellschaft und von schwindender Solidarität. Einsamkeit ist heute eines der grössten Probleme im Alter und auch Kostentreiber. Unverbindlichkeit und Hastigkeit zeigen eben ungute Konsequenzen. Umgekehrt will man unbedingt den gesellschaftlichen Zusammenhalt stärken. Die Zivilgesellschaft erlebt begrifflich eine Neuentdeckung. Gemeinschaftliches Denken und Handeln wird als Lösung für viele soziale Probleme angesehen. Wieso will man dann aber gerade im sehr heiklen und intimen Bereich der Ehe, wo die Gemeinschaft so zentral ist, die gemeinschaftlichen Aspekte abschaffen?

Las Vegas-Kultur

Tradition und Emotionen genügen als Argument zum Erhalt der Trauzeugen und der Wartefrist nicht. Aber ebenso genügen rein rechtliche und technische Aspekte im Hinblick auf eine Abschaffung nicht. Denn es geht um Werte und gesellschaftspolitische Fragen. Wollen wir eine Las Vegas-Schnellhochzeitskultur, wo eine Ehe genauso rasch, unverbindlich und anonym wieder aufgelöst werden kann, wie sie geschlossen wurde? Wollen wir eine Kultur mit Rechten ohne Pflichten? Wollen wir die totale Individualisierung, wo gegenseitige Hilfe und das Zusammenstehen, das Reflektieren und gemeinschaftlich Probleme lösen abhandenkommt? Um diese Frage geht es bei dieser Abschaffung. Trauzeugen und die Wartefrist sind zukunftsfähige Erfordernisse und Pflichten für eine auf Gemeinschaft und Mitverantwortung aufgebauten Gesellschaft und Zivilstandsordnung.