Die Frage, warum Menschen Pornografie konsumieren, wurde bereits von vielen Psychologen und Neurologen aufgeworfen. Ganz nach dem Motto „Sex and Crime sells“ hat die Pornoindustrie mit ihrem Milliardengeschäft in den letzten Jahren enorm zugelegt. Entsprechend steigt die Zahl der Süchtigen. Und Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene sind dabei immer mehr betroffen.

Von Benjamin Zürcher

Dass Pornokonsum zahlreiche Folgen hat, ist mittlerweile bewiesen. Umso wichtiger werden Hilfsangebote für Betroffene. „Free!ndeed“ ist ein gemeinnütziger christlicher Verein mit Sitz in Augsburg und Stuttgart. Der Verein bietet Online-Kurse, Events und regionale Gruppentreffen an. Ziel des Vereins ist es, Menschen auf dem Weg in die Freiheit von Pornografie zu unterstützen.

Pornografie hat laut Tobias Dietrich, dem Leiter des Vereins, ein starkes Suchtpotential und befeuert zudem Menschenhandel und Prostitution. Mehr noch: Dietrich ist davon überzeugt, dass eine Pornosucht Beziehungen und Ehen zerstören kann und im schlimmsten Fall einen Abhängigen bis zu Selbstmordgedanken führt – was ihm selbst einige Männer bereits bestätigten. „Ich würde es als Droge bezeichnen“, erklärt Dietrich, als wir über die Auswirkungen von Pornografie sprachen. „Von der Auswirkung und dem Suchtcharakter her ist es definitiv vergleichbar“, begründete er seine These.

„Free!ndeed“ hatte laut eigenen Angaben seit 2017 ca. 4000 Teilnehmer und Teilnehmerinnen von Online-Kursen. 40 Prozent davon würden im Rahmen des Kurses von ihrer Sucht befreit werden. Tobias Dietrich findet es wichtig, dass das Thema Pornografie innerhalb der Familie altersgemäss und in einem geschützten Rahmen angesprochen wird. In erster Linie stünden Eltern in der Verantwortung, ihre heranwachsenden Kinder diesbezüglich zu begleiten und bestmöglich zu schützen. In diesen so wichtigen Eltern-Kind-Gesprächen liege auch eine grosse Chance, das Bild von Sexualität positiv zu prägen. Auch Kirchen sollten laut Dietrich proaktiv einen Rahmen anbieten, an dem dieses Thema beleuchtet und Hilfestellung gegeben wird, wie es erfreulicherweise bereits einige tun. Und er fordert politisches Handeln: Die Verfügbarkeit von Pornografie im Internet müsse durch gesetzliche Schritte für Minderjährige eingeschränkt werden.

Seine Arbeit im Verein sieht Dietrich als Berufung an und er wird durch jeden einzelnen kleinen Erfolg, den Männer und Frauen erleben, von Neuem für seine Tätigkeit motiviert. Von so einem Erfolg träumt auch Silas (Name geändert), dem ich einige Fragen stellten durfte:

Wann hast du gemerkt, dass du süchtig nach Pornos bist?

Bevor ich süchtig nach harter Pornografie war, war ich ab der Oberstufe nur süchtig nach Selbstbefriedigung. Dazu schaute ich mir auf dem Handy oder PC jeweils Bilder von leichtbekleideten Frauen an. Als ich während meines Lehranfangs begann, Pornografie zu konsumieren, wusste ich schnell, dass ich süchtig danach bin.

Wie oft konsumierst du Pornografie?

Von Zeit zu Zeit unterschiedlich; im Durchschnitt ein bis zwei Tage pro Woche. Wenn ich aber konsumiere, konsumiere ich mehrmals hintereinander.

Wie kamst du mit Pornografie in Kontakt?

Über das Internet; ich suchte nach immer expliziterem Material. Das erste Mal harte Pornografie fand und sah ich tatsächlich in einem YouTube-Video.

Wie beeinflusst die Sucht dein Leben?

Zum einen raubt mir die Pornografie Zeit und innere Kraft. Sie macht mich innerlich kaputt. Zudem bin ich mir sicher, dass sie mein Bild von Sex komplett pervertiert. Nach dem Konsumieren von Pornos fühle ich mich als Versager. Der Kampf gegen die Sucht erschwert ausserdem meinen Alltag.

Wo holst du dir Hilfe?

Ich suche mir Hilfe durch eine Rechenschaftsbeziehung, bete über meine Sucht und spreche mit einem Pastor über mein Problem.

Sollte deiner Meinung nach der Zugang zu Pornografie rechtlich erschwert werden?

Ja. Besonders wichtig fände ich das für Minderjährige.

Dass Pornokonsum Folgen hat, bestätigen mittlerweile zahlreiche Untersuchungen und Fachleute: Eine Studie aus Grossbritannien z.B. bestätigt, dass der Hauptkonsum von internetsüchtigen Menschen neben Online-Games Pornografie darstellt. Die getesteten Internetsüchtigen sind zudem mittelgradig bis stark depressiv (1). 4 Prozent aller 14- bis 16-Jährigen sind internetsüchtig. Als internetsüchtig wurden dabei Menschen bezeichnet, die durchschnittlich mindestens 29,2 Stunden pro Woche mit dem Internet verbringen (2).

Pornos beeinflussen auch das Gehirn: Wie eine Studie der Charité-Uniklinik Berlin zeigt, verkleinert sich bei hohem Pornokonsum der Schweifkern im Gehirn, welcher für das Belohnungssystem zuständig ist. Der Schweifkern erzeugt die Motivation in uns, eine Belohnung zu erlangen. Somit schwächt der Konsum von Pornografie unser Belohnungssystem.

Auf den Strassen von Winterthur und St. Gallen angesprochen, antworteten junge Passanten Folgendes:

Findest du, dass wir in einer sexualisierten Welt leben?

„Es ist über die letzten paar Jahre definitiv mehr geworden. Ich finde, es gehört zwar zum Alltag, aber es sollte etwas weniger sein“, männlich, 16 Jahre

„Ja, sehr. Es ist extrem traurig“, männlich, 15 Jahre

„Ja, auf jeden Fall“, weiblich, 15 Jahre

„Ich finde es extrem übermässig sexualisiert. Ganz ehrlich: Ich finde es masslos übertrieben“, weiblich, 24 Jahre

 Welche Meinung hast du zum Thema Pornografie?

„Pornos sind eigentlich ganz schön. Aber Pornografie ist natürlich nicht so gut, weil Pornos realitätsfern sind“, männlich, 15 Jahre

„Jedem das Seine. Aber ich selbst habe damit nichts am Hut“, weiblich, 23 Jahre

„Ich finde Pornos voll Ok“, männlich, 14 Jahre

„Ich glaube es ist keine schlimme Sache“, weiblich, 15 Jahre

„Mit Pornografie missbrauchst du die Sexualität zur reinen Triebbefriedigung“, männlich, 24 Jahre

„Ich verzichte schon lange auf Pornos“, männlich, 15 Jahre

„Pornos sind gut, aber man sollte nicht zu viel konsumieren“, männlich, 15 Jahre

„Ich finde es nicht gut“, weiblich, 13 Jahre

„Ab und zu geht ja schon. Aber man sollte nicht die ganze Zeit Pornos konsumieren“, männlich, 16 Jahre

 

(1) Digitale Demenz, Manfred Spitzer, 1. Auflage 2014 Droemer Verlag, S. 265

(2) a.a.O., S. 266

 

Zukunft CH hat eine Broschüre zum Schutz von Minderjährigen vor Pornographie herausgebracht. Sie können den Ratgeber kostenfrei auf Deutsch oder Französisch innehalb der Schweiz bestellen. Mehr dazu unter: Kinder wirksam vor Pornografie schützen