Muttersein ist eine Aufgabe, die vieles umfasst. Mütter sind wie Manager eines Unternehmens, die schauen müssen, dass alles richtig läuft. Doch eine entsprechende Anerkennung ihrer Leistung bekommen sie nur selten. Beatrice Gall sprach mit der Präsidentin von „Mutterplus“ über die schönen und die schwierigen Seiten des Mutterseins.
Zukunft CH: Frau András, was ist das Schöne am Muttersein?
András: Das Grossartige und kaum Fassbare ist das Geschenk eines kleinen, wehrlosen und unbekannten Wesens, das uns in die Hände gelegt wird. Damit erhalten wir eine wunderbare Aufgabe, unser Kind zu erziehen, ihm moralische, religiöse und menschliche Werte weiterzugeben und verantwortungsvolle Menschen für die Gesellschaft heranzubilden. Die Begleitung und Erziehung der Kinder schenkt viel Freude, bereitet aber auch Sorge und manchmal Leid. Ich denke, wenn wir die Aufgabe mit Verantwortung annehmen und immer das Wohl des Kindes vor Augen haben, überwiegt das Gefühl der Zusammengehörigkeit, des gegenseitigen Vertrauens und der Hilfe füreinander. Wir Eltern wachsen gleichzeitig mit unseren Kindern, sodass das Muttersein etwas Dynamisches besitzt.

Zukunft CH: Ist Muttersein ein Beruf?
András: Selbstverständlich ist das Muttersein ein Beruf. Ein Beruf definiert sich nicht alleine dadurch, dass man damit Geld verdient oder etwas Konkretes produziert. Zum Beruf gehört u.a. auch ein täglicher Einsatz, Dienst an der Sache und für Personen, Führungsqualität und Kommunikation. Wir Mütter sind Vorsteher oder Manager eines kleinen Unternehmens. Eine amerikanische Beratungsfirma hat 2006 in einer Studie ausgerechnet, dass eine Vollzeitmutter mit mindestens einem Kind unter 15 Jahren für ihre verschiedenen Tätigkeiten eigentlich das Jahresgehalt von 134’000 Dollar verdienen müsste. Unsere Arbeit deckt dabei verschiedene Berufssparten ab, wie die Studie bestätigt: Haushälterin, Nachhilfelehrerin, Köchin, Computerfrau, Wäscherei-Angestellte, Psychologin, Hausmeisterin, Unternehmenschefin, oft auch Chauffeurin und Gärtnerin … Schaut man zusätzlich die Arbeitsstunden einer Hausfrau und Mutter mit einem Kind unter sieben Jahren an, ist ihr Einsatz noch höher. Das Bundesamt für Statistik berechnete, dass Mütter mit mindestens einem Kind unter sieben Jahren beinahe 60 Stunden pro Woche für Haus- und Familienarbeit aufwenden. Diese Untersuchungen zeigen uns, wie umfassend, vielfältig und zeitintensiv die Arbeit einer Mutter ist. Ich würde sogar behaupten, dass es kaum einen anderen Beruf gibt, der so viele Kompetenzen verlangt.

Zukunft CH: Die Anerkennung in der Realität sieht aber anders aus …
András: Es ist wahr, dass in unserer Gesellschaft die Arbeit einer Mutter für die Familie und das Zuhause nicht besonders anerkannt wird. Die Tendenz in der Politik geht dahin, die Mutter nach der Geburt des Kindes möglichst schnell als Wirtschaftsfaktor in den Arbeitsprozess zu integrieren. Die tiefen Geburtenraten und die negative demographische Entwicklung ermuntern die Politiker, den Frauen den Einstieg in die Arbeitswelt zu erleichtern. Der Ersatz einer Mutter durch Angestellte von staatlichen Einrichtungen ist eine gefährliche Entwicklung. Das Wohl des Kindes wird dabei weitgehend ausser Acht gelassen. Für ein Kind ist das Aufwachsen in der geborgenen Atmosphäre zuhause immer noch die ideale Voraussetzung für eine Entwicklung zu einer gefestigten Persönlichkeit. So ist es z.B. in der Psychologie anerkannt, dass v.a. solche Kinder im Erwachsenenalter bindungsfähig sind, die sich in der Kindheit konstant an die gleichen Personen, sprich Mutter und Vater, binden konnten.
Es gibt schon einen lobenswerten Versuch, die Arbeit einer Mutter und Hausfrau beruflich zu qualifizieren und in erworbene Kompetenzen aufzuteilen. Seit 2006 wird die Führung eines Haushaltes als berufliche Erfahrung für den Erwerb des eidgenössischen Fähigkeitszeugnisses Fachfrau/Fachmann Hauswirtschaft angerechnet. Doch im Allgemeinen erfährt die Mutter und Hausfrau keine spezielle Anerkennung, geschweige denn eine Förderung. Ich möchte dabei nur den neusten Gesetzesentwurf zur Familienbesteuerung des Bundes erwähnen, der von fast allen Parteien unterstützt wird. Künftig darf man bei den Bundessteuern die externen Kinderbetreuungskosten von den Steuern abziehen. Doch für die Betreuung zuhause ist dies nicht gültig. Im Gegenteil, der Staat erachtet die Arbeit einer Mutter, die zum Kindswohl auf eine externe Arbeit verzichtet, als Schatteneinkommen. Die Spitze des Zynismus wäre, wenn dies in Zukunft noch versteuert werden müsste!

Zukunft CH: Worin müsste sich eine angemessene Anerkennung in Gesellschaft und Politik zeigen?
András: Für mich gilt ein wichtiger Grundsatz, dass die Verantwortung für die Kinder, ihre Erziehung und Ausbildung, Aufgabe der Eltern und nicht des Staates ist. Deshalb soll der Staat nur in Härtefällen eingreifen, aber nicht generell für diese Aufgaben finanziell aufkommen. Gleichzeitig ist der Staat angehalten, steuerlich, wirtschaftlich und politisch ein Umfeld zu schaffen, das die Familienform fördert, die für die Entwicklung des Kindes am besten ist. Deshalb sollten steuerlich die traditionellen Familien, in denen die Mutter zum Wohl der Kinder zuhause bleibt, nicht schlechter gestellt werden als andere Lebensformen. Im Gegenteil: Der Staat sollte diese Form für Familien am attraktivsten gestalten. Wenn schon Hunderte Millionen für Krippen bereitgestellt werden, sollte auch eine finanzielle Unterstützung vorhanden sein, damit Mütter bei den Kindern bleiben können, die es aus finanziellen Gründen nicht können.

Zukunft CH: Ist Muttersein heute schwerer geworden?
András: Ich denke, dass die Aufgabe heute andere Schwierigkeiten in sich birgt. Sicher war die Arbeit einer Mutter früher körperlich viel anstrengender. Die Frauen waren schnell am Ende ihrer Kräfte. Auf ihre Bildung hat man viel weniger Wert gelegt. Heute, denke ich, ist es für die Mütter schwieriger, dass sie ihre Aufgabe klar erkennen sowie Orientierung und Unterstützung bekommen. Ich möchte hier nur die Erziehungsliteratur erwähnen, die ganze Regale füllt und den Ratsuchenden oft verwirrt, da alle Erziehungsstile vertreten sind. Es existiert so viel Fachliteratur, dass man sich gar nicht mehr getraut, den gesunden Menschenverstand anzuwenden.
In der Gesellschaft sind die beruflich Erfolgreichen die Vorbilder, über die geschrieben wird. Dazu kommt, dass heute die Frauen besser ausgebildet und schon berufstätig sind, bevor sie heiraten und an Kinder denken. So ist es verständlich, dass sie grössere Schwierigkeiten haben, eine Selbstverwirklichung im Muttersein zu erkennen. Der Ausbau der Kinderbetreuung auf allen Ebenen bestärkt die Frauen zusätzlich, den Beruf nach der Geburt weiter auszuüben. Viele gut ausgebildete Mütter, die wegen ihren Kindern zu Hause bleiben, sind alleine, denn ihre Freundinnen arbeiten immer noch oder sind wieder ins Berufsleben eingestiegen. Bleibt eine Mutter wegen der Erziehung der Kinder zu Hause, muss sie sich fast dafür verteidigen, um nicht als asozial zu gelten. Nach meinen Beobachtungen muss heute eine Mutter, die sich für die Familie entscheidet, viel Mut und Überzeugung zeigen.

Zukunft CH: Sie bieten mit anderen engagierten Frauen unter dem Namen Mutterplus Weiterbildungskurse für Mütter im Raum Zürich an. Was lernen Mütter dabei?
András: Wir wollen mit diesen Weiterbildungskursen das Selbstbewusstsein der Mütter für ihren Mutterberuf stärken und ihnen darin Unterstützung anbieten. Die Weiterbildungskurse sind für alle Mütter offen, jeglicher Religion und Weltanschauung. Uns geht es in erster Linie um die immense Bedeutung des Mutterseins. Wir haben erst eine kleine Gruppe von ca. 25 Frauen, die unterschiedlich an unseren Programmen teilnehmen. Doch es kommen immer wieder neue Mütter dazu. Für die Vorträge suchen wir Fachleute, die für uns die Referate halten und auf die vielen Fragen der Mütter Antwort geben. Die Kurse finden einmal pro Monat statt. Die Kosten halten wir bewusst tief, damit es für alle Frauen erschwinglich ist. Deshalb sind wir auf Spenden angewiesen. Bis jetzt haben wir folgende Themen behandelt: Erziehung, Ernährung, Time-Management für Hausfrauen, Gesundheit usw. Im Moment läuft das Modul Schulreformen. Zwischen den einzelnen Modulen gibt es immer wieder für die Mütter Gelegenheit, bei Kaffee und Kuchen Freundschaften zu knüpfen.

Zukunft CH: Was möchten Sie Müttern bzw. Familien oder solchen, die es werden wollen, noch ganz persönlich mit auf den Weg geben?
András: Den Müttern und Familien wünsche ich, dass sie sich vom gesellschaftlichen Druck lösen können und immer das Wohl des Kindes vor Augen haben, das Liebe und eine konstante Führung braucht. Ich wünsche, dass sie den Kindern in unserer hektischen Welt viel Zeit und Ruhe schenken können, damit sie sich ohne Druck entfalten können. Dies alles bildet die Basis eines Vertrauens zueinander, das durch alle Höhen und Tiefen des Alltags trägt. Kinder sind uns von Gott geschenkt und anvertraut. Es gibt keine grössere und erfüllendere Aufgabe. Die Zeit mit ihnen ist sehr kurz, verpassen wir sie nicht.

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Zur Person:
Elisabeth András ist in Zürich geboren und studierte in Fribourg Jura. Sie ist seit 1982 verheiratet und hauptberuflich Familienmutter. Fünf Kindern hat sie das Leben geschenkt, bei zwei Kindern musste die Familie schwere Schicksalsschläge hinnehmen: Einen Sohn verlor die Familie 1992 am plötzlichen Kindestod und die älteste Tochter im Jahre 2003 durch eine Krebserkrankung. Darüber hat sie das Buch „Schenk mir dein Lächeln“ geschrieben (MM-Verlag, 132 S., Fr. 26.80/€ 14.90).
Im Jahre 2007 hat Elisabeth András mit anderen engagierten Müttern die Initiative „Mutterplus“ ins Leben gerufen, die Weiterbildungskurse für Mütter organisiert. Vor ein paar Monaten wurde der gleichnamige Verein gegründet, dem Frau András als Präsidentin vorsteht. Ziel des Vereins ist es, Frauen den Wert und die Bedeutung des Mutterseins aufzuzeigen und sie in den Aufgaben einer Mutter zu stärken.

Interview von Beatrice Gall mit der Präsidentin von „Mutterplus“ Elisabeth András