Was bedeutet der Begriff Motivation und wie motivieren wir als Eltern unsere Kinder dazu, sich erreichbare Ziele zu stecken und ausdauernd dranzubleiben?

Von Regula Lehmann

Wenn es darum geht, Ziele zu stecken und diese dann auch tatsächlich zu erreichen, zeigen sich Kinder derselben Familie oft total verschieden. Während die einen unter Dauerstress stehen, weil sie immer mehr erreichen möchten, als drin liegt, mögen andere sich gar nicht erst dazu aufraffen, Ziele ins Auge zu fassen oder auch mal mehr zu leisten, als das absolute Minimum.

Laut Wikipedia bezeichnet der Begriff Motivation die Gesamtheit aller Motive (Beweggründe), die zur Handlungsbereitschaft führen, und das auf emotionaler und neuronaler Aktivität beruhende Streben des Menschen nach Zielen oder wünschenswerten Zielobjekten. Die Umsetzung von Motiven in Handlungen, so Wikipedia weiter, nennt man Volition oder Umsetzungskompetenz. Wie können diese Begriffe förderlich in die Erziehungsarbeit eingebaut werden? Und, als nächste Frage: Brauchen Kinder überhaupt elterliche Unterstützung, um motiviert zu sein oder ist Motivation etwas, das in einem gesunden Kind von alleine entsteht? Ohne Ziehen und Stossen der Eltern?

Die eigene Motivation hinterfragen

Am meisten geprägt werden Kinder durch das, was wir als Eltern vorleben. Wer sich motivierte Kinder wünscht, sollte sich deshalb als Erstes einige Fragen stellen, zum Beispiel: Wie gehe ich selber an Herausforderungen heran? Stecke ich mir realistische Ziele und bin ich bei meinen Projekten fröhlich oder „verbissen“ unterwegs? Bin ich von übertriebenem Perfektionismus angetrieben und deshalb unter Dauerstress oder kann ich mich auch an erreichten Zwischenschritten und Unvollkommenem freuen? Gibt es den Punkt, wo ich mit mir und anderen zufrieden bin, oder ist es nie genug? Und, in Bezug auf den Wunsch, die eigenen Kinder zu fördern: Geht es mir um mich, um mein Ansehen, meinen Stolz oder darum, dass mein Kind seine Begabungen entfalten und sich entwickeln kann? Ist mein Kind mir lieb und recht, wie es ist oder will ich es in den von mir vorgefertigten Rahmen drücken? Kann ich damit leben, dass nicht jedes meiner Kinder vom Typ her zu Höchstleistungen tendiert? Kann ich meine Ansprüche relativieren oder sind sie das „Mass aller Dinge“ und jeder muss so zielstrebig sein wie ich? Klar ist für mich: Annahme und Liebe bilden das Fundament, auf dem sich ein gesunder Selbstwert entwickeln kann – und Selbstbewusstsein ist ein wichtiger Motor für Motivation.

Die Motivation des Kindes wahrnehmen und „füttern“

„Alles hat seine Zeit“ gilt auch und gerade, wenn es um kindliche Lernprozesse geht. Statt dem Kind von aussen Druck zu machen, ist es häufig weise, aufmerksam zu beobachten, wann es wofür selber innere Motivation entwickelt. Statt das Kind also zu drängen, jetzt Fahrradfahren zu lernen, warten wir, bis das Kind Eigenmotivation dafür zeigt. Etwa, weil es mit seinen Freunden zusammen auf den Spielparcours möchte oder weil es ihm zu blöd wird, immer hinterherrennen zu müssen. Jetzt ist der Moment, mit dem Kind zu schauen, wie es zu einem Fahrrad kommt. Oder zu Skiern, weil es motiviert ist, auf dem Schneefleck neben der Rutsche im Garten das Skifahren zu lernen. Gefördert wird diese innere Motivation auch dadurch, dass wir dem Kind nicht jedes Hindernis aus dem Weg räumen und alles erreichbar machen. Babys lernen krabbeln, weil sie spannende Dinge sehen, die ausserhalb ihrer Reichweite liegen…

Selbstwirksamkeit erleben fördert Motivation

Wenn Kinder erleben, dass Engagement etwas bewirkt und sie durch persönlichen Einsatz etwas erreichen können, steigert dies ihre Motivation, sich für etwas einzusetzen. Dies bedeutet jedoch nicht, dass wir Kindern zu möglichst schnellen Erfolgen verhelfen sollen. Etwas selber geschafft zu haben, beflügelt deutlich mehr, als ständig am Gängelband geführt zu werden. Als Faustregel gilt: nur so viel Unterstützung, wie unbedingt notwendig, und „stützen statt übernehmen“. Die Gefahr, Dinge für das Kind statt mit dem Kind zu tun, ist heute gross. Wird ein Kind zu sehr bedient und fällt ihm alles ohne eigene Anstrengung in den Schoss, müssen wir uns nicht wundern, wenn dieses Kind passiv bleibt. Eine gewisse Zurückhaltung stärkt also die Motivation und das Erleben: Ich kann etwas schaffen.

Mitfreuen statt loben

Kinder sollen Dinge tun, weil sie dazu von innen her motiviert sind – nicht, weil wir sie vom aussen her dafür loben. Baut das Kind selbstvergessen mit Klötzen einen Turm, stören wir es nicht mit stolzen Elternhymnen und bringen es auch nicht durch übertriebenes Lob dazu, noch den ganzen Tag Türme zu bauen, weil wir das so toll finden. Fragt das Kind, ob ich die Zeichnung schön finde, kann ich auch zurückfragen: „Findest du sie schön?“ Bejaht das Kind, bestärke ich: „Wenn Du sie schön findest, dann ist sie das!“ Es ist seine Zeichnung, nicht die meine. Sich über das Eigene auch ohne Applaus von aussen freuen zu können, stärkt die Eigenmotivation.

Zwischenschritte feiern

Nicht nur das Endziel, sondern auch die Zwischenetappen sollen gefeiert werden. So erhöht es die innere Bereitschaft, gemeinsam das Haus zu putzen oder den Garten instand zu stellen, wenn es dazwischen ein feines Znüni oder zum Abschluss ein fröhliches Grillfest gibt. Auch fröhliches Singen, Rätselraten und gute Gespräche während der gemeinsamen Arbeit sind hilfreich. Dabei ist es oft deutlich sinnvoller, Kinder durch Zeit und Zuwendung während des gemeinsamen Arbeitens zu belohnen, als für jede Dienstleistung Bares zu geben. „Beziehung statt Bezahlung“ steigert nicht nur die Motivation, sondern auch das Gemeinschaftsgefühl.

Schwärmen statt Druck machen

Begeisterung ist ansteckend und Motivation motiviert: Auch wenn nicht jedes Kind gleich viel Antrieb für das Gleiche zeigen wird, liegt doch auf der Hand, dass mit Begeistern oft mehr Interesse geweckt wird als mit Druck. Teilen Sie Ihre Leidenschaft am Familientisch mit, lesen Sie Bücher vor, die Sie als Kind geliebt haben oder noch immer lieben. Beziehen Sie Ihre Kinder in Erlebnisse und Tätigkeiten ein, die Sie selber motivieren und begeistern. Erzählen Sie ihm auf der Autofahrt, warum Sie das Lied, das auf der CD läuft, mögen. Reden Sie gut über Ihren Beruf, aber auch über den „Beruf“ des Kindes, seine Lehrer und Trainer, seine Freunde und deren Eltern. Das Gute hervorzuheben und in Herausforderungen die Chancen zu sehen, macht lebenstüchtig.

Sind Sie nun motiviert, das Ganze in die Praxis umzusetzen? An Gelegenheiten wird es in den nächsten Wochen nicht fehlen!