In meiner Jugend Maienblüte, so um die Pubertät herum, war ich sehr böse auf den lieben Gott. Er hatte mich als Mädchen erschaffen. Grässlich. Liebend gern wäre ich ein Junge gewesen, weshalb ich, um meine männlichen Talente zu beweisen, durch Wehre schwamm, von kleinen Brücken sprang und beim Indianerspielen durchs Gebüsch robbte. Auf Faschingsveranstaltungen erschien ich bubenhaft verkleidet, mit Schiebermütze, langen Hosen und Herrenweste. In Liebesdingen jedoch interessierten mich die Jungen, und die Jungen interessierten sich für mich. Einen besonders Ansehnlichen und Gescheiten aus dieser Spezies suchte ich mir fürs Leben aus. Wenig später wurden wir Vater und Mutter eines natürlich bildschönen Kindes. Und so weiter und so fort.

Gastkolumne von Sibylle Krause-Burger

Heutzutage könnte es einem Mädchen in vergleichbaren Jugendwirrnissen passieren, dass es einen Impuls bekäme, sich tatsächlich in einen Jungen zu verwandeln. Geht doch. Man soll sein, wie man sich fühlt. Das Geschlecht ist beliebig wählbar. So lautet das Mantra der Gender-Gemeinde. Wer den Wandel wagt, gewinnt Zufriedenheit. Und das mag ja in der Tat auf Menschen zutreffen, die sich anhaltend in einem falschen Körper wähnen und darunter leiden, die gerne über Jahrzehnte hinweg Hormone schlucken oder sich sogar operieren lassen.

Feiern wir also den Fortschritt, dass es ein Ende hat mit der Ausgrenzung sexueller Vielfalt, dass man sich, sofern das Geschlecht nicht klar ist, sogar standesamtlich als „divers“ eintragen lassen darf. Bitteschön. Dabei kommt niemand zu Schaden. Aber mit dieser Sache geht es, wie oft in der Geschichte gesellschaftlicher Veränderungen. Was als Befreiungsschlag begonnen hat, macht sich gern selbständig, überreisst in seiner Fortschrittsbegeisterung, radikalisiert sich und schlägt in Unfreiheit, in sektiererische Zustände um. Es ist ja so schön, recht zu haben. Denn wo etwas vermeintlich derart revolutionär Gutes geschieht, etwas das die unglückselige Menschheit endlich erlöst, da muss doch das bezwungene Böse mit Stumpf und Stil ausgerottet werden. Deshalb lese ich in dem gerade erschienenen Buch „zart und frei“ von Carolin Wiedemann den erstaunlichen Satz, Frauen und Männer seien „Auslaufmodelle“ – allen „Brüsten“, „Penissen“, „Vulven“ und „Eierstöcken“ zum Trotz. Von der nur „vermeintlich natürlichen Einteilung der Menschen in Mann und Frau“ ist da die Rede und von der Zerstörung dieses „binären Modells“.

Das heisst: weil eine Minderheit der wie auch immer Diversen nicht Mann und nicht Frau ist, soll es die Mehrheit auch nicht sein. Alles andere gilt als Diskriminierung. Joanne K. Rowling, die Erfinderin der Harry-Potter-Geschichten, hat erfahren, welch gnadenlosem Shitstorm sich aussetzt, wer sich zu seiner natürlichen Weiblichkeit und den damit verbundenen Problemen bekennt.

Ja, so ist das in unserer schönen, neuen, westlichen Welt. Da gibt es nicht nur Querdenker und Verschwörungstheoretiker, da grassiert auch der Genderwahn, der unsere Sprache zerhackt und nun mit dem ideologischen Rasenmäher über die Geschlechterwelt hinweg rattert. Es müsste uns freilich nicht kümmern, stünden dahinter inzwischen nicht höchst aktive Eiferer und Organisationen, die Druck machen auf die Politik. Schon sehen wir die Grünen auf dem Plan. Einstmals, in den 80er-Jahren, planten sie, uns mit Straffreiheit für Pädophile zu beglücken. Jetzt wollen sie [in Deutschland], zusammen mit der FDP, ins Gesetzbuch schreiben, das Menschen mit Vollendung des vierzehnten Lebensjahres zumindest rechtlich, also von Amts wegen ohne ärztliches Attest in ein anderes Geschlecht wechseln dürfen. So vorgesehen in einem Entwurf, dessen erste Lesung im Bundestag schon stattfand.

Angeblich geht es um sexuelle Selbstbestimmung. Allerdings mag man sich gar nicht ausmalen, welche Zwänge sich in Zeiten von social media für junge Menschen aus dieser vermeintlichen Freiheit entwickeln können. Seit 2013 ist die Zahl der Jugendlichen, die sich im falschen Körper fühlen oder ihr Geschlecht operativ ändern lassen wollen, um mehr als das Fünffache gestiegen. Macht sich da vielleicht eine Mode breit? Kann man sich auf diesem steinigen Wege als interessant und wichtig präsentieren? Oder geht es doch in jedem Fall um leidende Menschen, von denen sich viele erst jetzt, da die Umwandlung rechtlich und gesellschaftlich akzeptiert ist, heraus trauen?

Alexander Korte, Kinder-und Jugendpsychiater von der Ludwig-Maximilians-Universität in München, blickt „mit grosser Sorge“ auf die wachsende Zahl von körperlich gesunden jungen Mädchen mit “pubertätsbedingten Altersrollenkonflikten“, denen nicht nur die Brüste, sondern auch Gebärmutter und Eierstöcke entfernt werden. Was aber sind das für Ärzte, die einem jungen Mädchen die Brüste abschneiden? Das fragt man sich und findet im Internet reichlich Spezialkliniken – auch in deutschen Landen. Keine Frage, dass dort dieser und jenem geholfen wird. Aber die Gefühle von sehr jungen Menschen sollte man nicht so blutig ernst nehmen. Sie kommen und gehen. Und das „binäre Modell“? Es ist der Motor allen Weiterlebens. Daran ändert auch die allerwütendste Genderei nichts.