Auf dem 84. Kongress der Sigo (Italienische Gynäkologie- und Obstetrik-Vereinigung) im Oktober 2008, einer Versammlung von 3‘000 Spezialisten aus ganz Italien, wurde eine Untersuchung aus 45 italienischen Zentren vorgestellt, welche die Normen über die freiwillige Unterbrechung der Schwangerschaften 30 Jahre nach ihrem Inkrafttreten untersucht.
Am 22. Mai 1978 stimmte das italienische Parlament dem Gesetz 194 zu, mit dem die Abtreibung legalisiert wurde. Vor der Einführung des Gesetzes wurde die Zahl der illegalen Abtreibungen auf über 250’000 pro Jahr geschätzt, heute werden sie auf 15’000 geschätzt. Diese Zahl bezieht sich aber nur auf Frauen und Jugendliche italienischer Nationalität, da über Ausländerinnen keine verlässlichen Zahlen zur Verfügung stehen. Die Zahl könnte auf 30’000 ansteigen, wenn man die Situation der Einwanderinnen, besonders jener, die sich illegal in Italien aufhalten, kennen würde.

Im Jahr 2007 wurden 127’038 Schwangerschaftsabbrüche ausgeführt, was einem Rückgang von 3 Prozent verglichen mit 2006 entspricht (131.018 Fälle) bzw. von 45,9 % verglichen mit 1982, dem Jahr mit der höchsten Abtreibungsrate (234.801 Fälle). Das bedeutet allerdings nicht, dass ein Rückgang der Abtreibungen zu verzeichnen ist – berücksichtigt man die nicht quantifizierten Do-it-yourself-Abtreibungen mit chemischen Mitteln.

Im Laufe der Jahre nahm die Anzahl der Eingriffe bei Ausländerinnen stetig zu und erreichte 2006 31,6 Prozent des Totals, während 1998 der Anteil noch bei 10,1 Prozent lag. Dieses Phänomen, so Giorgio Vittori, der Präsident der italienischen Gynäkologie- und Obstetrik-Vereinigung, verberge sich hinter dem Rückgang der legalen Abtreibungen bei den italienischen Frauen, aber die Zahlen zeigten, dass trotz des Gesetzes die Abtreibungen weiterhin praktiziert würden.

In der Tat nehmen die Straffälle für illegale Abtreibung zu, unabhängig davon, dass 1997 37 % der Strafprozesse Aerzte betraf; 2007 aber nur noch 17 %. Das heisst, dass die Anzahl der illegalen Abtreibungen, die durch Paramediziner, Hebammen usw. ausgeführt werden, zunimmt. Was das neue Phänomen der Do-it-yourself-Abtreibung betrifft, so bestätigt Giovanni Monni, Präsident der Spital-Gynäkologen (Aogoi): „Es handelt sich um freiwillige Abtreibungen mit Pillen, die über Internet oder im illegalen Markt beschafft werden. Die meisten verbreitet sind Pillen, die einen Abtreibungseffekt besonders bei Beginn der Schwangerschaft auslösen, mit erhöhtem Risiko von Hämorrhagien und Infektionen.“

Auch bei Minderjährigen ist ein Anstieg der Abtreibungen zu verzeichnen, so Vittori. „Die Abtreibungen nehmen unter den Minderjährigen zu, auch jene der unter 14-Jährigen, bei letzteren von 0,5 % des Totals im Jahr 1995 auf 1,2 Prozent im Jahr 2005“. Die meisten Gesuche an Richter von Seiten der Minderjährigen kommen von 17-Jährigen (50,2 Prozent) und 16-Jährigen (30,3 Prozent). „Gesamthaft“, erklärt Vittori, „ist das Durchschnittsalter von 17 Jahren (1995) auf 16 Jahre und 9 Monate (2005) gesunken“.

Nicht einmal die Zunahme der Gegner in den Spitälern (72 Prozent der Ärzte und 59 Prozent der Chefärzte) führt zu einem Rückgang der Abtreibungen. Nur 39,5 Prozent der Spitäler können die Präsenz von befürwortendem Personal in jeder Schicht garantieren. Auf nationaler Ebene ist die Ablehnung der Gynäkologen von 58,7 auf 69,2 % angestiegen, bei den Anästhesisten von 45,7 auf 50,4 %. In einigen Regionen ist der Anstieg sehr hoch, in Sizilien sind die ablehnenden Gynäkologen von 44,1 auf 84,2 Prozent angestiegen und die Anästhesisten von 43,2 auf 76,4 Prozent. Auch in Venetien liegt die Ablehnung über dem nationalen Durchschnitt: 79,1 Prozent der Gynäkologen, 49,7 Prozent der Anästhesisten, 56,8 Prozent des nicht-medizinischen Personals lehnen den Schwangerschaftsabbruch ab.

Quelle: Correspondenza romana 1063/04
Übersetzung: Zukunft CH