In einer Vernehmlassungsantwort kritisiert die Arbeitsgruppe „Jugend und Familie“ die geplante Einführung der Individualbesteuerung. Der Staat würde sich damit von der Vorstellung der Familie als Wirtschaftsgemeinschaft verabschieden. Es käme zudem zu einer massiven Diskriminierung von Ehepaaren mit nur einem Einkommen oder einem geringen Zweiteinkommen, so die Familienorganisation.

Die Arbeitsgruppe „Jugend und Familie“ führt in ihrer Stellungnahme vier Punkte für ihre Kritik an der Individualbesteuerung an:

Erstens gäbe es in der Schweiz gemäss BfS rund 3.9 Mio. Privathaushalte (Stand Ende 2021). In 933’600 Haushalten oder 24,5 Prozent lebten Paare mit mindestens 1 Kind unter 25 Jahren, in 178’700 oder 4,7 Prozent Alleinerziehende mit mindestens 1 Kind und in 285’000 Haushalten oder 7,5 Prozent mehrere Personen unterschiedlichen Alters (Mehrgenerationen). Somit lebten in fast 1,4 Millionen Haushalten Kinder. In 13,3 Prozent der Haushalte gab es gar drei oder mehr Kinder. Konkret bedeute dies, dass in der Schweiz nach wie vor rund zweieinhalb Millionen Menschen in einem Familienhaushalt mit mindestens drei Kindern leben.

Zweitens seien gemäss der schweizerischen Arbeitskräfteerhebung (SAKE) 2022 96,8 Prozent der Väter und hohe 82,3 Prozent der Mütter erwerbstätig. Vier von fünf erwerbstätigen Müttern (78 Prozent) arbeiten Teilzeit. Sie seien dazu gezwungen, weil das Verdienst des Vaters nicht ausreiche. Tatsächlich versuchten Staat und Wirtschaft die Frauen zwecks Produktivitätssteigerung mit allerlei Mitteln in den Erwerbsprozess zu nötigen. Dies führe bei Müttern kinderreicher Familien oft zu untragbaren Doppelbelastungen von Haus- und Erwerbsarbeit. Bei ihrer Hilfstätigkeit begegnen die Mitarbeiter der Organisation immer wieder Müttern, die an dieser Situation zerbrechen, so die Hilfsorganisation.

Staatliche Zwangsausgaben und Heiratsstrafe

 

Drittens würden gemäss Bundesamt für Statistik (BfS) Paare mit Kindern über 30 Prozent des Haushaltsbudgets für staatliche Zwangsabgaben (Steuern, Gebühren, Prämien, usw.) ausgeben. Hinzu kämen die vielen Nebenkosten für die Schule (Eintritte, Exkursionen, Materialien, Musikunterricht, usw.). Insgesamt sei der Ausgabenposten für Zwangsabgaben sehr hoch und treffe Familien mit mehreren Kindern, die sich eigenständig und ohne Sozialhilfe über Wasser halten möchten, besonders hart.

Viertens seien gemäss BfS 95 Prozent aller Paare mit Kindern verheiratet. Sie sind damit gleich doppelt benachteiligt, nämlich einerseits – falls die Mutter ein kleines Pensum erwerbstätig ist – durch die „Heiratsstrafe“ bei den Bundessteuern. Und andererseits durch die fehlenden Abzüge für die Eigenbetreuung der Kinder. Eine Beseitigung der Heiratsstrafe stehe seit Jahren auf der politischen Traktandenliste. Allerdings ist die Einführung einer Individualbesteuerung hierfür nicht der richtige Weg – und zwar aus verschiedenen Gründen.

Nein zur Individualbesteuerung

 

Die Arbeitsgruppe ermahnt daher, die Individualbesteuerung nicht einzuführen: „Mit der Einführung einer Individualbesteuerung verabschiedet sich der Staat von der Vorstellung der Familie als Wirtschaftsgemeinschaft“, so die Organisation in ihrer Stellungnahme. Dies entspreche dem bereits gängigen Trend einer Kollektivierung der Kindererziehung. Da die Mütter auswärts arbeiten, müsse möglichst früh nach der Geburt des ersten Kindes eine (staatlich finanzierte) Kinderkrippe zur Verfügung stehen. Anschliessend komme eine – von SP/Grünen vorangetriebene – „Politik der frühen Kindheit“, womit angeblich die „Chancengleichheit der Kleinkinder“ erhöht werden soll. Effektiv gehe es dabei um eine Verschiebung der elterlichen Erziehungshoheit an den Staat: Die Wertvermittlung werde von der Familie an Krippe und Schule ausgelagert.

Trotz der verfassungsmässigen Verankerung des Rechts auf Ehe und Familie in Artikel 14 der Bundesverfassung soll nun im Steuerrecht grundsätzlich zwingend davon abgewichen und eine „Konkubinatslösung“ für alle verbindlich vorgegeben werden. „Mit anderen Worten sollen die Regeln des bisher frei wählbaren Konkubinatsmodells (Zuteilung je halber Kinderabzug an die Elternteile mit geteiltem Sorgerecht) neu zwingend auf die Ehe übertragen werden (ebenso für den Versicherungsabzug). Dieses Vorgehen steht im Widerspruch zur Ehegarantie des Artikels 14 BV und diskriminiert einseitig das traditionelle Familienmodell“, so die Arbeitsgruppe.

Diskriminierung von Paaren mit nur einem Einkommen 

 

Die Einführung einer Individualbesteuerung führe zudem zu einer massiven Diskriminierung von Ehepaaren mit nur einem Einkommen oder einem geringen Zweiteinkommen. Die vorgesehene, bescheidene Erhöhung der Abzüge (Variante mit Korrektiv) bis zu 14’500 Franken (abnehmend mit steigendem Zweiteinkommen) vermöge diese Diskriminierung nur minimal zu kompensieren. Hinzu käme, dass genau das Segment der eigenständigen Familien mit mehreren Kindern und einem Einkommen zwischen 100’000 und 180’000 Franken hiervor nicht profitiere, sondern im Gegenteil mehr Steuern bezahlen werde. „Der Anteil der Zwangsabgaben am Haushaltsbudget dieser Familien steigt damit noch stärker an“, resümiert die Familienorganisation.

 Zuletzt werde in keiner Weise aufgezeigt, wie die Umsetzung der Individualbesteuerung in den Kantonen erfolgen solle und ob/ welche Kompensationsmechanismen für benachteiligte Einverdienerehepaare vorgesehen seien. Damit zusammen hänge die Frage, wie der gewaltige Mehraufwand für die Kantone überhaupt finanzierbar sei.

Gegebenenfalls ein Referendum

 

Das Fazit der Organisation lautet daher: „Aus unserer Sicht ist die Individualbesteuerung abzulehnen und wir werden ein Referendum dagegen unterstützen. Falls keine andere Organisation ein solches ergreift, werden wir dies selber tun. Die Stossrichtung eines Splittings, wie es Die Mitte vorschlägt, befinden wir für sinnvoll. Auch den Vorschlag einer Schattenrechnung, wie sie der Bundesrat vorschlug, hätten wir sehr unterstützt.“