Die CVP legte beim Bundesgericht Beschwerde ein und gewann: Die Abstimmung über die Volksinitiative „Für Ehe und Familie – gegen die Heiratsstrafe“ muss wiederholt werden. So entschied kürzlich das Bundesgericht. Doch was als Erfolg für die natürliche Ehe und Familie zu werten ist, könnte sich schon bald ins Gegenteil verkehren.

Von Ralph Studer, Zukunft CH

Am 18. Februar 2016 wurde die Volksinitiative „Für Ehe und Familie – gegen die Heiratsstrafe“ knapp, nämlich mit 50.8 Prozent der Abstimmenden, verworfen, jedoch von einer grossen Mehrheit der Kantone angenommen. Mit der Initiative sollte die bis anhin bestehende steuerliche Benachteiligung von Ehepaaren im Vergleich zu Konkubinatspaaren beseitigt werden. Diese besteht darin, dass Ehepaare im Gegensatz zu Paaren im Konkubinat gemeinsam besteuert werden und dadurch in eine höhere Steuerprogression fallen. Aufgrund von schwerwiegenden Informationsmängeln seitens des Bundesrats im Vorfeld der Abstimmung reichte die CVP im Jahr 2018 in mehreren Kantonen Beschwerde ein und verlangte eine Wiederholung des Urnengangs. Im Wesentlichen machte die CVP dabei geltend, dass der Bundesrat im Nachgang zur Abstimmung zugeben musste, dass seine Ausführungen im Abstimmungsbüchlein gravierende Mängel enthielten. So beträgt die Zahl der benachteiligten Doppelverdienerehepaare nicht – wie vom Bundesrat ursprünglich angegeben – 80’000, sondern die Zahl liegt weit höher, nämlich bei 454’000.

Mit Urteil vom 10. April 2019 hiess das Bundesgericht nun diese Beschwerden gut, im Wesentlichen mit der Überlegung, dass durch diese gravierenden Ungereimtheiten und Fehlinformationen seitens des Bundesrats das Recht der Abstimmenden auf objektive und transparente Information verletzt wurde und demzufolge eine Verletzung der Abstimmungsfreiheit vorliegt. Zudem waren diese Unregelmässigkeiten geeignet, das knappe Abstimmungsergebnis zu beeinflussen.

Dieses Urteil ist ein Novum in der Schweizer Rechtsgeschichte, denn bis anhin wurde noch keine eidgenössische Abstimmung vom Bundesgericht aufgehoben. Ein grosser Erfolg für die CVP – und für Ehe und Familie, wie man auf den ersten Blick meinen könnte. Doch dieser historische Bundesgerichtsentscheid könnte für Ehepaare und Familie, für welche die CVP mit dieser Initiative angetreten ist, einen bitteren und ungeniessbaren Nachgeschmack erhalten. Bereits kurz nach der Veröffentlichung des Bundesgerichtsurteils kam die Initiative unter medialen Beschuss. Warum? Die Wiederholung einer Abstimmung, welche unter solchen Vorzeichen stattfand, verlangen unsere rechtsstaatlichen und demokratischen Gepflogenheiten, und dies sollte doch Grund zum Jubel sein, so die naheliegende Annahme. Doch die mediale Befeuerung richtete sich gegen den Passus der Initiative, welche die Ehe als Lebensgemeinschaft von Mann und Frau definiert. Eine Aussage, die natürlich Zündstoff enthält, vor allem in Anbetracht der „Ehe für alle“, über die das Schweizer Volk bereits in naher Zukunft abstimmen dürfte.

Nun folgt erneut ein unrühmliches Kapitel in der Geschichte der CVP, wie es wohl spätestens mit Unterstützung wesentlicher Teile der CVP für die Liberalisierung der Abtreibung in der Schweiz begonnen hat und das bei der „Ehe für alle“ wohl einen vorübergehenden Höhepunkt erreichen wird. Darin zeigt sich ein weiteres Beispiel, welche die Tragik der „C-Parteien“ bzw. der „bürgerlich-konservativen“ Parteien in Europa verdeutlicht. Vermutlich um weiterer Kritik zuvorzukommen, sagte Gerhard Pfister, Präsident der CVP Schweiz, bereits am Urteilstag des 10. Aprils 2019 in einem Interview der NZZ gegenüber, dass es entscheidend sei, dass man eine solche Abstimmung wiederhole, dass es der CVP bei dieser Initiative allerdings nicht um die Ehedefinition gehe, sondern um die Beseitigung einer Diskriminierung. Klare Worte. Somit hat Pfister die CVP als Partei in der Öffentlichkeit „gerettet“, jedoch wesentliche christliche Überzeugungen definitiv über Bord geworfen.

Ob Pfister dabei aus persönlicher Überzeugung oder wahltaktischen Überlegungen gesprochen hat, weil er die Interessen seiner Partei im Wahljahr 2019 im Vordergrund sah und die CVP aus der medialen Schusslinie nehmen wollte, oder aus Menschenfurcht, um dem Druck und der Kritik des Zeitgeistes zu entgehen, bleibt an dieser Stelle offen …

Wie auch immer. Die Aussage des CVP-Präsidenten verdeutlicht, was bereits die Spatzen von den Dächern pfeifen: Die CVP hat sich auch in dieser gesellschafts- und familienpolitischen Frage das Rückgrat brechen lassen und bietet in der Parlamentsdebatte Hand, die Ehedefinition in ihrer Initiative ersatzlos zu streichen, um gleichzeitig einen direkten Gegenvorschlag ohne die Ehedefinition im Parlament zu unterstützen. Dadurch erhofft sich die CVP wohl, die Chancen zu erhöhen, die Volksabstimmung über die Beseitigung der steuerlichen Benachteiligung der Doppelverdienerehe als „Siegerin“ zu verlassen, jedoch mit dem Preis, der „Ehe für alle“ den Weg zu ebnen. Letztlich ein fauler Kompromiss auf Kosten der natürlichen Ehe und Familie und der Bürger, die damals die Initiative unterschrieben und unterstützt hatten mit der Ehedefinition für Mann und Frau darin. Ihre einstmaligen Überzeugungen im Bereich Ehe und Familie opfert die CVP auf dem Altar des Zeitgeistes und der politischen Macht.

Gerade diese Entwicklung zeigt uns auf, dass wir alle gefordert sind, uns vereint für Ehe und Familie und für die christlichen Werte einzusetzen. Dabei geht es nicht – und das ist zu betonen – um die Verunglimpfung oder Ausgrenzung Andersdenkender, sondern um das Eintreten für die eigenen christlichen Überzeugungen und für die Bewahrung unseres Wertefundaments, auf dem unser Staat und unsere Gesellschaft aufgebaut ist, ein Staat, dessen Keimzelle der eheliche Zusammenhalt und die natürliche Familie ist.