Im Kanton Aargau können sich Kinder ab zwölf Jahren laut einem Schreiben des Departements für Gesundheit und Soziales vom 29. Juni 2021 ab sofort impfen lassen. Und zwar – wie Covid-19-Programmleiter Andreas Hauser erklärt – auch ohne elterliches Einverständnis.

Ein Kommentar von Regula Lehmann

Laut BAG haben urteilsfähige Minderjährige Anspruch, selbst über die Covid19-Impfung zu entscheiden. Wann Kinder urteilsfähig sind, ist dabei weitgehend Ermessenssache. (Oder vielleicht eher eine Frage der ideologischen und politischen Einstellung?) Auffallend ist jedenfalls, wie stark die Rechte der Erziehungsberechtigten je nach Thema variieren: Eltern müssen bis zu einer abgeschlossenen Erstausbildung finanziell für ihre Kinder aufkommen und haften, wenn der Nachwuchs Schaden anrichtet. Für jeden Handyvertrag und mancherorts auch für jede Schulnote wird eine elterliche Unterschrift verlangt. Gleichzeitig wird Müttern und Vätern bei weit schwerwiegenderen Entscheidungen die Mitbestimmung zunehmend entzogen. Will ein Kind sich impfen lassen, stehen die Chancen, dass ihm Urteilsfähigkeit attestiert wird, gut. Will es hingegen das neuste iPhone kaufen, müssen die Eltern her und mit ihrer Unterschrift die Haftung für allfällige finanzielle Folgen übernehmen. (Wer für allfällige Impfschäden haften wird, darüber lässt sich spekulieren.)

Will sich ein 13-jähriges Mädchen die Pille verschreiben oder eine Abtreibung vornehmen lassen, kann es dies tun, ohne dass die Eltern einverstanden sind. Schliesslich müssen Kinder zwingend vor dem Einfluss von Moral bewahrt werden. Die sogenannten „sexuelle Rechte“ sind dem BAG und seinen Verbündeten in Politik, Medizin und Bildung heilig und bereits das Etikett „konservativ“ kann als Begründung einer Elternhintergehung ausreichen. Traditionelle Katholiken und Freikirchen-Eltern werden in dieselbe Schublade gesteckt wie militante Muslime und „konservativ“ zu sein wird mit „eng, rückständig“ oder gar „kindsgefährdend“ gleichgesetzt. Stellen Eltern den schulischen Vielfalts- oder Sexualkundeunterricht in Frage, werden sie mancherorts umgehend auf die schwarze Liste der Fortschrittsverweigerer gesetzt, deren Einfluss auf ihren Nachwuchs unerbittlich eingeschränkt werden soll – auch da, wo es auf der Hand liegt, dass Kindern die Fähigkeit, die langfristige Folgen einer Entscheidung abzuwägen, ganz offensichtlich noch fehlt.

Viele Zwölfjährige würden alles tun, um „dabei zu sein“ und nicht zum Aussenseiter zu werden. Was ist schon ein Piks in den Arm, wenn man danach wie durch eine magische Verwandlung zu den Guten gehört? Lesen Zwölfjährige etwa Langzeitstudien zu Impfschäden und Folgeerkrankungen? Meine taten dies in dem Alter jedenfalls nicht. Wenn die Stiftung Pro Juventute schreibt „Wir empfehlen den Eltern, ihr Kind auch in der Frage der Impfung anzuhören und frei entscheiden zu lassen“, muss ich ihr in diesem Fall entschieden widersprechen. Kinder, die immer gewichtigere Entscheidungen unabhängig vom Einfluss liebender und verantwortungsbewusster Eltern treffen müssen, verlieren eine der kostbarsten Freiheiten, die es gibt: Die Freiheit, einfach nur Kind sein zu dürfen.