Maria Grundberger ist eine beeindruckende junge Frau. Als ehrenamtliche Gehsteigberaterin versucht sie werdende Mütter, die auf dem Weg zur Abtreibung sind, davon zu überzeugen, ihr Kind zu behalten. Maria Grundberger ist dabei gezwungen, in wenigen Sekunden nachzuholen, was staatliche Beratungsstellen versäumt haben – nämlich auf das Lebensrecht des Kindes hinzuweisen. Eine Frau, deren Arbeit Hochachtung verdient. Und die man, wenn man sie einmal erlebt hat, nicht so schnell vergisst. Beatrice Gall von Zukunft CH hat mit der jungen Hebamme gesprochen.
Zukunft CH: Was ist eine Gehsteigberaterin?

Grundberger: Gehsteigberater sind Menschen, die mittlerweile auf allen fünf Kontinenten vor die Abtreibungskliniken gehen, um dort in letzter Minute den Frauen nochmal eine helfende Hand anzubieten, sie zu beraten, mit dem Ziel, die bevorstehende Abtreibung zu verhindern. Es gibt Schulungen, bei denen man lernt, wie man die Frauen und deren Angehörige anspricht. Wir beten und beraten auf dem Gehsteig.

Zukunft CH: Wie und wann sind Sie dazu gekommen, sich ehrenamtlich als Gehsteigberaterin zu engagieren?

Grundberger: Vor zehn Jahren hörte ich einen Vortrag von Msgr. Philipp Reilly aus New York, der 1989 die „Helpers of God’s precious infants“ gründete. Ich war beeindruckt von seiner Demut und der Liebe, mit der er über die Frauen in diesem dramatischen Konflikt sprach. Er erzählte, wie sie in New York vor die Kliniken gehen und wie Frauen sich oft noch in letzter Sekunde für das Leben ihres Kindes entscheiden und den Abtreibungstermin absagen. Der Wunsch mitzuhelfen, dass ein ungeborenes Kind nicht abgetrieben wird, liess mich nicht los und so reiste ich nach Wien, um mich dort für die Gehsteigberatung schulen zu lassen. Nach der Schulung durfte ich dort vor der Abtreibungsklinik beraten. Als ich dann das erste Mal erlebte, wie eine Frau tatsächlich nach dem Gespräch mit mir den Abtreibungstermin absagte, spürte ich eine unbeschreibliche Freude und noch am selben Tag wurde mir klar, dass es sich einzig und allein für diese Frau lohnen würde, Jahre vor der Klinik zu verbringen. Bis heute geht es mir so, dass ich immer vor der Klinik das Gefühl habe, zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein. Ich bereue keine Stunde, die ich vor der Abtreibungsklinik verbracht habe, aber ich bereue Stunden, in denen ich nicht dort war.

Zukunft CH: Wie sieht Ihr Alltag als Gehsteigberaterin aus?

Grundberger: Einen Alltag gibt es eigentlich in dem Sinne nicht, denn jeder Tag ist anders, weil jeder „Fall“ individuell anders ist. Wenn ich vor die Klinik gehe, bleibe ich so zwei bis drei Stunden. Meist erkennt man die Frauen schon von weitem, denn sie laufen sehr langsam, schauen oft verzweifelt auf den Boden. Nicht selten ist der Partner dabei und hält ihre Hand. Manche werden auch von Freunden oder Verwandten begleitet. Ich gehe auf die Frauen zu und biete ihnen einen Flyer mit Hilfsangeboten an. Wenn möglich versuche ich ein Gespräch mit ihnen zu beginnen.

Zukunft CH: Wie reagieren die Frauen, wenn Sie auf sie zugehen?

Grundberger: Die Reaktionen sind sehr unterschiedlich. Die meisten reagieren abweisend, nicht wenige aggressiv. Manche ignorieren mich einfach. Sie haben den Konflikt bereits abgeschlossen, haben ihre Emotionen verdrängt und laufen wie ferngesteuert in die Abtreibungsklinik. Dennoch gibt es immer wieder Frauen, die sich auf ein Gespräch einlassen und manchmal öffnen sie in diesem Gespräch ihr Herz für das Leben. Es gibt für mich nichts schöneres als eine Frau, die auf dem Weg zur Abtreibung umkehrt, den Termin absagt und sich für ihr Baby entscheidet. Diese Erlebnisse machen sehr glücklich.

Zukunft CH: Sind sich die Frauen in ihrer Entscheidung zur Abtreibung sicher, wenn sie in die Abtreibungsklinik gehen?

Grundberger: Nein. Viele Frauen stehen ganz massiv unter Druck, sind verzweifelt und haben Angst. Sie fühlen sich allein gelassen und scheinen keinen anderen Ausweg als die Abtreibung zu sehen. Ausserdem sind sie schlecht aufgeklärt, die wenigsten wissen, welche psychischen Folgen danach auf sie zukommen. Nicht wenige bereuen die Abtreibung schon in dem Moment, wenn sie danach aus der Klinik kommen.

Zukunft CH: Erleben Sie auch heftige Aggression der Frauen gegen Sie, wenn Sie sie ansprechen?

Grundberger: Ja, und ich glaube, weil ich für sie die Konfrontation mit ihrem schlechten Gewissen bin, das sie dachten, erfolgreich verdrängt zu haben.

Zukunft CH: Wie viele von den Frauen, die Sie ansprechen, können Sie davon abhalten, die Abtreibung vorzunehmen?

Grundberger: An manchen Tagen eine Frau, selten zwei. An vielen Tagen auch keine. Aber für nur ein Baby würde es sich lohnen, Jahre vor der Klinik zu stehen und in den letzten Jahren waren es mehrere hundert Babys, die durch die Gehsteigberatung gerettet werden konnten. Ein Tag vor der Klinik, an dem kein Kind gerettet wurde, aber wir eine Frau trösten konnten, die verzweifelt nach der Abtreibung aus der Klinik kam, ist genauso lohnenswert. Vor der Klinik lernt man, niemals zu verurteilen.

Zukunft CH: Die Frauen haben ja im Normalfall schon eine Beratung hinter sich, wenn sie auf dem Weg in die Abtreibungsklinik sind. Warum sind die Frauen z.T. bereit, sich dann nach einem doch sehr spontanen Gespräch nochmal umzuentscheiden?

Grundberger: Weil sie nicht richtig aufgeklärt werden und anscheinend keine Worte gehört haben, die ihr Herz berührt haben. Keine Worte, die ihre Muttergefühle geweckt haben und niemand, der zu ihnen gesagt hat: „Du schaffst das schon, ich helfe dir!“

Zukunft CH: 2006 verklagte der bekannte Abtreibungsarzt Friedrich Stapf, der in seinen Kliniken schon etwa 100‘000 Kinder abgetrieben hat, die Gehsteigberater vor seiner Klinik in München. Er verlor den Prozess. Als Grund für seine Klage nannte er u.a. Geschäftsschädigung. Ist Abtreibung ein Geschäft?

Abtreibung ist das blutigste Geschäft mit dem Leben unschuldiger, wehrloser kleiner Menschen und verzweifelter Mütter. Für mich gibt es nichts Schlimmeres auf dieser Welt, und solange wir nicht das ungeborene Leben respektieren und ihm mit Würde begegnen, wird diese Welt keinen Frieden finden.

Zukunft CH: Was war die schwierigste bzw. traurigste Erfahrung, die Sie bei Ihrem Engagement gemacht haben?

Grundberger: Als ich vor Jahren im Kreissaal ein Kind in den Händen hielt, dass vorher durch Spätabtreibung getötet wurde. Diesem kleinen Junge habe ich einen Namen gegeben und ihm versprochen, niemals zu dem Unrecht seines Todes zu schweigen. Es war die traurigste Erfahrung, aber auch die Motivation, hoffentlich niemals mit dem Engagement für das Leben aufzuhören. Immer wenn es schwierig ist, erinnere ich mich an das Versprechen und an sein zartes Gesicht.

Zukunft CH: Was war die schönste Erfahrung, die Sie gemacht haben?

Grundberger: Von Babys angelächelt zu werden, deren Müttern ich vor der Abtreibungsklinik begegnet bin.

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Maria Grundberger wohnt in München/Deutschland und ist Hebamme von Beruf. Seit Jahren widmet sie sich dem Tabu-Thema Abtreibung und spricht als Gehsteigberaterin werdende Mütter an, die sich oft in einem dramatischen Konflikt befinden: nämlich zwischen der Annahme oder der Tötung ihres Kindes. Mit ihren 29 Jahren hat sie bereits hunderten von Kindern das Leben gerettet. Für ihr herausragendes Engagement bekam Maria Grundberger 2009 den Walther-Künneth-Preis überreicht.

Filmtipp: „Maria und ihre Kinder“

Der Film erzählt von Kindern, die zur Tötung bestimmt waren – durch Abtreibung. Doch im Gegensatz zu Millionen Kindern, die diesem Schicksal ausgeliefert sind, fanden diese Kinder in letzter Minute einen Schutzengel, der für sie kämpfte und ihren Müttern eine helfende Hand reichte: Maria Grundberger. Dass es Maria Grundberger gelang, hunderte Mütter zu einem Umdenken zu bewegen und sie vor der traumatischen Erfahrung der Tötung des eigenen Kindes zu bewahren, bewegt zutiefst. Denn wir werden daran erinnert, dass es zu den Grundfesten unserer Kultur gehört, gerade diejenigen zu schützen, die über keine eigene Stimme verfügen.

„Maria und ihre Kinder“, 46 Minuten, VHS: 18,95 €, DVD: 21,95 €, ISBN, Drei Linden Film, Berlin, Bestellung: Tel.: 0049 (30) 30 81 07 40, E-Mail: bestellung@dreilindenfilm.de

Interview von Beatrice Gall mit der Gehsteigberaterin Maria Grundberger