„Ich bin mir sicher, es gibt keinen Menschen, der nicht auch in seiner Sexualität geheilt werden muss“, lautet die Überzeugung von Bernhard Meuser (*1953), katholischer Theologe, Publizist und Autor. Sein Buch „Freie Liebe: Über neue Sexualmoral“ setzt sich mit dem Priester und Moraltheologen Eberhard Schockenhoff (1953–2020) kritisch auseinander.

Eine Rezension von Michael Freiburghaus

Schockenhoff plädierte für eine neue (katholische) Sexualmoral, die Sexualität (Homosexualität, Masturbation, Konkubinat, Polyamorie usw.) auch ausserhalb der Ehe positiv bewertete. Meuser stellt sich dagegen und hält an der exklusiven Stellung der Ehe zwischen Frau und Mann fest. Auf Grundlage seiner biblischen Überzeugung stellt er sich klar und überzeugend gegen Abtreibung, Pornografie, das Adoptionsrecht für homosexuelle Paare, die Leihmutterschaft und gegen die Abschaffung der traditionellen Familie. Er warnt vor dem Ausleben der Sexualität als Spielzeug sowie dem neuen Heidentum, das sich seit 1968 ins Christentum eingeschlichen hat.

Autobiografische Teile

Das Buch beinhaltet eine enorme Sprengkraft. Autobiografisch schildert er den Missbrauch durch einen Priester in seinen Teenagerjahren. Zugleich legt Meuser in seinem Werk dar, dass die zahlreichen Missbrauchsfälle in der katholischen Kirche vor allem auf homosexuelle und ephebophile (knabenliebende) Priester zurückgeht: „Wenn die Kirche ihr existentielles Problem mit homosexuellem Missbrauch gelöst hat, muss sie nachdenken, wie man homosexuellen und bisexuellen Menschen, die sich der Herausforderung eines christlichen Lebens stellen möchten, eine bessere Heimat in der Kirche geben kann“.

Ausserdem warnt Meuser vor der stetig wachsenden Macht des Staates, der durch umfassende Gesetze versucht, das Chaos der sexuellen Revolution einzudämmen: „Der Staat, der dienen sollte, wird zur Gefahr“.

Konstruktive Kritik

In seiner Argumentation bezieht sich Meuser auf Jesus und die Bibel. Ausserdem stützt er sich auf Aussagen von Papst Franziskus und den beiden vorhergehenden Päpsten, besonders auf die Theologie des Leibes von Johannes Paul II. Verschiedene Philosophen werden zitiert: Thomas von Aquin, Jean-Paul Sartre, C.S. Lewis, Robert Spaemann, Emmanuel Lévinas, Simone de Beauvoir, Judith Butler und weitere. Die Genderideologie, die über 60 verschiedene Geschlechtsidentitäten postuliert, beurteilt er als marxistischen, gnostischen und leibfeindlichen Angriff auf die Natur des Menschen. In Abgrenzung dazu vertritt er das biblische Menschenbild: „der Mensch ist Geist in Leib“. Die biblische Sexualmoral sieht er als neuen, lebensspendenden Gegenentwurf zum aktuellen Chaos. Er übt Kritik an der aktuell geltenden Zivilmoral und der falsch verstandenen Toleranz. Anstelle von Gut und Böse gebe es heute nur noch die Tugend der Authentizität.

Beeindruckend ist, wie Meuser mit ernsten Worten vor der Orientierungslosigkeit und dem Zerfall unserer westlichen Kultur sowie den unberechenbaren Folgen für unsere Zukunft warnt. Ein seelsorgerlicher Grundton durchzieht das ganze Werk. So kommt klar zum Vorschein, dass unsere Schwachheit eine Möglichkeit darstellt, uns Jesus zu nähern.

Markante Sprache und treffende Analyse

Meuser verwendet eine exakte und markante Sprache, die das Lesen seines Buches zum Genuss macht, z.B.: „Die Steigerung von Lust heisst nicht Kokain, sondern Freude“. Das Buch enthält zudem 470 Anmerkungen mit weiterführenden Literaturangaben.

Fazit: Durch seine treffende Analyse unseres aktuellen Zeitgeistes gelingt Meuser mit „Freie Liebe: Über neue Sexualmoral“ ein hochaktuelles Buch, das viele heisse Eisen anspricht. Meuser meistert den spannungsvollen Spagat zwischen der biblischen Wahrheit, die die Sexualität klar in der Ehe zwischen Frau und Mann verortet, und der Liebe Gottes, die uns vergibt und uns erneuert. Ein bereicherndes und hilfreiches Buch zur Sexualethik.

Bernhard Meuser, Freie Liebe: Über neue Sexualmoral, Basel: Fontis, 2020. ISBN 978-3-03848-203-1. 429 S., CHF 29.80, bestellbar bei: Fontis Shop