Die französische Nationalversammlung hat am 1. August 2020 um 4:00 Uhr morgens den Entwurf des neuen Bioethikgesetzes gutgeheissen. Dieses erlaubt gentechnisch veränderte Embryonen, Mensch-Tier-Mischwesen, staatlich finanzierte künstliche Befruchtung für lesbische Paare und Single-Frauen sowie Abtreibung bis zur Geburt bei „psychosozialer Belastung der Mutter“.

Die grosse Parlamentskammer hat dabei laut Bericht von kath.net dem Gesetzesentwurf einige Änderungen hinzugefügt, die zu Jahresbeginn von der kleinen Parlamentskammer, dem Senat, noch teilweise abgeschwächt worden waren. „Aufgrund der wesentlichen Änderungsanträge der Abgeordneten wird das Gesetz voraussichtlich vor Ende dieses Jahres für eine zweite Anhörung an den Senat zurückgesandt werden. Es wird erwartet, dass der Senat den Text noch einmal ändert. In diesem Fall würde ein gemeinsamer Ausschuss aus Senat und Nationalversammlung gebildet, um einen Kompromisstext zu verabschieden. Wenn sich der gemeinsame Ausschuss jedoch nicht auf einen Kompromiss einigen kann, hat am Ende die Nationalversammlung das letzte Wort.“

Die Abstimmung am ersten Samstag im August um 4:00 Uhr morgens, als die meisten Franzosen auf Urlaub waren, wurde laut kath.net weithin als „Manipulation“ seitens der Regierung wahrgenommen. „Das Ergebnis waren 60 Pro- und 37 Gegenstimmen, von insgesamt 577 Mitgliedern der Nationalversammlung. Die Diskussion wurde willkürlich auf 25 Stunden verkürzt. Eine der Hauptgegnerinnen des Gesetzes, die parteiunabhängige Abgeordnete Emmanuelle Ménard, war durchgehend anwesend, konnte jedoch nicht einmal zu Wort kommen.“ Laut dem Newsletter des Bioethik-Instituts IMABE hatte die Nationalversammlung über rund 2’700 Abänderungsanträge zu entscheiden, die seit Herbst 2019 zum Entwurf eines neuen Bioethik-Gesetz eingegangen waren. „15 Abgeordnete hatten sich zuvor in einem offenen Brief in Le Figaro (online, 22.7.2020) über den enormen Zeitdruck beklagt, den die Regierung ohne Grund vorgegeben hatte.“ In so wichtigen Fragen, in denen es um die Existenz von Menschen und hochsensible ethische Fragen gehe, sei dies ein „Affront gegen das Parlament“ und ein Schlag gegen die Demokratie, so die Abgeordneten.

Durch das neue Gesetz wird laut dem Kath.net-Bericht dem Prinzip der „freiwilligen“ Kindschaft Vorrang vor der biologischen Kindschaft eingeräumt: Kinder, die durch Samen- oder Eizellenspende geboren wurden, gelten nicht als Kinder des Spenders oder der Spenderin, da das Gesetz die Festlegung einer Eltern-Kind-Verwandtschaft zwischen Spender und Kind ausdrücklich verbietet. Die grosse Parlamentskammer stimmte ferner auch für die Einführung menschlicher Stammzellen in tierische Embryonen, was die Bildung von „Chimären“ ermöglicht und die Grenze zwischen Mensch und Tier verwischt.

Bernard Ginoux, Diözesanbischof von Montauban in Südwestfrankreich, schrieb noch am Tag des Entscheids auf Twitter: „Auf diese Weise sterben Zivilisationen und der Geist von Nationen wird zunichte gemacht. Unsere Nachkommen sind in grosser Gefahr.“ „Die neue Gesetzeslage in Frankreich bedeutet einen Rückschritt für das Wohl des Kindes“, kritisiert die Wiener Bioethikerin Susanne Kummer, Leiterin des IMABE-Instituts, ihrerseits den Parlamentsentscheid: „Aussagen wie ‚Ein Kind hat kein Recht auf einen Vater‘ entbehren nicht eines gewissen Zynismus. Natürlich braucht jedes Kind optimalerweise Vater und Mutter, das sagt auch die UN-Kinderrechtskonvention.“