Ein Mann, ganz in Schwarz gekleidet, liest von einem Blatt ab. Der Raum, der ihn umgibt, hat etwas von einer Bühne. Der Lesende ist der Schauspieler Manfred Zapatka. Aber dies ist kein Theater und der Text ist keine Fiktion. Nichts soll von diesem Text ablenken. Der Filmemacher Romuald Karmakar zeigt in seinem Dokumentarfilm „Hamburger Lektionen“ Predigten des Imams Fazazi, den auch drei der Attentäter vom September 2001 kannten. Karmakar fügt nichts hinzu, der Text selbst ist zum Fürchten. Predigen für die Weltherrschaft des Islams
Gut zwei Stunden lang trägt Zapatka zwei Lektionen des militant-islamistischen Imams Mohammed Fazazi vor. Beide Texte hatte der Imam 2000 in einer Hinterhof-Moschee in Hamburg, der Al-Quds-Moschee, vorgetragen, immer wieder unterbrochen von Fragen des Publikums. Es wird ein breites Themenspektrum angeschnitten – angefangen bei theologischen Betrachtungen, etwa wann genau der Ramadan beginnt, bis zu detaillierten Überlegungen, etwa ob es z.B. Ausnahmesituationen gibt, in denen eine Muslima alleine reisen darf.

Fazazi bekennt sich zu einer puristischen Bewegung im Islam, dem so genannten Salafismus. Innerhalb dieser fundamentalistischen Richtung zählt er zu denjenigen, die auf Gewalt setzen. Besonders interessant an seinen Lektionen ist, wie Fazazi seine konservative, theologische Koraninterpretation mit geistiger Brandstiftung verwebt. So diskutiert er z.B. die Frage, ob es erlaubt sei, Pässe zu fälschen oder Ungläubige zu bestehlen. Sein Fazit ist, dass gegen Ungläubige letztlich alles erlaubt ist. So rechtfertigt Mohammed Fazazi sogar Attentate auf Kinder, die den Islam beschmutzt haben, und auf Zivilisten im Westen – die als Wähler in einer Demokratie islamfeindliche Regierungen mit Legitimität ausgestattet hätten.

Fazazi wurde inzwischen in Marokko wegen der Unterstützung von Terroranschlägen zu langjähriger Haft verurteilt. Sein Hamburger Auftritt ist besonders brisant, weil auch die Attentäter vom 11. September 2001 Besucher der Hamburger Al-Quds-Moschee waren und Mohammed Atta die Predigten Fazazis kannte. Vieles an dem Text erscheint einem europäischen Publikum fremd – aber er ist ein Dokument aus Deutschland.

Karmakar hat in seinem Film alles auf die Lesung der Predigten reduziert. Nichts lenkt ab. Diese Reduktion hat er bewusst eingesetzt: „Alle tun so, als wüssten sie, was eine Hasspredigt ist – aber konkret wissen es eben die wenigsten. Es gibt das Klischeebild des Nazis, der schreit. Ein Nazi muss schreien. Wenn er nicht schreit, ist er kein richtiger Nazi. Es hat gedauert, ehe man begriffen hat, dass es auch freundliche, ruhige Nazis gab, die keineswegs weniger extremistisch waren. Ich will zeigen, dass so genannte Hassprediger auch rational argumentieren.“

Ein Film, der nicht leicht zu verdauen, aber absolut empfehlenswert ist – am Donnerstag, den 24. Januar um 21.00 auf ARTE