Wann haben Sie das Licht der Welt erblickt? Als Sie geboren wurden? Falsch! Babys können bereits vor ihrer Geburt auf Lichtreize reagieren, die durch die Bauchdecke scheinen. Viele Mütter berichten über Reaktionen ihrer ungeborenen Kinder, wenn sie beispielsweise den Lichtstrahl einer Taschenlampe auf ihren Bauch richten. Doch Kinder im Mutterleib sind noch zu ganz anderen Leistungen fähig.

Von Ursula Baumgartner

Angestrengt und interessiert blickt das Neugeborene um sich. Alles ist neu in dieser grellen, lauten, kalten Umgebung. Anders als in der behaglichen Wärme, Ruhe und Dunkelheit des Mutterleibs, in dem es bis vor wenigen Stunden noch geborgen war. Doch dass der Mutterleib nur ruhig und dunkel ist, stimmt nicht. Schon seit einiger Zeit weiss man, dass ein Baby bereits vor der Geburt die Stimme und den Herzschlag der Mutter kennenlernt. Auch die Stimme des Vaters und der Geschwister merkt es sich und kann sogar Melodien wiedererkennen.

Attrappenversuche

Dass auch Licht im Mutterleib eine Rolle spielt, ist überraschender. Und noch faszinierender ist das Forschungsergebnis, über das das Wissenschaftsmagazin Scientific American berichtet. Babys können, während sie noch im Mutterleib sind, auf Muster reagieren, die einem Gesicht ähneln. Dazu sind sie in der Lage, obwohl sie noch nie ein Gesicht gesehen haben.

Da Babys bei der Geburt noch verschwommen sehen, reagieren sie zunächst eher auf das Schema eines Gesichts als auf das Gesicht eines bestimmten Menschen. Um dies zu untersuchen, bedient man sich sogenannter Attrappen. Man zeigt den Neugeborenen Dreiecke aus drei Punkten. Einmal befinden sich zwei Punkte oben und einer unten, einmal umgekehrt, einer oben und zwei unten. Die Babys reagieren mit Zuwendung auf das erstere Schema, das eher zwei Augen und einem Mund ähnelt. Das zweite Schema weckt meist kein besonderes Interesse.

Von Angesicht zu Angesicht

Für die im Magazin beschriebene Studie führten die Forscher eine Variante dieses Versuchs durch. Sie beleuchteten die Bauchdecke von 39 schwangeren Frauen mit jeweils drei Lichtpunkten in den oben beschriebenen Verteilungen. Die Frauen waren jeweils mindestens im sechsten Monat schwanger. Die Reaktionen der Babys wurden mittels 4D-Ultraschall untersucht. Das überraschende Ergebnis: Die Kinder reagierten mehr als doppelt so häufig auf die Konstellation an Lichtpunkten, die einem Gesicht ähnelt, wie auf die andere. Daraus lässt sich schliessen, dass Kinder bereits vor der Geburt nicht nur sehen und hören können, sondern sogar ein Konzept davon haben, wie ein Gesicht gestaltet ist, ohne je eines gesehen zu haben.

Man kann hoffen, dass mit der modernen Medizintechnik noch viele weitere spannende Erkenntnisse gewonnen werden, denn offensichtlich wissen wir noch längst nicht alles über das verborgene Leben eines Kindes im Mutterleib.