Mit Diversity-Richtlinien und öffentlichen Stellungnahmen zu privaten Äusserungen versuchen staatliche Bildungseinrichtungen, ihre Mitarbeiter auf Vielfalt einzuschwören. Dabei wird je nach weltanschaulicher Tendenz mit zweierlei Mass gemessen.

Von Dominik Lusser

Dass Arbeitnehmer, welche die politische Agenda der LGBT-Bewegung kritisch sehen, auch in ihrer Freizeit vielerorts besser schweigen, um nicht ihren Job in Gefahr zu bringen, ist ein aus der Privatwirtschaft bekanntes Problem. Nach einem Vorfall an der Fachhochschule St. Gallen (FHSG) stellen Politiker die Frage, ob es mittlerweile auch im öffentlichen Dienst ein Karriererisiko darstellt, als Privatperson eine ablehnende Haltung zu Lehrsätzen des linksliberalen Mainstreams – z.B. zur „Ehe für alle“ – einzunehmen? Der Berner EDU-Nationalrat Andreas Gafner möchte vom Bundesrat in einer Interpellation u.a. wissen, auf welche Rechtsgrundlage sich staatliche Arbeitgeber stützen, wenn sie sich von einer legitimen privaten Meinungsäusserung eines Angestellten distanzieren. Gafners Vorstoss trifft die „geistige Monokultur“ (Giuseppe Gracia) an Schweizer Bildungseinrichtungen mitten ins Herz.

Was ist geschehen? Nach Medienberichten hat sich ein Informatikdozent der FHSG in den sozialen Medien als Privatperson kritisch zur „Ehe für alle“ geäussert und diese – vor dem Hintergrund seines christlichen Glaubens – als moralische „Fehlentwicklung“ bezeichnet. Daraufhin haben verschiedene Kreise, unter anderem offenbar Studenten, „eine regelrechte Treibjagd gegen den Dozenten eröffnet und ihn wegen seiner Gesinnung zu einem Rücktritt zu nötigen versucht“, schreibt Gafner in seinem am 18. Juni 2020 eingereichten Vorstoss. In der Folge distanzierte sich die FHSG von der im Kommentar des Dozenten „zum Ausdruck gebrachten Position“ und wies diesbezüglich auf das Grundlagenpapier der FHSG im Umgang mit Diversität hin.

Mit zweierlei Mass

Gafner hält es für problematisch für die Meinungsäusserungsfreiheit, wenn Fachhochschulen interne Grundlagenpapiere erstellen, die eine kritische Haltung zur „Ehe für alle“ als „Verstoss gegen Diversitäts-Grundsätze“ ansehen. Auch ist es ein schlechter Witz, wenn ausgerechnet im Namen der Vielfalt der Lebensformen gegen einen legitimen Meinungspluralismus vorgegangen wird. Slogans wie „Vielfalt leben und Chancengleichheit fördern“ oder die Nennung von Religion als Diversity-Dimension verkommen so zur hohlen Phrase. „Vielfalt in Herkunft, Denken und Handeln der Studierenden und Mitarbeitenden“ sei, wie es in einem Antidiskriminierungs-Leitfaden der FHSG heisst, „ein Potenzial für die Entwicklung der Ausbildungs- und Forschungsinstitution und der Hochschulkultur“. Verstösst demnach das Verhalten der St. Galler Fachhochschule nicht gegen die eigenen Richtlinien?

Eigentlich schon, doch muss ein weiters Problem bedacht werden: Es ist der in der Regel grün-roten Schlagseite solcher Leitfäden oder zumindest ihrer tendenziösen Interpretation geschuldet, dass von Seiten staatlicher Bildungseinrichtungen nicht selten mit zweierlei Mass gemessen wird, je nachdem, ob eine private Äusserung eines Dozenten konservatives oder linksliberales Gedankengut zum Ausdruck bringt. Ein prominentes Beispiel gefällig?

Der „Marsch fürs Läbe“ vom 14. September 2019 wurde von gewalttätigen Linksradikalen gestört, die sich zu einer unbewilligten Gegendemo versammelt hatten. Zur Teilnahme an dieser hatte auch die Genderforscherin Franziska Schutzbach aufgerufen, die regelmässig Lehraufträge an der Universität Basel innehat. „Lasst uns laut sein“, schrieb Schutzbach vor dem Marsch auf Twitter und verwies auf die vom Frauenstreik Kollektiv Zürich organisierte Gegendemo auf der Josefswiese. Das Kollektiv hatte zusammen mit vier weiteren linksradikalen Gruppierungen auf Facebook dazu aufgerufen, den Marsch zu „verhindern“. Im Anschluss an den gewalttätigen Event des Kollektivs, bei dem zwei Polizisten verletzt wurden, brüstete es sich, die Teilnehmer des „Marsch fürs Läbe“ daran gehindert zu haben, ihre geplante Route zu gehen. Zu Schutzbachs Aufruf, Menschen mit anderen Meinungen an der Ausübung ihrer demokratischen Rechte zu hindern, wollte die Uni Basel nicht Stellung nehmen. Auf Anfrage von Zukunft CH antwortete der Kommunikationsverantwortliche Matthias Geering: Was die Wissenschaftlerin ausserhalb der Unterrichtszeit macht, „ist ihre Privatsache, die wir auch nicht kommentieren.“

Ein strukturelles Problem

Man stelle sich vor, ein Dozent einer Schweizer Uni oder Hochschule wagte es auf seiner privaten Facebook-Seite, Abtreibung als unmoralisch zu bezeichnen. Es ist leider illusorisch, anzunehmen, dass sich die Bildungsstätte, sobald der Fall ins Visier linker Treibjäger geriete, nicht umgehend und mit sehr klaren Worten davon distanzieren würde. Dies, obwohl die besagte Meinungsäusserung, im Unterschied zu Schutzbachs Aufruf, niemandem die Teilhabe am gesellschaftlichen und politischen Leben abspricht. Es wird nur eine klare Position in einem ethischen Diskurs geäussert, wie sie in jedem freien Land möglich sein sollte, ohne dafür irgendwelche Konsequenzen von staatlicher Seite befürchten zu müssen.

Die Praxis sieht jedoch anders aus. Die Unterwanderung des Bildungsbereichs durch intolerante „Vielfalts“-Fanatiker hat schon vor Jahrzenten begonnen. Konservativ eingestellte Bürger fragen sich längst, wo man ohne die Dauerbeschallung von links überhaupt noch studieren oder dozieren kann. Die Fälle, die an die Öffentlichkeit kommen, sind nur die Spitze des Eisbergs. Wer sich umhört, bekommt im kleinen Kreis viel mit über Zensur, Indoktrination sowie betreutes Denken und Schreiben an staatlichen Bildungseinrichtungen. Der Versuch des Basler „Studierendenrates“ von 2018, die Gratisausgabe der Weltwoche aus den Räumen der Universität zu verbannen, ist symptomatisch für das vergiftete Klima in Schweizer Bildungsinstitutionen. Viele Studenten und Dozenten wagen es längst nicht mehr, etwas gegen den Meinungsterror unter dem Regenbogen einzuwenden. Die politische Schlagseite an staatlichen Bildungseinrichtungen ist – um es im linksrevolutionären Jargon auszudrücken – definitiv ein strukturelles Problem, das den Kerngedanken der Demokratie – den Wettbewerb der Ideen durch Austausch von Argumenten – unterläuft. Politisches Handeln ist dringend notwendig.

Die Interpellation an den Bundesrat im Wortlaut:

  1. Wie beurteilen Sie, dass Dozenten, Lehrpersonen und Staatsangestellte im Allgemeinen offensichtlich damit rechnen müssen, dass sich ihr staatlicher Arbeitgeber von ihnen wegen einer legitimen privaten Meinungsäusserung distanziert? Mit welcher Rechtsgrundlage sind solche Distanzierungen konform?
  2. Welche Massnahmen ergreifen Sie, um das Recht auf freie Meinungsäusserung zu verteidigen und Staatsangestellte vor undemokratischen Shitstorms zu schützen beziehungsweise ihnen den Rücken zu stärken? Welche Leitlinien und Sensibilisierungs-Programme hat der Bund in diesem Zusammenhang bereits erarbeitet, damit private Meinungsäusserungen, die sich im Rahmen des demokratischen Spektrums bewegen, keine beruflichen Nachteile nach sich ziehen?
  3. Wie beurteilen Sie die Tatsache, dass Fachhochschulen offenbar interne Grundlagenpapiere erstellen, welche eine kritische Haltung zur „Ehe für alle” als „Verstoss gegen Diversitäts-Grundsätze“ ansehen? Ist dies nicht ein Verstoss gegen Artikel 16 (Meinungs- und Informationsfreiheit) der Bundesverfassung?
  4. Werden Rektoren und Repräsentanten sämtlicher staatlicher Bildungseinrichtungen künftig gerügt, wenn Sie private Meinungsäusserungen von Lehrpersonen die Legitimation absprechen und diese abwerten?