Bei der Abstimmung am 26. September 2021 geht es um mehr als „nur“ um den Ehebegriff. Es geht um eine klare Bekräftigung der natürlichen Ehe zwischen Mann und Frau und um den Schutz der schwächsten Glieder unserer Gesellschaft, unserer Kinder.

Von Ralph Studer

Von wem könnte folgendes Zitat stammen? Ich wette mit Ihnen, Sie werden es kaum erraten: „Kinder brauchen beide Elternteile von Anfang an. Haben sie mehr als eine verlässliche und verfügbare Vertrauensperson, stärkt das ihr Bindungsvertrauen. Wenn im ersten Jahr nach der Geburt ausschliesslich die Mutter für die Betreuung zuständig ist und kaum entlastet wird, steigt das Risiko, dass sie gestresst, ungeduldig und überlastet ist. Das spürt auch das Neugeborene. Unruhe statt Geborgenheit ist die Folge. Das Neugeborene fixiert sich zudem zwangsläufig auf die Mutter und lernt eine geringere Beziehungsvielfalt kennen. Das wollen wir ändern:

– Kinder brauchen beide Eltern und haben gemäss UNO-Kinderrechtskonvention auch ein Recht darauf. Dafür braucht es die Präsenz beider Elternteile von Anfang an. Die Kinder profitieren von dieser Nestwärme. (…)

– Die Forschung zeigt: Kinder von engagierten Vätern sind gesünder, glücklicher und erfolgreicher. Ein frühes väterliches Engagement stärkt die Beziehung zum Kind ein Leben lang. Fragt man die Kinder selbst, sagen sie klar: Wir wollen Mama und Papa nahe sein in unserem Leben.

– Kinder brauchen weite Horizonte: Der Vaterschaftsurlaub erlaubt den Kindern schon früh, Beziehungsvielfalt zu erleben. Sie erfahren früh, dass Menschen verschieden sind, aber trotz aller Verschiedenheit gleichwertig fürsorglich sein können.“[1]

Wie Sie beim genauen Lesen erkannt haben, war dies ein Auszug aus dem Argumentarium der Befürworter des Vaterschaftsurlaubs im Vorfeld zur besagten Abstimmung im September 2020. Man fragt sich, was seit dieser Abstimmung im Jahr 2020 passiert ist, dass die Väter in Ehe und Familie keine Bedeutung mehr haben sollen?[2]

Gesetzlich verordnete Vaterlosigkeit

Wie aus der Entwicklungspsychologie hinlänglich bekannt ist, spielen Väter eine entscheidende Rolle als Bezugspersonen für Ihre Kinder. Die politischen Verantwortlichen sind jedoch nicht willens, diese (entwicklungs-)psychologischen Erkenntnissen in ihre Parteiprogramme einfliessen zu lassen und ihre Politik danach auszurichten. Wer setzt sich schon gern mit unangenehmen Tatsachen auseinander, welche das eigene Weltbild ins Wanken bringen? Ideologie und Wissenschaft – zwei unvereinbare Pole. Ideologen scheuen die Wissenschaft, Erfahrung und Vernunft wie der Teufel das Weihwasser. Nebenbei bemerkt leben wir in einer Gesellschaft, in der das Natürliche auf allen Ebenen gefördert und gestärkt wird (biologische Produkte, erneuerbare Energien usw.). Geht es jedoch um die Kinder, da spielt die Natur und die natürlichen Gegebenheiten plötzlich keine Rolle mehr und es darf nicht genüg „künstlich“ und in Abkehr zu den seit Jahrtausenden bestehenden Lebensgewohnheiten der Menschen sein.

Doch kehren wir zur Bedeutung des Vaters als Identitäts- und Bindungsperson des Kindes zurück. Treffend hält das Referendumskomitee in seinem Argumentarium fest: „Die Samenspende verwehrt Kindern per Gesetz den Vater. Das Bild einer vaterlosen Gesellschaft wird zementiert. Aus Sicht des Kindeswohls ist dies eine systematisch integrierte und etablierte Ungerechtigkeit.“ [3]

Während die staatliche Familienpolitik bewusst das Kind von seinem leiblichen Vater trennen und die zentrale Rolle des Vaters nicht mehr sehen will, haben Schul- und Sozialwesen schon lange die Wichtigkeit der Männer für die Entwicklung und Identitätsfindung der Jungen erkannt, weshalb Männer als Lehrer und Bezugspersonen für die Schule gesucht sind. Interessanterweise wird diese Tatsache in der aktuellen Abstimmung komplett ausgeblendet.

Bedeutung der Väter für die Kinder

Die gesetzlich vorgesehene Trennung vom leiblichen Vater verunmöglicht von Geburt an den Aufbau der für das Kind wesentlichen Vater-Kind-Beziehung. Fachleute aus dem Bereich der Bindungsforschung und der Entwicklungspsychologie sagen klar, es besteht „ein Zusammenhang zwischen der Fürsorge des Vaters, einer sicheren Bindung und grösserem schulischen Erfolg, besseren sozialen Fähigkeiten und weniger Verhaltensproblemen im Kindesalter und bei Heranwachsenden“. Zudem bestätigen diese Forschungszweige auch die Wirkung der väterlichen Zuneigung. Deshalb sollen Väter zu vermehrter Fürsorge und Innigkeit im Umgang mit ihren Kindern ermutigt werden. Die langfristig günstig kognitive, emotionale und soziale Entwicklung der Kinder wird durch die väterliche Warmherzigkeit begünstigt, so Laura E. Berk.[4]

Kinder brauchen Vater und Mutter

Dass Männer und Frauen unterschiedlich sind, ist eine auf Erfahrung, Vernunft und jahrtausendealter Geschichte basierende Erkenntnis, welche erst in unserer „progressiven“ Zeit in Frage gestellt wird. Die Verfechter der Gender-Theorie, auf deren ideologischen Grundlage die Vorlage „Ehe für alle“ steht, vertreten die Gleichheit von Mann und Frau und die Meinung, dass es nicht entscheidend sei, ob der leibliche Vater und die leibliche Mutter das Kind erziehen. Vater und Mutter seien beliebig austauschbar, so ihre Vorstellung. Deshalb soll in der aktuellen Gesetzesvorlage auch der Begriff „Vater“ gestrichen werden. Bis in die Gegenwart wurden allerdings seitens der Gender-Befürworter noch keine stichhaltigen wissenschaftlichen Belege für diese Theorie vorgelegt.[5]

Vater und Mutter üben jedoch gerade durch ihre deutlichen Geschlechtsunterschiede wesentlichen Einfluss auf das Gelingen der kindlichen Entwicklung aus. Wie aus der Bindungsforschung hinlänglich bekannt ist, legen Vater und Mutter das Fundament für psychische Stabilität und ergänzen einander, was sowohl für den Bereich sicherer Bindung als auch für den Bereich sicherer Exploration entscheidend ist.[6] Bei gleichgeschlechtlichen Paaren besteht von Natur aus ein grundlegendes Beziehungsdefizit – entweder in der Beziehung zum Vater oder zur Mutter.

Statt die natürliche Einheit von Vater, Mutter und Kind zu stärken und deren Bedeutung für eine gesunde Entwicklung der Kinder anzuerkennen und zu würdigen, wird diese Einheit mit dem vorliegenden Gesetz absichtlich auseinandergerissen und die möglichen Folgen für das Kindeswohl werden bewusst ausgeblendet. Es spielt plötzlich keine Rolle mehr, ob beide Geschlechter als Bezugspersonen vorhanden sind oder nicht. Ein interessanter Widerspruch zur oben ausgeführten Argumentation der Befürworter des Vaterschaftsurlaubs und vor allem zu den besagten wissenschaftlichen Erkenntnissen.

Dieser offenkundige Widerspruch der Befürworter der „Ehe für alle“ wird allerdings nachvollziehbar, wenn man sich in Erinnerung ruft, dass die besagte Gendertheorie und die mit ihr untrennbar verknüpfte emanzipatorische Sexualaufklärung schon längst in internationalen Organisationen und in der nationalen Politik propagiert wird und durch die vom Bund geförderte Organisation „Sexuelle Gesundheit Schweiz“ auch Eingang in den Sexualkundeunterricht in den Schweizer Schulen gefunden hat. Diese emanzipatorische Sexualpädagogik verfolgt u.a. das Ziel, die Jugendlichen in ihrem Geschlecht und ihrer Identität zu verunsichern, statt sie zu bestärken und die natürliche Verbindung von Mann und Frau in Frage zu stellen. Ist man sich dessen bewusst, wird es auch klar, warum Väter nicht mehr erwünscht sind. Väter könnten ihren Söhnen eine positive männliche Identität mitgeben, was dem (politischen) Zeitgeist und der Stossrichtung bestimmter gesellschaftlicher Kreise diametral entgegenläuft.

Das Recht auf Kenntnis der eigenen Identität

Die Vorlage vom 26. September 2021 verstösst zudem auch gegen die UN-Kinderrechtskonvention. Art. 7 Abs. 1 dieser UN-Kinderrechtskonvention hält fest:

„Das Kind ist unverzüglich nach seiner Geburt in ein Register einzutragen und hat das Recht auf einen Namen von Geburt an, das Recht, eine Staatsangehörigkeit zu erwerben, und soweit möglich das Recht, seine Eltern zu kennen und von ihnen betreut zu werden.“

Und Art. 9 Absatz 3 besagt:

„Die Vertragsstaaten achten das Recht des Kindes, das von einem oder beiden Elternteilen getrennt ist, regelmässige persönliche Beziehungen und unmittelbare Kontakte zu beiden Elternteilen zu pflegen, soweit dies nicht dem Wohl des Kindes widerspricht.“

Dass Kinder ein Recht auf Wissen ihrer eigenen Abstammung haben, war in Psychologen- und Juristenkreisen stets unbestritten und ist rechtlich – wie oben gesehen- auch verbrieft. Die Kenntnis der eigenen Abstammung und das Zusammen mit den leiblichen Eltern ist für die Identitätsfindung und Identitätsstärkung der Kinder elementar.[7]

Fazit

Die obigen Ausführungen verdeutlichen, dass die „Ehe für alle“ inkl. der beabsichtigten Samenspende für lesbische Paare mit dem Kindeswohl in keinster Weise in Einklang zu bringen ist. Eine vorsätzliche Trennung von Vater und Kind widerspricht den längst bekannten wissenschaftlichen Erkenntnissen und soll nun bei der Samenspende zum gesetzlichen Regelfall werden, was die gesunde Entwicklung des Kindes beeinträchtigen und Identitätskonflikte verursachen kann. Die Gesellschaft hat nicht das Recht, diese Aufspaltung auf Kosten des Kindeswohls zu fördern. Kinder wünschen sich, bei Vater und Mutter aufzuwachsen. Dieses Recht dürfen wir ihnen nicht per Gesetz verwehren.

Ralph Studer ist Jurist und Vizepräsident der Stiftung Zukunft CH.

 

[1] Quelle: „Vaterschaftsurlaub jetzt!“, Argumente für die Abstimmung vom 27. September 2020, S. 8.

[2] Eine sehr gute Übersicht über die Argumente gegen die „Ehe für alle„ und gegen die Samenspende finden Sie auf der Webseite des Referendumskomitees, vgl. https://ehefueralle-nein.ch/wp-content/uploads/2021/08/Argumentarium_Nein_Ehe-fuer-alle.pdf (abgerufen am 12. September 2021). Dieser Artikel beruht auf weiten Strecken auf diesem sehr gut ausformulierten Argumentarium.

[3] Vgl. das besagte Argumentarium des Referendumskomitees, S. 8.

[4] Auszug aus dem Lehrbuch „Entwicklungspsychologie“ von Laura E. Berk, S. 296, einem internationalen Beststeller, 7. Aktualisierte Auflage, 2020.

[5] Im Gegenteil. Vgl. hierzu, Zastrow Volker, Gender – Politische Geschlechtsumwandlung, 2006

[6] Grossmann Klaus und Karin, Bindungen, das Gefüge psychischer Sicherheit, 2017.

[7] Vgl. https://backtotheroots.net/ (abgerufen am 12. September 2021).