Der Vatikan und die Kairoer Al-Azhar-Universität haben im Dezember 2019 der UNO die Errichtung eines „Welttag der menschlichen Brüderlichkeit“ vorgeschlagen. Dieser soll jährlich am 4. Februar – dem Jahrestag der umstrittenen Erklärung von Abu Dhabi zwischen Papst Franziskus und Grossimam Ahmad Mohammad Al-Tayyeb – stattfinden. Das Vorhaben stösst auch auf prominente Kritik.

Zukunft CH hat beim Churer Weihbischof Marian Eleganti nachgefragt, was er von dieser neuen Iniative des Papstes halte. „Grundsätzlich ist gegen die Brüderlichkeit zwischen allen Menschen nichts einzuwenden, ja, sie bleibt zu wünschen“, erklärt Eleganti, fragt sich aber gleichzeitig, wie man dorthin gelange: „Ist Brüderlichkeit möglich bei so unterschiedlichen Glaubensüberzeugungen, deren Interessen und Ziele sich gegenseitig ausschliessen wie im Fall von Christentum und Islam?“ Der Weihbischof glaubt nur an eine „tragfähige Brüderlichkeit“, d.h. „an eine Einheit und Brüderlichkeit in der Wahrheit“: „Eine reine ‚Gefühlsreligion‘ ohne Verständigung und Einigung in der Wahrheit erscheint mir wie eine Sandburg.“ Das Christentum bedeute Feindesliebe, Bekehrung und Wahrheit bzw. Einheit in Christus. Der Islam hingegen wolle Unterwerfung und teile die Welt in ein Haus des Friedens ein, wo der Islam herrsche, und in ein Haus des Krieges, wo dies nicht der Fall sei, ruft Eleganti in Erinnerung. „Welche tragfähige Basis in den eigenen Glaubensüberzeugungen hat da die universale Brüderlichkeit?“ Bischof Eleganti hatte bereits zuvor mehr als einmal öffentlich Kritik geübt an der Erklärung von Abu Dhabi, unter anderem in der Luzern Zeitung.

Eleganti hatte bereits im November 2019 bei einem Vortrag in Luzern Kritik an der Erklärung von Abu Dhabi geübt. Im Interview mit der Luzerner Zeitung erklärte er anlässlich dieses Anlasses: Die Erklärung „unterstellt, dass alle Religionen dasselbe wollen. Der Islam aber kennt keine Feindesliebe und keine wirkliche Gleichheit aller Menschen. In den Gründungsdokumenten des Islam gibt es viele Aufforderungen zur Gewalt, und auch der Hass auf die Feinde des Islam erscheint als Tugend, während Jesus Petrus geboten hat, das Schwert in die Scheide zu stecken und die Feinde zu lieben, für sie zu beten und seine Wange hinzuhalten.“

Positiv zu würdigen seien in der Erklärung die Ablehnung von Krieg aus religiösen Motiven, die Aufforderung zu Toleranz, Dialog und Zusammenarbeit, der Schutz der Gottesdienststätten, die Verdammung des Terrorismus, der Schutz der Schwachen und Armen, Flüchtlinge, Minderheiten etc. und die positive Bedeutung der Familie. Die Erklärung habe jedoch grosse Schwachstellen. „Da Gott nicht ein in sich selbst widersprüchliches Wesen ist, kann er auch nicht die Pluralität der Religionen wollen, wie die Erklärung behauptet. Gerade der Islam ist eine erklärtermassen antichristliche Religion, die genau das leugnet, was das Wesen des Christentums ausmacht: die Gottessohnschaft Jesu Christi und die damit verbundene Trinität Gottes. Da beide Religionen behaupten, eine Selbstoffenbarung Gottes zu sein, würde sich Gott selbst widersprechen. Wir glauben eben nicht das Gleiche. Die Erklärung ist eine grosse Klitterung dieser Widersprüche.“