Die Pendlerzeitung 20-Minuten titelte am 8. Juni 2015: „Junge halten nichts von lebenslanger Partnerschaft.“ Die Zeitung beruft sich auf eine vom Forschungsinstitut GFS Zürich im Auftrag der Schweizerischen Evangelischen Allianz durchgeführte Meinungsumfrage. Ein Blick in die Umfrage zeigt aber, dass 20 Minuten das Ergebnis unvollständig und tendenziös wiedergibt.
Es trifft zwar zu, dass von den 18-39-Jährigen nur 18 Prozent angeben, dass ihnen lebenslange sexuelle Treue „sehr wichtig“ ist. Zählt man allerdings die 52 Prozent der Jungen dazu, denen lebenslange sexuelle Treue „eher wichtig“ ist, rangiert die jüngste Altersgruppe mit 70 Prozent sogar noch vor der Gruppe der 65+, von denen 67 Prozent die lebenslange sexuelle Treue für sehr oder eher wichtig halten. Nur in der Altersgruppe der 40-64-Jährigen war die Zustimmung mit 73 Prozent noch etwas höher. Nur gering anders antworteten die Befragten auf die Frage nach der Wichtigkeit, ein Leben lang mit dem gleichen Partner zusammen zu sein. 65 Prozent der 18-39-Jährigen gab an, dass dieser Beziehungsaspekt für sie wichtig oder eher wichtig ist. Nur für 2 Prozent der Befragten dieser Altersgruppe war der Aspekt eher oder gar nicht wichtig. Für weitere 29 Prozent war er weder wichtig noch unwichtig, während 5 Prozent mit „weiss nicht“ antworteten. Von der jüngsten Altersgruppe halten zudem 58 Prozent die lebenslange sexuelle Treue und 68 Prozent das lebenslange Zusammenbleiben mit einem Partner auch für „sehr wohl“ oder zumindest „eher“ möglich. Das Fazit von 20 Minuten, dass nur die wenigsten jungen Leute es sich vorstellen können, das ganze Leben lang mit demselben Partner zu verbringen, ist somit schlicht falsch. Ebenso die Behauptung: Ihr Leben lang mit derselben Person Sex zu haben, kommt für viele Junge nicht infrage.
Denn sowohl lebenslange Partnerschaft wie lebenslange sexuelle Treue sind für die grosse Mehrheit der jungen Leute wichtig. Warum sie diesen Aspekte im Vergleich zu älteren Generationen häufiger als bloss „eher wichtig“ anstatt „sehr wichtig“ bewerten, hängt möglicherweise mit ihrer Reife zusammen. In diese Richtung weisen die Aussagen von Paartherapeut Klaus Heer gegenüber 20 Minuten: „In ihren Zwanzigerjahren können sich die meisten Leute noch wenig realistische Ideen für ihre Zukunft machen“, sagt er. Partys und Affären spielten eine grössere Rolle als Gedanken an Kinder und finanzielle Sicherheit. Und auch Dr. Sex Bruno Wermuth stellt fest: Eine gefestigte Beziehung ist gefragt, wenn Kinder Thema sind. Während Wermuth jedoch davon ausgeht, dass sich künftig temporäre und dynamische Beziehungsformen durchsetzen werden, vermutet Heer, dass experimentelle Beziehungsformen die Menschen überfordern werden. «Schon ihre Eltern und Grosseltern scheiterten daran», sagt er. Und Sexualtherapeutin Dania Schiftan bestätigt diese Einschätzung: „Gerade bei den ganz jungen Erwachsenen geht der Trend wieder in Richtung traditionelles Rollenbild.“ Der Wunsch nach Heirat sei gross. Aufgrund der turbulenten Wirtschaftslage sehnten sich viele Junge wieder nach familiärer Geborgenheit.