Mit 57,5 % Ja-Stimmen hat das Schweizer Stimmvolk den Bau von Minarett-Türmen verboten. Dieses weltweit vielbeachtete, deutliche Resultat spaltet die Meinungen und bedeutet für Bundesrat und Parlament, welche die Vorlage zur Ablehnung empfohlen hatten, eine schallende Ohrfeige. Die höchste Zustimmung erzielte bei einer gesamtschweizerisch ausserordentlich hohen Stimmbeteiligung von 53,4 % der Kanton Appenzell-Innerrhoden mit 71,4 %, der Bezirk Frutigen mit 76,2 % sowie die Berner Gemeinde Seedorf mit 96 % Ja-Stimmen. Willkommen sind die Minarette lediglich in den Kantonen Genf (mit 40 % Ja-Stimmen), Waadt, Neuenburg und Basel-Stadt, wobei letztere beiden nur hauchdünn zustimmten. Auf Bezirks- und Gemeindeebene votierte erwartungsgemäss die linksdominierte Stadt Zürich mit lediglich 36,3 % Ja-Stimmen klar für das Errichten von Minaretten. Mit der Annahme der Initiative werden nun bestehende Bauprojekte begraben, während die bestehenden vier Türme in Zürich, Winterthur, Genf und Wangen stehen bleiben dürfen.
Die Kommentare zum Abstimmungsresultat fallen sehr unterschiedlich aus, selbst auf muslimischer Seite. Während der Präsident der Föderation Islamischer Dachorganisationen in der Schweiz, Hisham Maizar, nun selbstkritisch über die Bücher gehen will, bezeichnet der britisch-palästinensische Hamas-Sympathisant Azzam Tamimi die Mehrheit der Schweizer Bürger als „ignorante Rassisten“ und bekennt sich zu Selbstmordattentaten (20minuten, 30.11.2009). Als „vorbildlich“, „zukunftsweisend“ und „deutlichen Sieg des Volkes über die Elite“ taxieren die italienische Lega Nord, die österreichische FPÖ und die französische Front National (NZZ, 30.11.2009; 20minuten, 30.11.2009, MZ, 30.11.2009) sowie Ex-Muslime in der Schweiz das Wahlergebnis.

Schwerer mit dem Ausgang der Initiative tun sich die grossen Schweizer Tageszeitungen. Während die „Neue Zürcher Zeitung“ das Resultat relativ nüchtern als unerfreulich hinstellt, wertet der „Blick“ in seiner eher kurzen Berichterstattung das Abstimmungs-Ja als „ein Nein, das dem Islam als Synonym für Terror und Unterdrückung“ gilt. Die siegreichen Evangelikalen hätten jedoch ein genauso wenig aufgeklärtes Weltbild wie das Frauenbild der SVP emanzipiert sei. Die „Mittelland-Zeitung“ schreibt, dass nur „österreichische Rechtspopulisten“ der Schweiz gratuliert hätten und der „Rest der Welt“ kein Verständnis für das Minarettverbot habe. Die Gegner der Initiative hätten sich ungenügend engagiert und es sei nun ein Recht der Muslime, auf Schweizer Produkte zu verzichten. Normalerweise könnten die Schweizer Stimmbürger klar unterscheiden zwischen „Vorlagen, die Lösungen bringen“ und solchen „die populistische Gefühle befriedigen“ – deshalb sei der Ausgang dieser Abstimmung „für die Schweizer untypisch“. Der Zürcher „Tages-Anzeiger“ kommentiert, dass das Schweizervolk den selben Abstimmungsfehler wie 1993 beim EWR-Nein gemacht habe, dass es „eine intolerante Form des Islam in der Schweiz nicht gebe“ und interviewt den umstrittenen 81-jährigen „Islamkenner“ Hans Küng, welcher verkündet, dass der Schweizer Souverän „auch falsch entscheiden kann“ und der das „konsternierende“ Abstimmungsresultat der „Unkenntnis“ und allzu grosser Selbstbezogenheit der Bevölkerung zuschreibt. Weiter weist der TA ausführlich darauf hin, dass die Initiative laut „Experten“ kaum umsetzbar und das letzte Wort deshalb noch nicht gesprochen sei.

Das Resultat nicht akzeptieren will auch die Grüne Partei. Sie droht, eine Klage beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Strassburg einreichen zu wollen. Die Befürworter von Minaretten organisierten am vergangenen Sonntag in Bern und Zürich Protestveranstaltungen, bei welchen unter anderem der Eingang einer Zürcher SVP-Geschäftsstelle demoliert wurde (TA-News, 1.12.2009).

R.W.