Wann sind Sie zuletzt an Heiligabend mit Rollschuhen zur Christmette gefahren? Und wer achtet bei Ihnen darauf, ob die Kinder brav waren: die Weihnachtskatze oder der Samichlaus?

Von Ursula Baumgartner

Weihnachtsbräuche sind so verschieden wie Menschen, und doch kreisen sie alle um die gleichen urmenschlichen Themen wie beispielsweise Liebe, Versorgung, Glück und Glaube – manchmal auch Aberglaube.

So werden ukrainische Weihnachtsbäume mit künstlichen Spinnennetzen geschmückt, die Glück bringen sollen. Auch in Polen und Deutschland ist man überzeugt, ein Spinnennetz am Baum sei ein Glücksbringer. Von einem festlich geschmückten Baum ein klebriges Netz zu entfernen, ohne die restliche Dekoration zu demolieren oder eine empörte Spinne zu riskieren, ist allerdings recht schwierig. Auch darauf, noch während der Feiertage den Baum abzudekorieren und zu entsorgen, hat vermutlich kaum jemand Lust. So gesehen hat der Glaube daran, dass der ungebetene Gast Glück bringt, durchaus auch einen pragmatischen Aspekt.

Auch der polnische Brauch, dass die Geschenke erst ausgepackt werden, wenn das jüngste Kind den ersten Stern am Abendhimmel entdeckt, könnte praktische Gründe haben. Schliesslich ist das eine ideale Art und Weise, die Kinder vor der Bescherung zu beschäftigen.

Sie lassen sich die Zukunft lieber von Lebensmitteln vorhersagen? Dann verbringen Sie Weihnachten doch mal in der Slowakei. Hier wird Pudding als Orakel verwendet: Das älteste Familienmitglied wirft einen Löffel des Loksa-Weihnachtspuddings an die Decke. Je mehr an der Decke kleben bleibt, desto mehr Glück hat die Familie. Das klingt überzeugend, denn derjenige, auf dessen Kopf und Schultern der Rest des Puddings fällt, wird zumindest in diesem Moment nicht besonders glücklich sein. Bedenkt man allerdings, dass andere Quellen von süssen Kartoffelfladen sprechen statt von Pudding und dass diese auch nicht das Glück der Familie, sondern die Ernte des nächsten Jahres vorhersagen sollen, bekommt auch dieser Brauch schnell eine praktische Seite.

Auch Kleidung kann zur Weihnachtstradition gehören. Der „Christmas Jumper“ ist in England ein Muss. Egal, ob Rentier, Schneemann oder ein anderes kitschiges Motiv, der Weihnachtspullover ist ein Klassiker. In Island werden die Kinder, die an Weihnachten keine neue Kleidung tragen, sogar von der Weihnachtskatze Jólakötturinn gefressen – denn das bedeutet, dass sie nicht brav und fleissig genug für neue Kleidung waren.

Verglichen mit so manch skurrilem Brauch scheinen das Schmücken des Christbaums und das Aufstellen einer Krippe im trauten Heim, in einem Schaufenster oder der Kirche beinahe brav. Und doch bringt gerade letzteres vielen das Weihnachtsfest besonders nahe. Denn wenn man kleine Figuren der „Hauptpersonen“ für eine gewisse Zeit in seinem Wohnzimmer beherbergt, wird auch der eigene Bezug zum Weihnachtsgeschehen stärker. Viele andere Bräuche verdeutlichen eher, wofür Weihnachten steht: für Hoffnung, Freude, Liebe und eine Botschaft, die das Leben trägt und ihm Sinn und Ausrichtung gibt. Wenn Sie also dieses Jahr an Heiligabend in die Kirche gehen, um die Geburt des Christkindes zu feiern und diese frohe Botschaft zu hören, wundern Sie sich nicht, wenn Ihnen auf dem Weg dorthin jemand auf Rollschuhen begegnet – er folgt vermutlich dem Brauch der Hauptstadt Venezuelas, Caracas: Dort fahren die Gläubigen an Heiligabend mit Rollschuhen zur Kirche.