Mit Millionenbeträgen wollen die reformierte und katholische Kirche im Kanton Zürich nicht-anerkannte Religionsgemeinschaften unterstützen. Das Subventionspaket von insgesamt zwölf Millionen Franken soll primär den Muslimen zugutekommen. Dagegen regt sich Widerstand. Am 19. März 2024 hat das Parlament der reformierten Kirche als Erstrat das Vorhaben abgelehnt.

Von lic. iur. et theol. Niklaus Herzog

„Wenn Kirchen anfangen, Staatsgelder weiterzugeben, sollte ihnen der Beitrag gekürzt werden – sie haben ihn eigentlich nicht nötig“: Mit dieser Feststellung zielt der NZZ-Journalist Zeno Geisseler auf ein brisantes Vorhaben. Konkret geht es um einen Betrag von zwölf Millionen Franken, den die reformierte Kirche und die Römisch-katholische Körperschaft des Kantons Zürich spenden wollen, der Löwenanteil soll Muslimen zugutekommen. Diese Summe soll einem vom Staat alimentierten Topf entnommen werden, der dazu bestimmt ist, kirchliche Tätigkeiten von „gesamtgesellschaftlicher Relevanz“ abzugelten. Mittels eines Globalbudgets bewilligt der Kantonsrat jeweils einen sich über sechs Jahre erstreckenden Rahmenkredit von insgesamt 300 Millionen Franken. Mit dem Begriff „gesamtgesellschaftliche Relevanz“ sind primär kirchliche Leistungen insbesondere in den Bereichen Bildung, Soziales und Kultur gemeint (vgl. § 19ff. Kirchengesetz des Kantons Zürich).

Wer zahlt die Pfarrerlöhne?

Wie lässt sich dieser Zürcher Sonderfall eines zusätzlichen staatlichen Geldsegens für die anerkannten Kirchen erklären? Ein kurzer Exkurs in die Entstehungsgeschichte dieser im Fachjargon „historische Rechtstitel“ genannten Beitragszahlungen soll zum besseren Verständnis beitragen.

Im Gefolge der Reformation wurden die kirchlichen Vermögenswerte, vor allem die dem Unterhalt des Klerus dienenden sogenannte Benefizien, von den staatlichen Behörden entschädigungslos in Beschlag genommen und deren Erträge primär für die Finanzierung der Lebenshaltungskosten der protestantischen Geistlichkeit verwendet. Im 19. Jahrhundert gliederte der Staat diese bis anhin gesondert geführte Vermögensmasse in das Staatsvermögen ein und übernahm im Gegenzug nun endgültig deren Entlöhnung. Infolge der nach dem Zweiten Weltkrieg einsetzenden gesellschaftlichen Entwicklung mit ihrer konfessionellen Durchmischung stellt sich immer drängender die Frage nach der Legitimation dieses Privilegs, wurde doch damit ein kontinuierlich wachsender, nicht protestantischer Bevölkerungsanteil gezwungen, die Löhne der reformierten Pfarrerschaft über die ordentlichen Staatssteuern mitzufinanzieren.

Im Rahmen der grundlegenden Neuordnung des Verhältnisses von Staat und Kirche gab der Regierungsrat des Kantons Zürich ein bis heute nicht veröffentlichtes Gutachten in Auftrag, das zum Schluss gelangte, mit der jahrzehntelangen Bezahlung der protestantischen Pfarrerlöhne sei die Überführung des ehemaligen Kirchenvermögens ins Staatsvermögen längst abgegolten. In der Konsequenz wären damit die jährlichen Zahlungen von ca. 50 Millionen Franken des Staates zugunsten der reformierten Pfarrerlöhne hinfällig geworden. Doch damit wäre das Verhältnis zwischen Staat und Kirche nachhaltig gestört worden. Der damals zuständige Regierungsrat Markus Notter wollte einer solchen Konfrontation unbedingt aus dem Weg gehen. Er versuchte, das Dilemma zu lösen, indem er die Staatsbeiträge unabhängig von der Frage der Berechtigung bzw. Legitimation der sogenannten „historischen Rechtstitel“ neu aufgleiste. Die gleiche Summe sollte hinfort wie erwähnt für die Abgeltung kirchlicher Tätigkeiten von gesamtgesellschaftlicher Relevanz ausbezahlt werden.

Anerkennungsgesetz scheitert

Zusammen mit diesem Vorhaben wurde auch ein sogenanntes Anerkennungsgesetz in die Wege geleitet. Es sah vor, dem Regierungsrat die alleinige Kompetenz über die öffentlich-rechtliche Anerkennung weiterer Religionsgemeinschaften zu übertragen – über die Köpfe des Stimmvolkes hinweg. Diese Gesetzesvorlage wurde sowohl von offiziellen Vertretern sowohl der reformierten wie auch der katholischen Kirche tatkräftig unterstützt. Deren Motivation war allerdings nicht primär dem Anliegen einer interreligiösen Verständigung bzw. Integration nicht christlicher Religionsgemeinschaften wie dem Islam geschuldet, sondern verdankte sich vor allem handfesten materiellen Eigeninteressen. Mit der Erweiterung des exklusiven Kreises öffentlich-rechtlich anerkannter Religionsgemeinschaften sollte vielmehr proaktiv einer wachsenden gesellschaftlichen Strömung Paroli geboten werden, die eine vollständige Trennung von Kirche und Staat und damit das Ende der Kirchensteuern intendierten. SVP-nahe Kreise bekämpften diese Vorlage instinktsicher mit dem Plakat „Steuergelder für Koranschulen?“ und setzten sich an der Urne mit einem Stimmenmehr von 64,1 Prozent durch (Abstimmung vom 30. November 2003).

Ein neues, diesen Einwand berücksichtigendes Kirchengesetz, das erstmals in der Geschichte des Kantons Zürich sowohl für die reformierte als auch die katholische Kirche gilt, wurde per 1. Januar 2010 in Kraft gesetzt. Dort heisst es in § 19 Abs. 3: „Die kantonalen kirchlichen Körperschaften erhalten Kostenbeiträge, wenn sie eigene Programme zur Erbringung von Tätigkeiten mit gesamtgesellschaftlicher Bedeutung erstellen.“ § 19 Abs. 4 ergänzt: „Sie legen die Tätigkeitsprogramme für eine Dauer von jeweils sechs Jahren fest. Die Direktion wird dazu angehört.“ Im kommenden Herbst ist es wieder so weit. Das Zürcher Kantonsparlament wird dannzumal über die Beitragsperiode 2026–2031 mit einer Totalsumme von ca. 300 Millionen Franken zu befinden haben.

Was sich so unverfänglich anhört, birgt jedoch nicht zu unterschätzenden Zündstoff. Denn mit dem Begriff „Direktion“ ist die „für die Beziehungen zu den Kirchen zuständige Direktion des Regierungsrates“ gemeint (§ 1 Kirchengesetz), sprich die Direktion der Justiz und des Innern, der wiederum die SP-Frau Jacqueline Fehr vorsteht. Als solche ist sie nach Kräften bemüht, den Begriff „Anhörung“ im Sinne einer massiven Einflussnahme misszuverstehen.

Den Tarif gab sie im Interview mit dem «Blick» vom 17. September 2023 durch. Als Vehikel für ihren antikatholischen Rundumschlag diente ihr die kurz zuvor publizierte Pilotstudie mit den 1002 behaupteten, aber nicht belegten sexuellen Missbrauchsfällen in der Katholischen Kirche: „Wir brauchen keine kircheninterne Pseudo-Gerichtsbarkeit“; „Es braucht eine klare Gewaltenteilung. Ohne diese bleibt die Kirche eine Hochrisikozone“, polterte Fehr drauflos. Und mit Blick auf den Staatsbeitrag von jährlich 50 Millionen Franken drohte sie: „Ich rechne damit, dass der Kantonsrat das einfordern wird [sprich stärkere Bedingungen]. Auflagen bei den Staatsbeiträgen sind ein wirksamer Hebel, um dem Zaudern bei den Reformen ein Ende zu setzen.“

Es wäre dies ein eklatanter Missbrauch einer Gesetzesbestimmung (Zuweisung von Staatsbeiträgen für kirchliche Tätigkeiten von gesamtgesellschaftlicher Relevanz), die mit Missbrauchsfällen nichts zu tun hat.

Ihren Willen zur religionspolitischen Abrechnung manifestierte Fehr mit einer Personalie sui generis. Kaum war Franziska Driessen-Reding wegen Amtszeitbeschränkung unfreiwillig aus dem „Synodalrat der Römisch-katholischen Körperschaft des Kantons Zürich“ ausgeschieden, ernannte sie Jacqueline Fehr per 1. November 2023 zur Religionsdelegierten und als solche zuständig für die Beziehungen des Kantons zu den Zürcher Religionsgemeinschaften. In der Pressemitteilung der „Direktion der Justiz und des Innern“ wurden Driessens hohe Akzeptanz und breites Netzwerk hervorgehoben. Sie sei geradezu die „ideale Besetzung für die anstehenden Herausforderungen“. Die Äusserung Driessens, dass sie beim Anblick eines Priesters mit Römerkragen jedes Mal leer schlucken müsse, dürfte ihrer Bewerbung bzw. Berufung zumindest nicht geschadet haben – im Gegenteil.

Ausgesprochene Affinität zum Islam

Beide Frauen verbindet in eigenartigem Widerspruch zu ihrer penetrant feministischen Attitüde eine ausgesprochene Affinität zum Islam. Schon vor Jahren forderte Driessen die öffentlich-rechtliche Anerkennung des Islams, denn die Muslime seien zum Teil in zweiter Generation hier und hätten ein ganz anderes Verständnis ihrer Religion als in ihren Herkunftsländern. Fehr ihrerseits liegt ganz besonders die muslimische Seelsorge in Gefängnissen und Spitälern am Herzen. Sie war massgeblich an der 2017 erfolgten Gründung des mittlerweile als gemeinnützig anerkannten Vereins „Qualitätssicherung der Muslimischen Seelsorge in öffentlichen Institutionen“ (QuaMS) beteiligt. Dieser Verein wie auch die „Vereinigung der Islamischen Organisationen in Zürich“ (VIOZ) werden auf zweifelhafter gesetzlicher Grundlage seit Jahren vom Staat finanziell unterstützt. Allein im Jahre 2023 subventionierte der Kanton Zürich islamische Projekte mit einem Gesamtbetrag von Fr. 487 000.- (Organisationentwicklung VIOZ; Stärkung der gesellschaftlichen und politischen Teilhabe muslimischer Gemeinschaften; Sicherheitsprojekt VIOZ; muslimische Seelsorge).

Die reformierte und katholische Kirche verstanden diesen Wink mit dem Zaunpfahl. Für die Beitragsperiode 2026–2031 wollen ihre Exekutiven nun einen Gesamtbetrag von zwölf Millionen Franken für die Unterstützung nicht anerkannter Religionsgemeinschaften aufwenden, dies macht eine Million Franken pro Jahr und Konfession. Wie begründen Reformierte und Katholiken ihre Zwölf-Millionen-Spende?

Im Antrag des Synodalrates zuhanden der Synode der Römisch-katholischen Körperschaft heisst es: „Im Hinblick auf den sozialen und den kulturellen Zusammenhalt der Gesellschaft hat der Staat daran ein Interesse, dass religiöse Gemeinschaften über klare Strukturen und funktionierende Prozesse verfügen und in die schweizerische Gesellschaft integriert sind […] Im Rahmen ihres ökumenischen Tätigkeitsprogramms wollen die beiden Kantonalkirchen diese Unterstützung in den Jahren 2026–2032 fortsetzen und ausbauen. Zentrales Anliegen ist es, auf diese Weise dazu beizutragen, dass nicht-anerkannte Religionsgemeinschaften gut funktionierende, demokratische Strukturen aufbauen und Leistungen von gesamtgesellschaftlicher Bedeutung in der erwünschten Qualität erbringen.“

Esther Straub, Präsidentin des Kirchenrates der Evangelisch-reformierten Landeskirche des Kantons Zürich, schliesst sich diesen Argumenten an, insbesondere die Qualitätssicherung der muslimischen Seelsorge würde dadurch gestärkt. Was sie darunter versteht, erläuterte sie gleich mit einem anschaulichen Beispiel: „Von dieser Professionalisierung profitieren alle. Das Spital kann so darauf vertrauen, dass beispielsweise ein Imam eine hospitalisierte Frau nicht verurteilt, weil sie eine Abtreibung vorgenommen hat.“

Kritik von interner und externer Seite

Das Vorhaben stösst auf harsche Kritik, sowohl intern wie extern. So richtete der Synodale Michael Büchi bereits am 10. Dezember 2023 eine Anfrage an den Synodalrat der Römisch-katholischen Körperschaft, in welcher er der Befürchtung Ausdruck verlieh, dass Teile dieser Unterstützungsgelder fundamentalistischen Milieus des Islams zugutekommen könnten.

Mit diesem Vorhaben hart ins Gericht ging auch der NZZ-Journalist Zeno Geisseler. Für ihn ist es evident, dass die Weiterleitung staatlicher Gelder Sinn und Geist des Kirchengesetzes widerspricht und den einschlägigen Zweckartikel unterläuft. Denn, so Geisseler, damit kämen nicht mehr wie vom Gesetz intendiert alle Zürcherinnen und Zürchern in den Genuss des staatlichen Mannas, sondern primär die Angehörigen der jeweils begünstigten Religion.

Geisseler rechnet vor: „Im Kanton Zürich gibt es rund 100‘000 Muslime. Es wäre zumutbar, dass sie die Kosten für eine Stärkung ihres Verbands, 10 Franken pro Kopf und Jahr selbst tragen und sich nicht von einer fremden Religionsgemeinschaft finanzieren lassen.“ Deshalb sein Verdikt: „Konsequenterweise sollte der Zürcher Kantonsrat den Staatsbeitrag an die Landeskirchen um die zwölf Millionen Franken kürzen, für die sie offensichtlich keine eigene Verwendung finden. Angesichts der zunehmenden Säkularisierung der Zürcher Bevölkerung sind Pauschalzahlungen aus der Staatskasse an Religionsgemeinschaften sowieso je länger, je weniger zu rechtfertigen.“

Geisselers Argumentation ist beizupflichten. Mehr noch als die Spende als solche befremdet die Art und Weise ihrer Begründung. Im diesbezüglichen Antrag des Synodalrats an die Synode wird unumwunden eingeräumt, dass die anerkannten Kirchen damit als Lückenfüller einspringen müssten, weil dem Kanton zurzeit noch die gesetzlichen Grundlagen fehlten, um „regelmässige Kostenbeiträge an nicht-anerkannte Religionsgemeinschaften zu entrichten“.

Tatsache ist, dass eben dieser Kanton schon seit Jahren regelmässig auf Betreiben Fehrs Beiträge an nicht-anerkannte Religionsgemeinschaften entrichtet, gesetzliche Grundlage hin oder her. Im vergangenen Jahr waren es stattliche 487‘000 Franken allein für muslimische Projekte. Ein solches Vorgehen ist rechtsstaatlich mehr als bedenklich. Reformierte und katholische Kirche dürfen diesem Ansinnen, die vom Stimmvolk verweigerte öffentlich-rechtliche Anerkennung weiterer Religionsgemeinschaften per Salamitaktik durch die Hintertüre einzuführen, keinesfalls Hand bieten. Im Fall der katholischen Kirche ist dieses Vorhaben vor den Hintergrund massiv gestiegener Austrittszahlen finanzpolitisch nicht zu verantworten. Gemäss Vorschlag des Synodalrates der Römisch-katholischen Körperschaft soll der Betrag von gegenwärtig 205‘000 Franken auf rund eine Million erhöht werden: eine Verfünffachung also.

Die vorstehend zur Sprache gebrachte Kritik zeigt Wirkung. Wie soeben bekannt wurde, hat das Parlament der reformierten Kirche des Kanton Zürich am 19. März 2023 den Rahmenkredit von 6 Millionen Franken zur Unterstützung nicht-anerkannter Religionsgemeinschaften mit 98 zu 6 Stimmen bei 2 Enthaltungen abgelehnt. Zu diesem wuchtigen Nein hat ausgerechnet Regierungsrätin Jacqueline Fehr selbst beigetragen. Dass ein spezifischer Zusammenhang zwischen Antisemitismus und Islam besteht, ist für sie wie für viele Linke schlicht tabu. Nachdem am 2. März 2024 ein 15-jähriger Muslime in Zürich einen orthodoxen Juden niedergestochen und lebensgefährlich verletzt hatte, reagierte Fehr ihrem ideologischen Raster entsprechend mit einer vorschnellen Schuldzuweisung: „Der Täter ist hier aufgewachsen. Welche Schuld trägt Tunesien an dem, was er gemacht hat? Das ist unsere Verantwortung“ („Tages Anzeiger“-Interview vom 15. März 2024). Eben nicht! Gemäss neuesten Recherchen der NZZ hat der glühende IS-Anhänger mehrere Jahre seiner Kindheit und Schulzeit in Tunesien verbracht.

Die Synode der Römisch-katholischen Körperschaft wird im kommenden April über einen gleichlautenden Antrag entscheiden. Auf das Ergebnis darf man gespannt sein.

Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung von swiss.cath.