In Ägypten geht auch an diesem orientalischen Weihnachten die Angst um: Die koptischen Christen fürchten sich vor islamistischen Anschlägen auf ihre Christmetten in der Nacht von Donnerstag auf Freitag. Denn die ägyptischen Orthodoxen feiern wie in Russland und Serbien auch erst am 6. und 7. Januar das Fest der Geburt Jesu. So die griechischen Mönche auf dem Sinai, vor allem aber im Niltal an die 15 Millionen Kopten. Diese Nachkommen der alten Pharaonen stellen in Oberägypten sogar noch heute, bald 1500 Jahre nach der islamisch-arabischen Invasion, eine 60 bis 80prozentige Bevölkerungsmehrheit dar. Wie zuletzt unter Präsident Nasser für die nationalistischen Araber sind sie nun schon seit Jahren zunehmend den Politislamisten ein Dorn im Auge.
Das alte Jahr hatte für die koptischen Christen mit dem Feuerüberfall auf friedliche Kirchgänger in Nag Hamadi am oberen Nil begonnen. Und ebenso ist 2010 noch verheerender mit dem Autobomben-Attentat von Alexandria zu Ende gegangen. Wieder galt der Anschlag christlichen Gläubigen, die nach dem Mitternachtsgottesdienst ihre Kirche verliessen. Seit Nag Hamadi hätte die ägyptische Polizei eigentlich auf der Hut sein und die koptischen Kirchen entsprechend bewachen müssen. Erst recht nach dem Morden vom 31. Oktober in einer Bagdader Kirche. Dafür hatte die globale islamistische Terrororganisation Al-Kaida direkt die Verantwortung übernommen und ihre nächsten Schläge für Ende 2010/Anfang 2011 in Ägypten angekündigt.

Auch vom militanten Moslemuntergrund am Nil wurde diese Drohung begierig aufgenommen und mit der Vorbereitung eigener Gewaltakte begonnen. Nur das im Herzen ebenso christenfeindliche Regime von Staatschef Mubarak wollte all die warnenden Vorzeichen nicht ernst nehmen. Der Regierungschef liess seine christliche Minderheit ohne Schutz. Erst nach dem Blutbad von Alexandria beteuerte er ihr seine Sympathie. Statt Al-Kaida und die eigenen Islamisten als in erster Linie Verdächtige beim Namen zu nennen, sprach Mubarak nur vage von „ausländischen Hintermännern“. Damit sind aber nach ägyptischer Sprachregelung Israel und seine westlichen Verbündeten gemeint, die Ägypten durch solche von ihnen provozierte Akte schwächen wollten.

Vor weiteren Attentaten zu diesen ägyptischen Weihnachten müssen sich inzwischen nicht nur die Kopten fürchten. Auch das politische Überleben des 83jährigen Hosni Mubarak steht nun auf dem Spiel. Allzulang hat er die wachsende Islamistenunrast, der schon 1981 sein Vorgänger Sadat zum Opfer gefallen war, auf den Sündenbock christliche Minderheit abgelenkt, sein Regime jedoch im westlichen Ausland als Bollwerk gegen den Politislam vermarktet. Als notwendiges Übel wurde die Mubarak-Diktatur von USA, NATO und EU daher trotz ihrer demokratischen Mängel und Menschenrechtsverletzungen geduldet, das aber immer mehr zähneknirschend. Doch nach dem jüngsten massiven Wahlbetrug von Mubaraks „nationaldemokratischer“ Fast-Einheitspartei am 28. November und erst recht dem Christenmord in Alexandria zum neuen Jahr gibt es auch international keine Schonfrist für Ägyptens seit 30 Jahren amtierenden „ewigen“ Präsidenten mehr: Wird mit seinem Zulassen das Leben der Kopten in Ägypten weiter aufs Spiel gesetzt, so geht es in Kairo auch um Mubaraks Kopf.

Von Heinz Gstrein