Im Hinblick auf den Weltfrauentag vom 8. März veröffentlichte das Hilfswerk für verfolgte Christen Open Doors einen Bericht zu geschlechtsspezifischer religiöser Verfolgung. Die Forschungsabteilung von Open Doors, World Watch Research, analysiert in „2020 Gender-Specific Religious Persecution‟ eingehend, wie sich Verfolgung für Männer und Frauen, die sich zum christlichen Glauben bekennen, nach Art und Häufigkeit unterscheidet.

Christliche Frauen und Mädchen erfahren demnach Verfolgung und Unterdrückung vor allem aus zwei Gründen: weil sie einem Glauben folgen, der von der Mehrheitsreligion im jeweiligen Land nicht akzeptiert wird und weil sie Frauen sind. Das Zusammenwirken dieser Faktoren führt zu einer besonders hohen Verwundbarkeit für Frauen. Häufig basiert die Strategie der Täter dabei auf folgender Überlegung: Werden christliche Mädchen zwangskonvertiert und mit einem der Mehrheitsreligion zugehörigen Mann verheiratet, so wird es weniger Babys von Christinnen geben. Die christliche Bevölkerung soll abnehmen bzw. unter Druck zu Konversion gezwungen werden, um die Religionsgemeinschaft der Täter zu stärken. Diese Form der Verfolgung von Frauen tritt besonders stark in mehrheitlich muslimischen Ländern auf.

Laut den Analysten des Berichts nutzen die Verfolger zum einen die bestehenden gesellschaftlich definierten Geschlechterrollen und zum anderen die Verletzlichkeit der Christinnen als Angehörige einer Minderheitsreligion.

Zu Glaubenswechsel und Ehe gezwungen

Während sich Verfolgung von christlichen Männern und Jungen zumeist in Form körperlicher Gewalt sowie wirtschaftlicher Schikane und Inhaftierungen äussert, sind christliche Frauen und Mädchen weltweit besonders häufig von zwei Formen von Verfolgung betroffen: sexuelle Gewalt und Zwangsheirat. Diese beiden wurde aus 84 % der 50 Länder des Weltverfolgungsindex gemeldet und damit aus allen Regionen der Welt, gefolgt von physischer Gewalt (64 %).

Aus fast allen (78 %) der in Asien gelegenen Länder des Weltverfolgungsindex wurden sexuelle Gewalt und damit auch Vergewaltigung sowie Zwangsheirat als häufigstes Druckmittel gegen christliche Frauen genannt, gefolgt von Entführungen. Beispielsweise in Pakistan stehen besonders Mädchen und junge Frauen im Alter von 13 bis 20 Jahren in der Gefahr, entführt, vergewaltigt und zum Glaubenswechsel sowie zur Ehe mit dem Vergewaltiger gezwungen zu werden. Statt Schutz durch die Behörden erleben christliche Familien, dass die Behörden in der Regel die Familien der Täter schützen. Deshalb halten viele eine Anzeige bei der Polizei für zwecklos. Selbst wenn ein Fall vor Gericht kommt, werden die christlichen Mädchen unter Druck gesetzt, ihren Glaubenswechsel als „freiwillig‟ zu erklären. Mehr als 1.000 christliche und auch hinduistische Mädchen werden jedes Jahr auf diese Weise zur Ehe gezwungen.

In vielen Ländern begünstigt das niedrige gesetzliche Mindestalter für Eheschliessungen die Zwangsehen zusätzlich. Das gilt auch für Länder in Subsahara Afrika, wobei christliche Frauen und Mädchen in Nigeria – wie auch ihre Familien – seit Jahren besonders grosses Leid ertragen müssen. Sie werden durch die Islamisten von Boko Haram, ISWAP (Islamischer Staat Provinz Westafrika) und oft auch Fulani Viehhirten entführt, vergewaltigt, zwangskonvertiert, als Sex-Sklavinnen verkauft und manchmal auch getötet. In dieser Region wurden im Berichtszeitraum* auch die meisten Christen ermordet und viele Kirchen, Häuser sowie Geschäfte von Christen zerstört.

Viele der betroffenen Frauen und Mädchen fühlen sich wie „lebendig begraben‟, weil sie zumeist versteckt, eingesperrt und von ihrer Familie und der christlichen Glaubensgemeinschaft getrennt werden. So dringt wenig über ihr Leiden nach aussen.

Unterstützung über den Weltfrauentag hinaus

Deshalb ist es wichtig, über den Weltfrauentag hinaus auf das grosse Leid verfolgter und unterdrückter Frauen und Mädchen aufmerksam zu machen. Länder wie die Schweiz, die sich der Einhaltung der Menschenrechte verschrieben haben, können und müssen für eine anhaltende Verbesserung ihrer Lage eintreten. Weil Frauen aus religiösen Minderheiten zweifache Verfolgung erleiden, ist es wichtig, sowohl ihre Rechte als Frauen als auch ihr Recht auf Religionsfreiheit zu stärken.

„Wir feiern den Weltfrauentag in der Kirche‟, sagt Estella (Name geändert). Sie arbeitet für einen Partner von Open Doors in Kolumbien und weilt gegenwärtig in der Schweiz. Christinnen werden in ländlichen Gebieten Kolumbiens oft zu Opfern von der Drogenmafia und Paramilitärs. Ihre Männer werden ermordet und sie bleiben als Witwen zurück. Ihre Töchter werden von der Drogenmafia oder (ehemaligen) Guerilleros als Sex-Sklavinnen rekrutiert. Oder aber sie müssen ihre Kinder in Internatsschulen, wie Partner von Open Doors einige in Kolumbien führen, in Sicherheit bringen und sehen sie, wenn überhaupt, nur einmal im Jahr.

„Innerhalb der verfolgten Kirche rufen wir zur Solidarität auf. Wir wollen als Frauen zusammenstehen und besonders an die Opfer der Verfolgung denken. Zum Beispiel an die Witwen, die am stärksten betroffen sind. Wir zeigen ihnen, dass man sie nicht vergessen hat. Ich wünsche mir, dass die Frauen in der Schweiz an uns denken, da wir ja alles Frauen aus einer weltweiten Kirche sind.‟ Estella stuft den Tag als sehr wichtig ein, „da es der Tag für uns ist, an dem wir gehört werden. Verschiedene Frauen aus unseren Gemeinden in Kolumbien besuchen an diesem Tag jeweils andere Frauen, damit sie merken, dass sie nicht alleine sind.‟

* Berichtszeitraum ist der 1. November 2018 bis 31. Oktober 2019, die Ergebnisse im Bericht beziehen sich auf die 50 Länder des Weltverfolgungsindex.

Quelle: Open Doors Schweiz, 6.3.2020