Im Jahr 2015 gab es in Indien mit 355 gemeldeten Übergriffen nahezu einen Angriff auf Christen pro Tag. Nur wenige Tage vor der Veröffentlichung des Berichts waren im Bundesstaat Madhya Pradesh 12 Personen unter dem Vorwurf verhaftet worden, gegen das dort geltende Anti-Bekehrungsgesetz verstossen zu haben. Dieweil meldet der Welt-Hindu-Rat dass 500’000 Christen und 250’000 Muslime „zurückbekehrt“ worden seien.
Während die in Madhya Pradesh Verhafteten keine Christen waren und die Polizei in ihrem Fall vermutlich einer unzureichend geprüften Anschuldigung nachging, dienten Anti-Bekehrungsgesetze landesweit als Basis für hunderte Verhaftungen von Christen. Die Gesetze richten sich offiziell gegen jeglichen Wechsel der Religionszugehörigkeit, der mittels „Verführung“ oder „Gewaltanwendung“ herbeigeführt wurde. In der Praxis liefern sie häufig allerdings nur den rechtlichen Rahmen, um gegen Christen mit hinduistischem Hintergrund vorzugehen.

Joseph Dias, Hauptverantwortlicher des «Catholic Secular Forum», erklärte im Gespräch mit der Menschenrechtsorganisation Open Doors: „Unter den 355 Übergriffen waren 200 schwere Vorfälle.“ Dazu gehörten die Ermordung von sieben Pastoren, Vergewaltigungen von Nonnen sowie zahlreiche Verhaftungen. Joseph Dias illustrierte die unrühmliche Rolle der Regierung anhand zweier Beispiele: Schwester Bertilla Capra, eine italienische Nonne, arbeitet seit über 40 Jahren unter Leprakranken. Kürzlich verwehrten ihr die Behörden die fällige Erneuerung ihres Visums. Oder der russisch-orthodoxe Priester Hegumen Seraphim wurde bei der Ausreise am Flughafen von Chennai in Gewahrsam genommen und sieben Stunden lang von den Sicherheitsbeamten ohne Nahrung festgehalten. Die eingeschaltete russische Botschaft nannte den Vorgang „inakzeptabel“.

Dias sieht in der Häufung und Schwere der Vorfälle „ein gezieltes Vorgehen gegen Christen auf allen Ebenen.“ Die Hauptverantwortung für den Negativ-Trend sieht er bei der indischen Regierung, die von der Bharatiya Janata Party gestellt wird und als hindu-extremistisch gilt. „Ihre Machtergreifung hat hindu-nationalistischen Randgruppen starken Auftrieb verliehen“, konstatiert Dias. „Sie sehen in den Christen leichte Opfer, gegen die man unter der BJP-Regierung ungestraft vorgehen kann.“

Unterdessen gibt es weiterhin starke Anstrengungen, zum christlichen Glauben übergetretene Hindus zum Hinduismus zurückzubringen. So verkündete der Präsident des Welt-Hindu-Rates (VHP) Praveen Togadia am 8. Januar 2016, innerhalb der letzten zehn Jahre habe man erfolgreich 500’000 Christen und 250’000 Muslime im Rahmen der zu diesem Zweck veranstalteten „Ghar Whapsi“ Feste „zurückbekehren“ können. Jedoch nur zwei Tage später warnte VHP-Generalsekretär Y. Raghavulu, jedes Jahr würden 800‘000 Hindus zu einem anderen Glauben „bekehrt“. In den Augen des christlichen Aktivisten John Dayal nicht viel mehr als propagandistische Rhetorik, um die eigenen Anhänger aufzuwiegeln: „Solche Aussagen sind Ausdruck von unverhohlenem Hass, um weitere Gewalt zu provozieren … Tatsächlich soll die Bevölkerung weiter polarisiert und gegen religiöse Minderheiten aufgebracht werden, besonders gegen Christen.“

Das Kasten-System gewinnt zudem unter der jetzigen Regierung wieder an Bedeutung, was das soziale Leben vieler Menschen wieder verstärkt einschränkt. Auf dem Open Doors Weltverfolgungsindex rangiert Indien aktuell an 17. Stelle unter den Ländern, in denen Christen weltweit wegen ihres Glaubens verfolgt werden.

Quelle: Open Doors