In diesen Tagen feiern wir Weihnachten – und das nicht nur in Europa, sondern in der ganzen Weltkirche. Über die Situation und Bräuche von Christen auf anderen Kontinenten sprach Eva-Maria Vogel mit der Geschäftsführerin des Hilfswerks „Kirche in Not“ Deutschland, Karin Maria Fenbert.
Frau Fenbert, wie wird in der Weltkirche Weihnachten gefeiert?

Die Vielfalt der Bräuche ist bemerkenswert. In Russland gibt es beispielsweise ein „Heiliges Mahl“ am Heiligen Abend. Dabei verspeist man nicht weniger als zwölf Gerichte, eines für jeden Apostel Jesu. Die Mexikaner beginnen ihre Weihnachtsfeiern schon am 15. Dezember mit der symbolischen Suche Maria und Josefs nach einer Herberge. Bei dieser „Herbergssuche“ geht es feuchtfröhlich zu und es gibt „Ponche“, eine Art Bowle. An Weihnachten selbst wird um Mitternacht das Jesuskind in die Krippe gelegt, als Zeichen der Geburt. Erst danach werden die Geschenke geöffnet. Das typische Weihnachtsgebäck in Äthiopien – ein Land, in dem über die Hälfte der Bewohner Christen sind – sind Brotfladen, sogenannte „Injeras“. Hungern muss deswegen aber niemand – die Fladen werden zu üppigen Fleischgerichten gereicht. In westlich geprägten Kulturen ähneln sich die Bräuche dagegen sehr. Allerdings fehlen ab und zu die „Rohstoffe“ für die europäische Art des Feierns: In Australien beispielsweise werden Adventskränze aus den sogenannten „Wattle Trees“ gemacht – das sind jene Bäume, die für die Bumerangherstellung benötigt werden. In Indien laden Christen mancherorts Muslime und Hindus zur Weihnachtsmette ein – ein Angebot, was grossen Anklang findet.

Ist das auch in anderen Ländern verbreitet?

Es ist weltweit eine gute nachbarschaftliche Sitte, dass man sich gegenseitig zu den grossen Festen einlädt, soweit das mit dem jeweiligen Glauben vereinbar ist. Im Nahen Osten und Afrika ist es üblich, dass die Christen Muslime zur Feier des Oster- und Weihnachtsfestes einladen und im Gegenzug auch das Fastenbrechen am Ende des Monats Ramadan besuchen. Wie diese Geste angenommen wird, ist ein gutes Mass für die interreligiösen Beziehungen in einem Land. Wenn man schon nicht gemeinsam betet, so kann man doch gemeinsam feiern und sich so menschlich näher kommen. Gerade in Ländern mit Bürgerkriegsgefahr ist das unschätzbar wertvoll.

Wie gross ist das Interesse an Weihnachten in den ehemaligen Ostblockstaaten, die atheistisch geprägt waren?

In Russland hat das Weihnachtsfest den Kommunismus als Institution nur überleben können, weil man es auf den Jahreswechsel gelegt hat. Seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion bemüht sich die Kirche, das Fest wieder im alten Glanz zu feiern. Der Zulauf ist dabei gross, denn die Menschen sehnen sich nach religiösem Erleben, nach Symbolik und Mystik. Allerdings gleitet diese Sehnsucht auch oft in Kitsch und Aberglauben ab. Viele nutzen Weihnachten auch nur, um dem neuen Materialismus zu frönen, aber ich denke, da sind die Russen nicht besser oder schlechter als wir im Westen: Wer kennt schon noch den Unterschied zwischen Nikolaus und Weihnachtsmann?

Ist das Fest der Nächstenliebe eine Chance für Christen und Nicht-Christen, mehr aufeinander zuzugehen und das Fest miteinander zu feiern?

Theoretisch ja. In der Praxis muss man leider sagen, dass christliche Gemeinden weltweit besonders in der Weihnachtszeit durch den Hass Andersgläubiger bedroht sind. In Ländern mit starken islamistischen Strömungen wie im Irak, in Nigeria oder Pakistan, oder dort, wo gesellschaftliche Vorbehalte gegen die christliche Lehre herrschen, wie zum Beispiel in einigen Teilen Indiens, nutzen Fanatiker die Feiern der Weihnacht, um die verhassten Christen anzugreifen und empfindlich zu treffen. Es vergeht fast kein Jahr, in dem wir nicht Anschlagsmeldungen rund um Weihnachten verbreiten müssen. Und auch im Westen nehmen – teilweise auch handgreifliche – Störungen der Weihnachtsfeierlichkeiten zu. Die Täter sind oftmals radikale Atheisten. Es fällt auf, dass gerade jene, die Toleranz am lautesten einfordern, sie am stärksten mit den Füssen treten.

Meistens werden Geschenke mit Weihnachten verbunden. Jetzt hat gerade Papst Franziskus dem Konsum den Kampf angesagt. Welche Geschenke sollte man wählen, um trotzdem den Lieben Freude zu bereiten?

Ein Geschenk nach dem Herzen des Papstes ist wohl garantiert eines, das die Gemeinschaft und die Liebe zueinander vertieft. Dabei ist das Preisschild zweitrangig, und der Kreativität sind keine Grenzen gesetzt. In vielen Ländern werden einfach kleine symbolische Geschenke der Zuneigung gemacht – das „Hauptgeschenk“ ist die Gemeinschaft, die Gnade, zusammen feiern und fröhlich sein zu dürfen.

Zur Weihnachtszeit rufen Sie vermehrt zu Spenden auf. Welche Projekte liegen Ihnen weltweit besonders am Herzen?

Als pastorales Hilfswerk haben für uns langfristige Projekte den Vorrang, die den Menschen vor Ort die Möglichkeit geben, sich wieder selbst zu helfen. Es ist verständlich, dass die Spendenbereitschaft für akut gefährdete Menschen wie zurzeit auf den Philippinen oder in Syrien besonders hoch ist. Mindestens genauso wichtig ist es aber, den Menschen in Afrika und im Mittleren Osten eine Heimat im Glauben zu geben. In vielen Ländern der Erde ersetzt die Kirche das soziale Netz, sind die Priester die einzige verlässliche Autorität auf hunderten Quadratkilometern. Diese Tatsache vergessen wir in Europa gerne. Wir leben in einem funktionierenden Staat, doch in der Dritten Welt hält oft nur noch die Kirche die Gesellschaften aufrecht. Diese Institution flächendeckend zu stützen ist viel wichtiger als akute Nothilfe. Deshalb bitten wir: Helfen Sie der Kirche in Not – überall, wo sie Hilfe braucht.