Die Natur kennt eine unendliche Fülle an Tieren. Ist das erstaunlich? Nein, denn Gott selbst hat sie einzigartig, wunderbar und grossartig geschaffen. Eine imaginäre Begegnung mit einem der unvergleichlichsten Tiere unseres Planeten.
Darf ich mich vorstellen: Mein Name ist Ornithorhynchus anatinus, zusammengesetzt aus dem griechischen „ornithos“ für „Vogel“ und „rhynkhos“ für „Schnabel“. Anatinus wiederum bedeutet „wie eine Ente“. Die Angelsachsen haben mich mit dem griechischen Namen „Platypus“ geschmückt, was so viel wie „Plattfuss“ heisst. Aber meine Füsse sind gar nicht platt, sondern mit Schwimmhäuten versehen. Ohne arrogant sein zu wollen, ich bin echt ein unglaubliches Tier! Als mich im 19. Jahrhundert britische Forscher entdeckten, glaubten sie zunächst an einen Studentenscherz: „Ein Entenschnabel, Körper und Schwanz eines Bibers und Pfoten wie ein Fischotter: unmöglich, dass so ein Tier existiert!“ Aber es gibt mich trotzdem! Übrigens ist es nicht nur mein Aussehen, das mich zu einem ausserordentlichen Lebewesen macht.

Ein eierlegendes Säugetier

So legt mein Weibchen, obwohl wir Säugetiere sind, Eier. Ja, Eier, Sie lesen richtig. Ein bis drei davon entwickeln sich während 28 Tagen in der Gebärmutter. Im Vergleich dazu bleiben sie bei den Vögeln nur einen Tag. Danach behält sie die Mutter unter ihrem Körper und Schwanz im Warmen. Sie stillt sie auch. Da sie aber keine Zitzen besitzt, sondert sie die Milch durch kleine Öffnungen im Fell aus. Ihre Jungen sind winzig, gerademal so gross wie eine Bohne. Sie kümmert sich etwa vier Monate um sie, so lange, bis sie selber schwimmen können. Denn obwohl wir Erdhöhlen haben, die wir besonders während der Fortpflanzungszeit als Nest nutzen, leben wir hauptsächlich im Wasser.

Ich verbringe jeden Tag rund zwölf Stunden, um meine Nahrung zu suchen. Warum so lange? Weil ich täglich 20 Prozent meines Körpergewichts essen muss! Als Fleischfresser gestalte ich meine Unterwasserjagt so: Nachdem ich meine Beute – kleine Krustentierchen, Würmer und Insektenlarven – mit meinem Schnabel aufgespürt habe, lagere ich sie in meinen Hängebacken. Anschliessend verzehre ich sie genüsslich am Ufer. Da ich keine Zähne habe, „kaue“ ich meine Mahlzeiten mit Hilfe der Kieselsteinchen, die ich mit meiner Tagesration aus dem Wasser aufgenommen habe.

Ein komischer Jäger

Noch eine andere meiner „ausserordentlichen“ Eigenschaften: Ich schwimme mit geschlossenen Ohren und Augen. Wie aber erkenne ich dann meine Beute? Ganz einfach: durch Elektroortung! Das bedeutet, dass ich meine Nahrung über ihr elektrisches Feld ausfindig mache. Ich nehme die Vibration der Tiere mit Hilfe von Rezeptoren an meinem Schnabel wahr. Und beim Schwimmen bin ich das einzige Säugetier, das nur seine Hinterpfoten verwendet! Schliesslich bin ich auch das einzige „bewaffnete“ Säugetier. Wir Männchen haben einen 15 mm langen giftigen Stachel am Knöchel. Ich benutze ihn, um mich gegen Raubtiere zu verteidigen und im Kampf während der Paarungszeit. Ansonsten habe ich ein eher friedliches Naturell und freue mich jeden Tag daran, dass der Schöpfer aus mir eine so wunderbare Kreatur gemacht hat!

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Olivier von Sury hat vor seiner Tätigkeit als Geschäftsmann Biologie studiert. Seine Leidenschaft für die Soziobiologie, welche das Sozialverhalten von Tieren untersucht, ist ungebrochen.

Olivier von Sury