Die absehbaren Probleme in der Finanzierung der Altersvorsorge führt zum Ruf nach höherem Rentenalter. Wenn dieses aber starr festgelegt wird, wird man den Realitäten nicht gerecht. Zu fragen ist, wer schon heute länger arbeitet und aus welchen Gründen oder mit welchen Motiven.

Eine Untersuchung des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung (BiB) hat ergeben, dass es vor allem die gut Ausgebildeten sind, also jene, die schon zur Berufszeit einer für sie erfüllenden und sinnvollen Tätigkeit nachgegangen sind, die weiter arbeiten wollen. Von ihnen sind knapp 90 Prozent davon überzeugt, dass ihr Wissen wichtig ist, für die Gesellschaft wie für sie selbst. Eine zweite Gruppe sind die Selbständigen. Ihr Anteil an den Weiterarbeitenden ist doppelt so hoch wie bei der Erwerbsbevölkerung unter 65. Für sie gilt auch: Wissen macht aktiv. Erfahrung treibt um.

Die Zahlen steigen

In Deutschland hat sich die Zahl derer, die nach 65 weitermachen, seit 15 Jahren fast verdreifacht und liegt jetzt bei mehr als 830’000. In Gruppe der 65 bis 70-Jährigen arbeitet jetzt jeder zehnte, Tendenz steigend. In der Schweiz liegen genauere Zahlen unseres Wissens nicht vor. Das deutsche Institut für Demografie, Allgemeinwohl und Familie hat nach den Gründen und Motiven gefragt und dabei herausgefunden:

–        Für viele Rentner ist das durchschnittliche Monatseinkommen zu wenig, um den Lebensstandard zu halten.

–        Andere fühlen sich zu rüstig und sind voller Schaffenskraft oder jedenfalls bereit, weiter zu arbeiten. Kaum einer will den Fernsehabend zum Fernsehtag machen. Sie wollen fit bleiben.

–        Für wieder andere geht es nicht um Gesundheit, auch nicht um Geld, sondern um Sinnfindung, um das Nützlich-Sein, um Selbstverwirklichung, um soziale Aspekte.

–        Eine weitere Gruppe sucht soziale Kontakte und Anerkennung. Die Motive sind individuell verschieden. Nach einer Umfrage des Marktforschungsinstituts Grieger und Cie. ist das Hauptmotiv zum Weiterarbeiten für drei Viertel der künftigen Rentner das Geld. Jedenfalls wollen 75 Prozent nur gegen Geld weiter arbeiten. Aber das ist vielleicht die Angst vor einem Wohlstandsverlust und vor Einsamkeit. Denn von den Rentnern selbst sagen nur sieben Prozent, das Geld sei das Hauptmotiv. Die große Mehrheit will aktiv und nützlich bleiben und einen Sinn im Leben haben. Den sieht sie in der Selbstverwirklichung, im Spass an der Arbeit, in der Anerkennung oder wie die Soziologen sagen, in der  „sozialen Erwünschtheit“.

Etliche Hindernisse

Doch es gibt auch zahlreiche Hürden, die das Weiterarbeiten erschweren. In staatlichen Institutionen wie zum Beispiel Universitäten, aber auch in Kirchen, läuft das Arbeitsverhältnis mit dem Erreichen des AHV Alters definitiv aus. Wer weiter arbeiten will, muss dies im Mandatsverhältnis (so zum Beispiel bei den SBB) oder bei einem andern Arbeitgeber tun. Die Möglichkeiten, nach dem AHV-Alter noch sein Alterseinkommen zu verbessern, sind begrenzt. Zudem ist das AHV-Alter ein Politikum und damit heftig umstritten, obwohl immer öfter die Abschaffung eines fixen Rentenalters gefordert wird, sodass man sich ohne grössere Nachteile für eine früheres oder späteren Renteneintritt entscheiden könnte. Dies würde aber auch bedingen, dass die Arbeitgeber bereit sind, ältere Menschen länger arbeiten zu lassen oder anzustellen, und hier hapert es noch gewaltig. Eine Umfrage von Avenir Suisse bei Personalverantwortlichen von 804 Unternehmen zeigt: Bei freiwerdenden Stellen würden nur sechs Prozent der Firmen bei gleicher Eignung den älteren, über 50-jährigen Bewerber anstellen. Auch bei der Flexibilität für einen kontinuierlichen Abbau der Wochenarbeitszeit nach einem gewissen Alter besteht Nachholbedarf.

Ausserhalb der genauen Statistik

Zu bedenken ist aber auch, dass Pensionierte längst nicht nur dem Vergnügen huldigen. Sie leisten für die Gesellschaft unverzichtbare Dienste im diakonischen, sozialen, politischen und familiären Bereich. Nur dass diese Dienste nicht mehr bezahlt und damit nicht ins Brutto-Inlandprodukt einfliessen! Die Einsatzstunden gehen daher nach Schätzungen in die Millionen, aber es sind halt nur Schätzungen.

Quelle: Schweizerische Stiftung für die Familie