Überraschend deutlich hat das Stimmvolk im Kanton Wallis Ende November 2022 mit 75 Prozent dem umstrittenen Gesetz über Beihilfe zur Sterbehilfe zugestimmt. Institutionen mit öffentlichem Auftrag müssen fortan die Sterbehilfe zulassen und müssen ihr Reglement entsprechend anpassen. Ein bedenklicher Entscheid.

Von  Ralph Studer und Beatrice Gall

Das Personal darf zwar in den Vorgang nicht direkt involviert sein. Und private Alters- und Pflegeheime dürfen immerhin weiterhin die Sterbehilfe in ihren Räumlichkeiten verweigern. Doch der Entscheid baut Druck auf ältere Menschen auf und leitet eine gefährliche Todesspirale ein. Dass die Sterbehilfeorganisationen das Abstimmungsergebnis begrüssten, dürfte wenig überraschen. Paul Martone, Sprecher des Bistums Sitten, hingegen zeigte sich über das Abstimmungsergebnis enttäuscht: „Ein assistierter Suizid hilft einem Menschen nicht beim Sterben, sondern zum Sterben.“ Martone warnte eindringlich vor einer „Kultur des Todes“ und dass die Sterbehilfe in Alters- und Pflegeheimen salonfähig werden könnte.

Besonders aktuell ist auch das Thema im Kanton Zürich: Der Zürcher Kantonsrat hat noch im Frühling knapp für eine allgemeine Pflicht aller Alters- und Pflegeheime gestimmt, die Sterbehilfe in ihren Räumlichkeiten zuzulassen. Im Oktober 2022 kam der Kantonsrat auf diesen Entscheid zurück und beschloss, private Einrichtungen, die den assistierten Suizid ablehnten, von dieser Pflicht zu entbinden.

Dass Selbsttötungen mithilfe Dritter in der Schweiz in zehn Jahren um mehr als 350 Prozent zugenommen haben, darauf wies jüngst die Ethikerin und Direktorin des österreichischen Instituts IMABE, Susanne Kummer, in einem Artikel hin. Und sie zeigte: Betroffen sind vor allem ältere Menschen, besonders Frauen. Im Jahr 2020 hätten 1251 Schweizer Suizid mithilfe Dritter begangen – was einen neuen Höchststand bedeute, so die Ethikerin. Beides gehe aus den aktuellen Daten des Schweizer Bundesamts für Statistik hervor (3.10.2022). „Hier wird erneut deutlich wie sogenannte ‚Sterbehilfe‘-Organisationen mit ihrem Angebot de facto eine effektive Suizidprävention unterlaufen“, sagt IMABE-Direktorin Susanne Kummer.

Offiziell werden assistierte Suizide in der Schweiz nicht in die Suizidrate miteinberechnet, was laut Kummer zu einer „Verzerrung der Fakten“ führt. „Ein Suizid bleibt ein Suizid – auch wenn Dritte nach Absprache die Tötungsmittel zur Verfügung stellen. Prävention und nicht Angebote müssen oberstes Gebot bleiben.“

Vor diesem Hintergrund ist die Annahme der Abstimmung im Kanton Wallis Ende November zum umstrittenen Gesetz über Beihilfe zur Sterbehilfe ein Schritt in eine fatale Richtung, der ältere Menschen zunehmend unter Druck setzen wird, ihrem Leben frühzeitig ein Ende zu setzen.