Das Bistum Chur hat zur Prävention von Machtmissbrauch jeder Art im April 2022 einen Verhaltenskodex herausgebracht, den künftig jeder Mitarbeiter im kirchlichen Dienst verpflichtend unterzeichnen soll. Dass dies in verschiedenen Kreisen der Kirche Unmut hervorgerufen hat, erstaunt auf den ersten Blick, scheint das Anliegen doch ein wichtiges und gutes. Doch ein genauer Blick zeigt auch eine problematische Seite des Papiers.

So beklagt die katholische Volksbewegung „Pro Ecclesia“ in einer Stellungnahme vom 2. Mai 2022, dass dieses Papier „in schwerwiegender Weise im Widerspruch steht zu Glauben und Lehre der Katholischen Kirche“ und stützt sich dabei auf die Erläuterungen des Churer Priesterkreises. Dieser identifiziert sich zwar mit dem Anliegen der Prävention vor Machtmissbrauch. Aussagen wie „Ich verzichte auf pauschal negative Bewertungen von angeblich unbiblischem Verhalten aufgrund der sexuellen Orientierung“ oder „Einem Outing zu sexueller Orientierung stehe ich unterstützend zur Seite“ könne ein Priester jedoch nicht unterschreiben, weil ihm dadurch „betreffend die Verkündigung der Glaubens- und Sittenlehre ein Maulkorb umgehängt würde“. Auch der Satz „Ich anerkenne die sexuellen Rechte als Menschenrechte, insbesondere das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung“ kann einen Priester in Zeiten, in denen Abtreibung unter die Kategorie „sexuelle Selbstbestimmung“ eingeordnet werden soll, an der Ausübung seiner priesterlichen Pflichten hindern und in schwere Krisen stürzen.

Pro Ecclesia unterstützt darum das Anliegen des Churer Priesterkreises, das Unterzeichnen dieses Kodexes dem Gewissen des Einzelnen zu überlassen. Die Erklärung von Pro Ecclesia im vollständigen Wortlaut:

Erklärung der Katholischen Volksbewegung Pro Ecclesia

Mit Erschütterung hat die „Pro Ecclesia“ einen Erlass des Churer Diözesanbischofs Joseph Bonnemain zur Kenntnis genommen, durch den Priester gezwungen werden, ein Papier (Verhaltenskodex) zu unterzeichnen, das in schwerwiegender Weise im Widerspruch steht zu Glauben und Lehre der Katholischen Kirche. So sehr Richtlinien zur Vermeidung von Missbräuchen zu begrüssen sind, so sehr ist der Versuch zu verurteilen, unter diesem Deckmantel die LGBTQI-Ideologie im Bistum Chur zu implantieren (Zitat aus der Stellungnahme des Churer Priesterkreises).

Das im „Verhaltenskodex“ diktierte zukünftige Verhalten der Seelsorger steht nicht nur im Gegensatz zur überlieferten kirchlichen Lehre, sondern auch zu klaren Aussagen von Papst Franziskus. Dies ist umso stossender, als das Diktat aus Chur ohne Dialog und weitreichende Konsultation erfolgt ist. So wurde der Erlass nach Aussagen des Churer Priesterkreises nicht einmal dem diözesanen Priesterrat vorgelegt.

„Pro Ecclesia“ unterstützt deshalb den Einspruch des Churer Priesterkreises voll und ganz. Sie fordert die Bistumsleitung dazu auf, den Gewissensentscheid gegen dieses Papier zu respektieren. Dieser ist nicht gegen Kirche und deren Hierarchie gerichtet, sondern beruht mit wohlbegründeten Argumenten auf dem Bekenntnis zur gültigen Lehre, wie sie unser katholischer Glaube seit jeher verkündet.

Der Bischof von Chur, Joseph Bonnemain, hat bereits kurz nach der Stellungnahme des Priesterkreises mit einem Communiqué reagiert. Darin heisst es, dass er die Stellungnahme ernst nehme. Es bleibt abzuwarten, wie dies im Detail aussehen wird.

Die Stellungnahme des Churer Priesterkreises und der Verhaltenskodex kann hier nachgelesen werden: www.churer-priesterkreis.ch