Am 20. Dezember 2021 wird der „Tag der menschlichen Solidarität“ gefeiert. Vereine, Organisationen und Einzelpersonen machen Solidarität zum Thema und planen dazu Aktionen.

Von Regula Lehmann

Solidarität gehört noch nicht allzu lange zum gängigen, deutschen Wortschatz. Erst zu Beginn des 19. Jahrhunderts entwickelte er sich zu einem der gesellschaftlichen Kernbegriffe. Im Dezember 2005 anerkannte die Generalversammlung der Vereinten Nationen „Solidarität“ als allgemeingültigen Wert und erklärte den 20. Dezember zum „Tag der menschlichen Solidarität“. „Verhalte Dich solidarisch!“ wurde zu einem moralischen Appel, dem man sich – als Einzelner oder als Gruppe – nur schwer entziehen oder widersetzen kann. Mit dem Ausbruch von Covid-19 wurde der Begriff „Solidarität“ in der Schweiz zu einem der meistverwendeten Schlagwörter überhaupt, wobei die Meinungen darüber, was Solidarität ist und sein soll, teils recht gegensätzlich sind.

Der Begriff „Solidarität“ wird seit dem Auftreten von Covid-19 deutlich häufiger verwendet und teilweise durchaus inflationär eingesetzt. Und auch die derzeitige Spaltung der Gesellschaft zeigt sich im Kontext dieses Begriffes. Solidarisch ist für die einen, wer sich impfen lässt oder, sollte er dies nicht wollen, zumindest darauf verzichtet, im Krankheitsfall ein Spitalbett zu belegen. Für andere hingegen bedeutet Solidarität, sich auch an Spitalbehandlungen zu beteiligen, die durch die persönlichen Entscheidungen und den Lebensstil der Mitmenschen verursacht wurden. Sucht man im Internet nach der Bedeutung von Solidarität, schreibt beispielsweise die Universität Hamburg: „Solidarität bezeichnet das gegenseitige füreinander Eintreten in einer Gemeinschaft und beschreibt einen gesellschaftlichen Zustand, in dem die Beziehungen zwischen den einzelnen Menschen und dem Gemeinwesen gleichermassen durch Eigenständigkeit und Verantwortung der Individuen und durch Anspruch und Verantwortung des Gemeinwesens gekennzeichnet sind.“ Solidarität würde demnach heissen, Eigenständigkeit zu leben und trotzdem füreinander einzutreten – auch oder sogar da, wo die Einzelnen aufgrund ihrer eigenständig gefällten Entscheidungen Aufwand oder Kosten verursachen. Fakt ist, dass es längst nicht immer von Anfang an klar ist, welcher Weg der richtige ist und tatsächlich dem Gemeinwohl dient. Wahr ist, dass uns allen trotz aufrichtigem Bemühen Fehler passieren, die Schäden verursachen und andere mitbetreffen. Wer sich heute weigert, die Lasten anderer mitzutragen, wird möglicherweise schon morgen darauf angewiesen sein, dass seine Mitmenschen die Feuerwehr mitfinanzieren, die den durch seine Unachtsamkeit entstandenen Brand löscht.

Wir alle brauchen Solidarität oder, um einen Begriff aus der Bibel – die zur Adventszeit durchaus einmal hergenommen werden darf – zu verwenden: Gnade. Unverdientes Wohlwollen, unverdientes Entgegenkommen und Hilfe ohne Vorwürfe, die wir uns in aller Regel ja schon selbst machen. Gut, dass wir bald Weihnachten feiern, dieses Fest, das uns an die Solidarität Gottes erinnert. Gottes Erbarmen uns fehlbaren Menschen gegenüber bekam in der Gestalt des Kindes in der Krippe menschliche Hände und Füsse. Der einzig Unfehlbare, Gott selbst, kam, um unsere Lasten zu tragen, und legte damit den Grundstein einer Solidarität, die weit über unser Verstehen oder Verdienen hinausgeht. In diesem Sinn wünsche ich Ihnen im Namen von Zukunft CH eine fröhliche, gnadenbringende Weihnachtszeit.