Der Schutz der religiösen Gefühle geht vor Meinungsfreiheit: So sieht es zumindest der Menschenrechtsrat der UNO, das berichtet die Internetseite „diepresse“. Im März 2008 beantragte die OIC (Organisation der Islamischen Konferenz, Zusammenschluss von 57 Staaten, die den Anspruch erhebt, die Islamische Welt zu repräsentieren), dass der Menschenrechtsrat künftig über „Missbrauch der Meinungsfreiheit“ zu berichten habe, wenn „rassistische oder religiöse Diskriminierung“ im Spiel sei.
Empört reagierte daraufhin der Welt-Zeitungsverleger-Verband (WAN, mit Sitz in Paris), so die Internetseite weiter. Der Rat müsse sich nicht auf den „Missbrauch“, sondern im Gegenteil auf die rapide wachsende Einschränkung der Meinungsfreiheit weltweit konzentrieren.

Beispielhaft, was der britische Historiker David Littman in einer Sitzung des Menschenrechtsrates am 16.Juni erlebte: Als er die Steinigung von Frauen und die Verheiratung neunjähriger Mädchen in Ländern verurteilte, wo die Scharia angewendet werde, wurde er durch Wortmeldungen seitens der OIC-Deligierten ständig unterbrochen und schliesslich daran gehindert, seine Erklärung zu verlesen. Anschliessend versprach der rumänische Präsident des Rats, Doru Romulus Costea, den OIC-Deligierten, künftig jegliches Urteil über eine Religion, ein religiöses Gesetz oder ein religiöses Dokument zu unterbinden. Tritt der UN-Menschenrechtsrat also nun zukünftig zusammen, wird Sprechern, wenn sie „religiöse Gefühle verletzen“, das Wort verboten. Zensur also statt Meinungsfreiheit – wie es die eigentliche Aufgabe eines Menschenrechtsrates wäre.

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Der UN-Menschenrechtsrat ist als unmittelbarer Nachfolger der 1946 eingesetzten UN-Menschenrechtskommission konzipiert. Er hat seinen Sitz in Genf und kommt für mindestens drei Tagungen pro Jahr zusammen. Zudem sind Sondersitzungen möglich. Die Idee für den Rat geht auf eine Initiative der Schweiz zurück. Die Regierung in Bern ließ 2004 in einer Studie verschiedene Modelle ausarbeiten und prüfen. Von den Ergebnissen flossen wichtige Erkenntnisse in den Reformprozess der Vereinten Nationen ein, den die Schweiz in diesem Bereich mit einigen Unterstützern vorantrieb.