In der Türkei ist der Wahlniederlage der islamlastigen Regierungspartei AKP von Präsident Tayip Erdogan am 7. Juni 2015 sofort ein Brandanschlag auf den Bischofsdom in Istanbuls Vorort Kadiköy gefolgt, der alten Konzilsstadt Chalzedon (451): Ein bisher unauffälliger türkischer Muslim schleuderte am helllichten Tag zwei Molotowcocktails in die Dreifaltigkeitskirche. Sie begann sofort zu brennen. Dabei schrie er den islamischen Kriegsruf „Allahu ekber“ (Allah ist der Grössere) und stiess Verwünschungen gegen Christen und Juden aus. Er liess sich von der Polizei widerstandslos festnehmen, während die Feuerwehr den Brand löschen konnte, bevor er allzu grossen Schaden anrichtete. Die griechisch-orthodoxe Kathedrale Hagia Triada wurde 1902 von Patriarch Joakeim III. am Platz eines einst berühmten, aber verfallenen Klosters errichtet. Sie ist eine der prächtigen Bauten aus der türkischen Reformära Tanzimat, als erstmals in der Türkei Kirchen mit Kuppeln und Türmen gebaut werden durften.
Die Hagia Triada war schon immer ein Ärgernis für militante Muslime. Wiederholte Anschläge gehören zu ihrer über 110-jährigen Geschichte. Diesmal sind Beobachter aber überzeugt, dass es sich um keine Gewalttat der islamistischen Basis, sondern um die Provokation eines Agenten der türkischen geheimen Staatspolizei MIT handelt. Damit sollte gezeigt werden, dass jede Schwächung des Regimes Erdogan auch eine Gefährdung der religiösen Minderheiten im Land bedeute. Ähnliches und sogar Morde an katholischen Priestern- und evangelischen Missionaren waren schon zwischen 2005 und 2010 inszeniert worden, um der Opposition Störungen des Religionsfriedens in die Schuhe zu schieben.
Von Heinz Gstrein