Am 1. September 2022 fand in Lausanne die Beratung der „Unabhängigen Beschwerdeinstanz für Radio und Fernsehen“(UBI) zur umstrittenen SRF-Reportage mit dem Titel „Heilung von Homosexualität?“ statt. Gegen SRF geklagt hatte ein Zuschauer, der die Reportage als tendenziös und unfair empfindet. Die UBI wies die Beschwerde zwar ab, gleichzeitig äusserten sich verschiedene UBI-Mitglieder jedoch auch kritisch zum Vorgehen von SRF und zu den Inhalten der beanstandeten Sendung über sogenannte „Konversionstherapien“. Regula Lehmann von Zukunft CH verfolgte die Beratung der UBI vor Ort.

Wer mit einer Sendung des Schweizer Fernsehens nicht einverstanden ist und bei der SRF-internen Ombudsstelle abblitzt, hat die Möglichkeit, bei der UBI eine schriftliche Beschwerde einzureichen. Genutzt hat diese Möglichkeit im Sommer 2022 ein Ostschweizer, der die SRF-Reportage zum Thema „Heilung von Homosexualität?“ als hochgradig voreingenommen und einseitig kritisiert. In der am 14. Juni 2022 bei der UBI eingereichten, Zukunft CH vorliegenden Replik schreibt der Beschwerdeführer: „Gemäss publizistischen Leitlinien von SRF S. 130, muss bei Sendungen und Beiträgen mit Informationsgehalt das Publikum in die Lage versetzt werden, sich aufgrund der vermittelten Fakten eine eigene Meinung zu den behandelten Themen bilden zu können. Besondere Sorgfalt gilt bei gesellschaftlich heiklen Themen. SRF spielt für die Meinungsbildung eine Schlüsselrolle. Anforderungen an Sachgerechtigkeit, Meinungsvielfalt und Fairness in der Berichterstattung sind besonders hoch. Der Beitrag war einseitig und zeigt nur die Argumente der Befürworter des Verbotes. Das entspricht nicht dem Auftrag von SRF bezüglich: Unabhängigkeit, kritische und professionelle Distanz, Meinungsvielfalt und Fairness. Im Kontext von drei eingereichten parlamentarischen Initiativen zum Verbot sogenannter ‚Konversionstherapienʻ wirkt der Beitrag für uns berechnend und manipulativ. Kritische Fragen, wie wir sie in unseren Schreiben stellen, kommen nicht zur Sprache.“

Verdeckte Aufnahmen für Propaganda

Weiter beanstandet der Beschwerdeführer den Einsatz der versteckten Kamera. Die verdeckten Aufnahmen seien nicht aus einer Not heraus gemacht worden, sondern vorsätzlich, um hetzerische Propaganda zu verbreiten. Laut Strafgesetzbuch Art. 179205 kann die Verletzung des Geheim- oder Privatbereichs durch Aufnahmegeräte mit einer Geldbusse oder Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren bestraft werden. „Ein so sensibles Thema wie die Konversionstherapie verlangt nach Aufklärung, nach fairem Dialog mit allen Beteiligten. Oder nach einer objektiven Berichterstattung auf Augenhöhe“, so der Beschwerdeführer.

Tendenziöse Aspekte, aber Beschwerde abgewiesen

Die UBI wies die Beschwerde mit der Begründung, dass der Beitrag trotz Unvollkommenheiten keine Programmbestimmungen verletzt hat, einstimmig ab. Der kritische Fokus der Redaktion gegenüber der Konversionstherapie sei transparent gewesen und ein Gegner eines Verbots der Konversionstherapie hätte in einem Studiogespräch Gelegenheit gehabt, seine Sichtweise darzulegen. Niemand sei in seiner Würde verletzt und zentrale Inhalte des christlichen Glaubens nicht tangiert worden. Die Auswahl der Situationen sei zwar tatsächlich tendenziös und wesentliche Aspekte würden nur marginal besprochen, doch das Fairnessprinzip sei nicht verletzt worden. UBI-Kommissionsmitglied Armon Vital empfahl seinen Kolleginnen und Kollegen, die Beschwerde „trotz gewisser Unzulänglichkeiten“ in der SRF-Reportage abzulehnen.

Vital begründete diesen Antrag u.a. mit der gesellschaftlichen Ablehnung von Konversionstherapien und mit der Behauptung, die Wissenschaft sei sich einig darüber, dass Konversionstherapien schädlich und deshalb abzulehnen seien. Was jedoch nicht den Tatsachen entspricht: Tatsächlich existieren Studien, die bei Studienteilnehmern nach dem Besuch einer sogenannten „Konversionstherapie“ sogar eine deutliche Verbesserung der Befindlichkeit nachweisen. Eine spannende Publikation zu diesem Themenbereich findet sich beispielsweise auf der Webseite des Deutschen Bundesgesundheitsministeriums.

Betroffenheitsjournalismus statt Politsendung

Obwohl alle Kommissionsmitglieder Vitals Antrag folgten, hatten mehrere UBI-Mitglieder während der dem Urteil vorangehenden Beratung Kritik an der SRF-Reportage geäussert. Rechtanwältin und Journalistin Nadine Jürgensen erklärte beispielsweise, die Sendung sei sehr meinungsbehaftet gewesen, bevor man sich selbst eine Meinung habe machen können. Laut Jürgensen wurde Betroffenheitsjournalismus gemacht, dem Protagonisten hätte die persönliche Distanz gefehlt und er sei der Thematik deshalb nicht gerecht geworden. Die Rundschau sei eine Politsendung, in der das Thema, nicht der Journalist, der Protagonist sein sollte. „Was, wenn Menschen sich (selbst) für etwas anderes entscheiden?“, fragte Jürgensen. Die persönliche Freiheit werde abgewürgt, SRF sei sehr moralisierend aufgetreten und dass die gezeigten Berater und Seelsorgerinnen erst am Schluss ihre Statements hätten abgeben können, habe sich für diese nachteilig ausgewirkt.

Keine Debatte möglich

Auch der Sekretär der UBI, Pierre Rieder, bemängelte, dass die Anhörung der Therapeuten der anderen Seite zu kurz gekommen und SRF sehr anwaltlich – wenn auch transparent – vorgegangen sei. Juristin Delphine Gendre stellte in der Reportage eine „Emotionalisierung à la MTV“ fest, eine Debatte sei nicht ermöglicht worden und die betroffenen Berater hätten keine Möglichkeit gehabt, zu antworten. Für Gendre gehört das Thema Konversionstherapien zudem eher in den Bereich der Religionsfreiheit.

Abschliessend kann festgehalten werden, dass die UBI sich neben der Mediengesetzgebung stark an gesellschaftlichen Entwicklungen orientiert und dem „gesellschaftlichen Konsens“ einen hohen Stellenwert zumisst. Beschwerden, die dem Zeitgeist widersprechen, dürften – so der traurige Eindruck nach der Beratung der UBI in Lausanne – nur dann gutgeheissen werden, wenn in einer eine SRF-Sendung sehr auffällige, unbestreitbar massive Verletzungen des Mediengesetzes stattgefunden haben.