Nehmen Sie die Stöpsel aus dem Ohr, drehen Sie das Autoradio ab, schalten Sie YouTube aus. Was bleibt? Stille. Und Klänge. Laute oder leise, angenehme oder störende, klare oder verschwommene Klänge. Lassen Sie sich zum jährlichen Welttag des Hörens am 3. März zum Staunen über unser Gehör einladen.

Von Ursula Baumgartner

Sie sitzen mittig links und rechts an unserem Kopf und dienten in den letzten Jahren häufig hauptsächlich zur Befestigung der Maske: unsere Ohren. Doch was für ein Wunderwerk wir da tagtäglich mit uns herumtragen, ist vielen gar nicht klar. Wie selbstverständlich nehmen wir es, dass wir Nachrichten hören können oder den Staubsauger in der Nachbarwohnung. Wie unkonzentriert lassen wir oft Musik nebenbei laufen oder bemerken im Gespräch plötzlich: „Ich habe gar nicht zugehört!“

Was also leistet unser Gehör, von dem wir lediglich einen kleinen Teil, nämlich die Ohrmuschel, sehen können? Kurz gesagt: Es kann Luftschwingungen aufnehmen und über eine komplizierte Verkettung von Folgereaktionen in elektrische Impulse umwandeln, die vom Hörnerv dann zum Gehirn weitergeleitet werden. Etwas länger gesagt: Dabei sind v.a. unterschiedliche Frequenzen wichtig, also die Schnelligkeit der Luftschwingungen. Sind diese schneller, spricht man von hohen Frequenzen. Dann hören wir einen hohen Ton. Niedrigere Frequenzen geben tiefere Töne.

Faszinierend dabei ist, dass für jede Frequenz in unserem Innenohr sozusagen eine „Anlaufstelle“ reserviert ist. Dies lässt sich vergleichen mit einem etwas umgebauten Xylophon. Bringt man den Klangstab eines Xylophons zum Schwingen, entsteht ein Ton. Unser Innenohr arbeitet anders herum: Das „Xylophon“ hier besitzt Klangstäbe, an denen Fäden befestigt sind und ins Gehirn führen. Hohe Frequenzen ziehen nun sozusagen an den Fäden der kleinen Klangstäbe, niedrigere Frequenzen an denen der grösseren. Der Zug an den speziellen Fäden sendet ein Signal ins Gehirn – wir hören einen Ton. Der eigentliche Ton entsteht also erst in unserem Gehirn, die Luftdruckschwankungen sind nur die physikalische Voraussetzung dafür. Die Frage, ob es auch einen Ton gibt, wenn ein Baum im Wald umfällt und niemand da ist, der es hören kann, ist also durchaus berechtigt.

Der menschliche Hörsinn kann bei all dem nicht nur räumlich hören, also z.B. wahrnehmen, ob sich ein Auto von links oder von rechts nähert. Er kann auch bei ein und demselben Ton heraushören, ob er von einer Violine oder einer Trompete stammt. Er kann verschiedene Menschen an der Stimme erkennen und sogar aus einem Stimmengewirr die Stimme des einen Menschen herausfiltern, mit dem man sich gerade unterhalten möchte. Und selbst wenn wir unseren Gesprächspartner nicht sehen, beispielsweise am Telefon, hören wir, ob er beim Gespräch atemlos ist, ob er lächelt oder ob er mit den Tränen kämpft – zumindest, wenn wir ihn gut kennen. Wenn unser Gehör uns dies alles aber ermöglicht, heisst das auch, dass wir diese Fähigkeiten nutzen und unserem Gegenüber wieder mehr Aufmerksamkeit schenken sollten.

Seien wir also mehr Ohr!