Was in der Diskussion über den Islam in der Schweiz schmerzlich fehlt, ist ein Vergleich zwischen schweizerischen und islamischen Rechtsnormen. Der Jurist Sami Aldeeb, der in der Schweiz lebt und palästinensischer Abstammung ist, hat diese Lücke nun mit einer systematischen Studie geschlossen, welche die islamischen Normen zeigt, die mit dem Schweizer Recht in Konflikt stehen. Untermauert ist das Ganze mit juristischen Referenzen zum schweizerischen und islamischen Recht.*

Von Monika von Sury

Von Beginn an hebt der Autor den grundlegenden Unterschied zwischen den Quellen des schweizerischen und muslimischen Rechts hervor. So geht das Schweizer Recht vom Volk aus und ist Ausdruck von dessen Souveränität. Für den Muslim stammt das Recht, so wie es in Koran und Sunna formuliert ist, von Allah. Da muslimische Gemeinschaften sich aktuell darum bemühen, als öffentlich-rechtliche Institutionen anerkannt zu werden, veröffentlichen wir im Folgenden einen Auszug darüber, was das Schweizer und das islamische Recht über die Religionsfreiheit sagen:

Die Schweizer Bundesverfassung garantiert in Artikel 15 die Glaubens- und Gewissensfreiheit und bestimmt das Recht jeder Person, ihre Religion und ihre weltanschauliche Überzeugung frei zu wählen und allein oder in Gemeinschaft mit anderen zu bekennen. Sie legt fest, dass jede Person das Recht hat, einer Religionsgemeinschaft beizutreten oder anzugehören und religiösem Unterricht zu folgen. Schliesslich bestimmt sie, dass niemand gezwungen werden darf, einer Religionsgemeinschaft beizutreten oder anzugehören, eine religiöse Handlung vorzunehmen oder religiösem Unterricht zu folgen. Gemäss Artikel 303 des Schweizer Zivilgesetzbuches entscheidet jedes Kind ab 16 Jahren „selbständig über sein religiöses Bekenntnis“.

Laut islamischem Recht ist jedes Kind, dessen Eltern Muslime sind, obligatorisch ebenfalls Muslim. Auch wenn es erwachsen ist, kann das Kind seine Religion nicht wechseln. Das islamische Recht unterstützt die Bekehrung zum Islam, bestraft aber den Abfall vom Islam streng. Der Abtrünnige kann nicht heiraten, seine bestehende Ehe wird aufgelöst, seine Kinder werden ihm weggenommen und sein Erbgang wird eröffnet. Er darf keine öffentlichen Ämter ausüben. Ebenso ist es verboten einen Muslim zu bekehren. Das „Vereinheitlichte Arabische Strafrecht“, das 1996 von allen arabischen Justizministern angenommen wurde, sieht für Abtrünnige die Todesstrafe vor.

Dies ist nur ein Beispiel aus der Studie von Aldeeb. Die Studie ist dreifach nützlich: Konzipiert als Chronik, ist die Studie erstens eine praktische Hilfe für alle, die zu einem bestimmten Thema eine seriöse juristische Auskunft suchen. Zweitens werden Behörden bei Entscheidungen in umstrittenen juristischen Bereichen wie dem Familienrecht, dem Strafrecht oder der Religionsfreiheit nicht um dieses Werk herumkommen.

Schliesslich lädt die Studie uns alle – ob Schweizer oder Muslim – dazu ein, auf folgende Frage zu antworten: Was würde sich ändern, wenn der Islam bei uns zur öffentlich-rechtlich anerkannten Religion würde?

Die Studie ist als Buch inzwischen auf Deutsch erhältlich:
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* Aldeeb Sami „Comparaison entre les normes suisses et les normes musulmanes“, Centre de droit arabe et musulman, St. Sulpice, 2018.