Am 7. Februar 2023 veröffentlichte die Stiftung „Sucht Schweiz“ das jährliche Schweizer Suchtpanorama. Hierin werden Zahlen und Daten zu verschiedenen Abhängigkeiten präsentiert und analysiert. Zudem wirft „Sucht Schweiz“ einen Blick auf die Bestrebungen in der Politik und stellt Forderungen zu Verbesserungen im jeweiligen Bereich.

Von Ursula Baumgartner

Nicht nur legale Drogen wie Alkohol und Tabak bereiten in der Suchtlandschaft nach wie vor Probleme. Auch illegale Drogen, v.a. Cannabis, psychoaktive Medikamente, Glücks- und Geldspiel und Online-Aktivitäten mit Suchtpotenzial nimmt „Sucht Schweiz“ kritisch unter die Lupe. Beklagt wird im Suchtpanorama, dass die Politik in vielen Aspekten den Volkswillen nicht umsetzt, z.B. bei der Initiative „Kinder ohne Tabak“, die verhindern möchte, dass Tabakwerbung Kinder und Jugendliche erreicht, oder bei dem Alkoholverbot an Autobahnraststätten, das 2021 gefallen ist. Den Grund für das Zögern in der Politik sieht die Stiftung darin, dass Lobbyvertreter zu grossen Einfluss haben. So war „Kinder ohne Tabak“ im Jahr 2022 mit überwältigender Mehrheit angenommen worden. Widerstand gegen die Umsetzung der Initiative kommt jedoch von Wirtschaftsverbänden und Industrie, die um Einnahmen fürchten.

Die legalen Drogen – Alkohol und Tabak

Als wichtigen Meilenstein beim Thema „Alkohol“ betrachtet das Suchtpanorama die Entscheidung der Genossenschaftsmitglieder, dass die „Migros“ nach wie vor keinen Alkohol verkauft. Eine erschreckende Bilanz ist beim Online-Handel mit Alkohol zu verzeichnen: Fast 94 Prozent der Online-Testkäufe durch Jugendliche waren erfolgreich. Selten wurde nach dem Alter der Käufer gefragt. Und damit nicht genug, „Sucht Schweiz“ sagt: „Selbst bei wahrheitsgemässer Angabe erhielt die grosse Mehrheit der minderjährigen Testpersonen dann gleichwohl den Alkohol.“ Hier sind also strengere Kontrollen dringend notwendig.

Fehlende Kontrolle dürfte junge Leute auch zu verstärktem Nikotinkonsum animieren. Sogenannte „Puff-Bars“, Einmal-E-Zigaretten, verbreiten sich derzeit rasant unter Jugendlichen, wie Zukunft CH berichtete. Verlockend sind sowohl die verschiedenen Geschmacksrichtungen als auch der fehlende Tabakgeruch. Geworben wird im Internet und in den sozialen Medien. In den meisten Kantonen ist die Abgabe an Jugendliche derzeit noch nicht verboten. Doch da sich in den Puff-Bars oft ein nicht kommuniziertes Chemikalien-Gemisch befindet, dessen genaue Wirkung noch unbekannt ist, sowie gelegentlich ausserdem eine nicht zugelassene Konzentration an Nikotin, ist ein solches Verbot überfällig.

Ein unentschuldbares Versäumnis

Auch Online-Aktivitäten mit Suchtpotenzial sind Thema des Suchtpanoramas. Leider geht „Sucht Schweiz“ jedoch nicht auf das Thema der Pornografie ein, die 2022 doch sogar als „zwanghaftes Sexualverhalten“ Eingang in die ICD (zu Deutsch: „Internationale Klassifikation von Krankheiten“) gefunden hat. Dies ist ein Versäumnis seitens „Sucht Schweiz“, wenn man bedenkt, dass der Konsum von Internet-Pornografie heute häufig bereits im Kindesalter beginnt, ein Suchtpotenzial aufweist, das mit dem von Kokain vergleichbar ist, Ehen und Familien zerstört und oft sogar Abhängige, die an sich überhaupt nicht pädophil veranlagt sind, in die Kinderpornografie abgleiten lässt. Zudem begünstigt Pornografie-Sucht häufig indirekt weitere Abhängigkeiten: Viele v.a. weibliche Porno-Darsteller entwickeln im Laufe ihrer „Karriere“ selbst eine Alkohol- oder Drogensucht, um all die Erniedrigungen, denen sie in ihrem „Arbeitsalltag“ ausgesetzt sind, zu ertragen oder zu vergessen.

Da „Sucht Schweiz“, wie es auf ihrer Homepage heisst, bemüht ist, „Probleme im Zusammenhang mit dem Konsum psychoaktiver Substanzen und Verhaltensweisen mit Suchtpotenzial zu verhindern oder sie zu vermindern“, ist zu hoffen, dass sie ein solches Problemfeld wie die Pornografie in ihrem Suchtpanorama zukünftig nicht schweigend übergehen. Denn auch hier darf es nicht bleiben, wie es ist, sondern es besteht klarer Handlungsbedarf.

Die Stiftung Zukunft CH hat einen Ratgeber erarbeitet, der Eltern und Pädagogen dabei helfen soll, Kinder wirksam vor Pornografie zu schützen. Er kann über das Bestellformular kostenfrei bezogen werden.