Asylsuchende, deren Gesuch aus gründlich abgeklärten Gründen (z.B. kriminelle Gefahr, keine Not im Heimatland, usw.) abgelehnt wird, müssten die Schweiz eigentlich sofort verlassen. Wie die „NZZ am Sonntag“ aufdeckte, blieben allein Mitte 2009 rund 90 Prozent der Ausreisepflichtigen, d.h. offiziell etwa 5000 bis 6000 Menschen, trotzdem weiter in unserem Land und beziehen unter anderem monatlich kantonale Nothilfe im Wert von 240 Fr. pro Person.
Vom Angebot, dass die Schweiz die Rückreisekosten für jeden Abgewiesenen nach wie vor vollumfänglich übernimmt, lassen sich die Betroffenen schon gar nicht beeindrucken. Allein im Kanton Zürich beziehe die Hälfte der abgewiesenen Asylbewerber, rund 1000 Personen, bis zu vier Jahren Nothilfe, was für den Kanton jährlich wiederkehrende Ausgaben von rund 9 Millionen Franken ausmache, sagt Ruedi Hofstetter, Chef des kantonalen Sozialamtes. Obschon der damalige Bundesrat Christoph Blocher Anfangs 2008 den sogenannten Sozialhilfestopp lanciert hatte, welcher die von Bern wiederkehrend ausbezahlten Sozialgelder für Ausreisepflichtige, die nicht ausreisen wollen, einfror und damit eine rasche Ausreise der Abgewiesenen fördern sollte, bleiben diese Personen hartnäckig in der Schweiz und leben nebst dem Staatsbeitrag vor allem auch von der Unterstützung durch soziale Organisationen und Private. Die 6000 Fr. Pauschale, welche die Kantone seit dem Sozialhilfestopp pro Ausreisepflichtigem noch vom Bund erhalten, sind durchschnittlich nach bereits vier Monaten aufgebraucht.

Im Kanton St. Gallen beispielsweise hat sich die Zahl der Nothilfebezüger innerhalb eines Jahres nahezu verdoppelt. Dass der Sozialhilfestopp nicht die gewünschte Wirkung zeigt, hat für den stellvertretenden Leiter des St. Galler Ausländeramtes, René Hungerbühler, damit zu tun, dass er ständig unterlaufen werde. „Gewisse Personen und Institutionen bilden eine eigentliche Schattenbetreuung für Ausreisepflichtige, so dass diese immer weniger mit dem Minimum auskommen müssen“, kritisiert er. Ein ähnliches Bild zeigt sich im Kanton Aargau. Der dortige Sprecher des Gesundheitsdepartements, Balz Bruder, sieht das Problem im „mangelhaften Wegweisungsvollzug“.

Mario Gattiker, Leiter des Ausschusses und Vizedirektor des Bundesamtes für Migration, betont, dass sich der Sozialhilfestopp trotz allem bewährt habe: „Ohne diesen wären noch mehr abgewiesene Asylbewerber in der Schweiz.“ Es sei der Vollzug, welcher optimiert werden müsse. Michael Stegmaier vom Flüchtlingscafé Militärstrasse Zürich bestätigt ebenfalls, dass die Asylanten selbst ohne jegliche staatliche Unterstützung hier bleiben würden. Was aber auf jeden Fall steigen werde, sei die Kriminalität, ist er überzeugt.

Quelle: NZZ am Sonntag, 28.3.2010